Beängstigende Parallelen zwischen damaligen und heutigen Ausgrenzungsmechanismen

Omas gegen Rechts, wo bleibt Ihr Demokratieverständnis?

von Martin Schwab (Kommentare: 18)

„Der demokratische Wettbewerb muss im öffentlichen Debattenraum entschieden werden - und nicht durch Präventivzensur im Zahlungsverkehr."© Quelle: Facebook / Omas gegen Rechts Berlin, Screenshot

Prof. Martin Schwab antwortet in einem offenen Brief auf eine Mail der Omas gegen Rechts Berlin.

SEHR GEEHRTE "OMAS GEGEN RECHTS BERLIN",

Heute schreibe ich Ihnen, weil ich mir große Sorgen um Ihr Demokratieverständnis mache.

Gestern, am 7.5.2024 um 18.23 Uhr, fand ich in meinem dienstlichen Mailpostfach eine Mail von Ihnen vor, die ich abfotografiert und hier angehängt habe. Die Anrede "Hallo Martin" und die Schlussformel "Unterstützt du unsere Forderung mit deiner Unterschrift, Martin?" habe ich weggelassen, weil sonst der eigentliche Text nicht mehr in den Screenshot gepasst hätte. Ich bleibe allerdings bei der Korrespondenz mit Ihnen bei der förmlichen Anrede.

Um eines gleich klarzustellen: Ich werde Ihren Appell an die Berliner Volksbank NICHT unterschreiben. Und um möglichen Missverständnissen vorzubeugen: Ich würde einen solchen Appell auch dann nicht unterzeichnen, wenn Sie nicht die Kündigung des Spendenkontos der AfD, sondern die Kündigung des Spendenkontos irgendeiner beliebigen anderen Partei propagieren würden. Ich bin ganz generell, ohne Ansehen der jeweiligen Partei, ein ganz entschiedener Gegner der Demonetarisierung von "unliebsamen" politischen Kräften.

Es trifft zwar zu, dass der BGH mit Urteil vom 15.1.2013 - XI ZR 22/12 den Banken das Recht zuerkannt hat, Kontoführungsverträge zu kündigen, wenn ihnen die Weltanschauung des betreffenden Kunden nicht gefällt. Nach geltendem Recht geht diese Entscheidung in Ordnung, weil der Gesetzgeber in § 19 Abs. 1 AGG bewusst darauf verzichtet hat, dem Anbieter von öffentlich zugänglichen Dienstleistungen die Diskriminierung seiner Kunden aufgrund der Weltanschauung zu verbieten.

Ich sehe hier aber eine Rechtsschutzlücke, die dringend vom Gesetzgeber geschlossen werden muss. Parteien wirken nach Art. 21 Satz 1 GG an der politischen Willensbildung des Volkes mit. Sie können dieser Aufgabe praktisch nur nachkommen, wenn sie in der Lage sind, am bargeldlosen Zahlungsverkehr teilzunehmen. Räumt man den Banken ein Recht zur politischen Gesinnungsprüfung ein, entscheiden womöglich am Ende sie, welche Partei überhaupt wirtschaftlich existieren und am politischen Wettbewerb teilnehmen darf. Eine solche "Filterfunktion" von Banken, die ihrerseits keinerlei demokratische Legitimation für sich in Anspruch nehmen können, droht auf lange Sicht das Spektrum der politischen Angebote zu verengen. Das ist mit dem Demokratieprinzip in meinem Augen nicht vereinbar.

Ausweislich Ihrer Homepage setzen Sie sich für gleiche Rechte aller Frauen, Männer und Kinder in Deutschland sowie für Respekt und Achtung gegenüber anderen Mitbürgern ein. Wörtlich schreiben Sie sodann:
"Dabei müssen die bedrohlichen Entwicklungen wie Antisemitismus, Rassismus, Frauenfeindlichkeit und Faschismus erkannt, benannt und im Konkreten auch der politische Widerstand und die Bewusstseinsbildung organisiert werden."

Ich lese aus diesen Zeilen heraus, dass Sie Widerstand gegen Faschismus aufbieten wollen. Dann möchte ich Sie daran erinnern, dass es in Deutschland schon einmal eine Zeit gegeben hat, in denen die Menschen aufgefordert wurden, mit einer bestimmten Personengruppe keine Geschäfte zu machen. Das Regime, das zu dieser Zeit in Deutschland herrschte, war ein faschistisches. Ich weiß, dass es verpönt ist, Parallelen zwischen damals und heute zu ziehen. Aber wie sollen wir denn aus unserer Geschichte lernen, wenn wir nicht die Strukturen von damals und heute vergleichen, um nach Gemeinsamkeiten und Unterschieden zu forschen? Und die Parallelen zwischen den damaligen und den heutigen Ausgrenzungsmechanismen sind beängstigend.

Daher bitte ich Sie, mir zu erklären, wie Ihr Versuch, die Berliner Volksbank zur Kündigung des AfD-Spendenkontos zu drängen, sich mit den von Ihnen selbst öffentlich proklamierten Zielen verträgt.

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Ihre These, die AfD sei rechtsextrem und rassistisch, überzeugt mich als Begründung für Ihre Forderung an die Berliner Volksbank nicht. Ich lebe in der Zuversicht, dass die ganz überwältigende Mehrheit der Menschen in diesem Land nicht Hass und Spaltung wollen, sondern - wie Sie es ja auch selbst schreiben - ein friedvolles Miteinander. Ich lebe ferner in der Zuversicht, dass die ganz überwältigende Mehrheit in diesem Land sich nicht auch nur ansatzweise die Zustände im Dritten Reich zurückwünscht. Ich lebe folglich in der Zuversicht, dass eine Partei, die Hass und Spaltung sät und die Rassenideologie wiederbeleben will, in diesem Land nicht den Hauch einer Chance hat, im demokratischen Wettbewerb zu bestehen. Eine solche Partei wird in jeder Parlamentswahl unter ferner liefen landen. Und das völlig zu Recht.

Wenn nun aber die AfD einen so großen Zulauf hat, dass sie mittlerweile bei sämtlichen Parlamentswahlen locker die 5%-Hürde nimmt und in aktuellen Umfragen auf konstant zweistellige Prozentwerte kommt, kann ich mir das nur so erklären, dass zahlreiche Wähler der AfD Ihre Einschätzung, die AfD sei rassistisch und rechtsextrem, nicht teilen. Im demokratischen Wettbewerb ist es jetzt Ihre Aufgabe, die Menschen mit Fakten und Argumenten davon zu überzeugen, warum sie in der AfD aber eben doch eine rechtsextreme und rassistische Partei sehen sollten. Der Weg, andere Menschen mithilfe von Argumenten zu überzeugen, ist steinig. Und im Bereich der Bekämpfung von Rechtsextremismus ist der Weg des faktenbasierten Diskurses noch steiniger geworden, weit die Nazi-Keule gegen nahezu jeden Regierungskritiker geschwungen wird und es immer schwerer fällt, die Framing-Opfer und die wirklichen Rechtsextremen auseinanderzuhalten. Aber wie dem auch sei: Das faktenbasierte, schlüssige Argument ist im demokratischen Wettbewerb der einzige statthafte Aktionsparameter.

Ihr Versuch, die AfD stattdessen zu marginalisieren, indem Sie die Berliner Volksbank auffordern, das AfD-Spendenkonto zu kündigen und die AfD letztlich vom bargeldlosen Zahlungsverkehr abzuschneiden (jede andere Bank, die dann stattdessen ein AfD-Konto führen würde, würden Sie ja abermals unter den gleichen Druck setzen!), setzt sich über diese demokratischen Spielregeln hinweg.

Und noch einmal: Dieselben Zeilen würde ich Ihnen schreiben, wenn Sie, mit welcher Begründung auch immer, die Kündigung des Bankkontos irgendeiner anderen Partei fordern würden. Der demokratische Wettbewerb muss im öffentlichen Debattenraum entschieden werden - und nicht durch Präventivzensur im Zahlungsverkehr.

Mit demokratischen Grüßen

Prof. Dr. Martin Schwab

Erstveröffentlichung auf Facebook am 8.5.2024

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