Wie Mahlers Wandel die dunklen Verbindungen von Linksterrorismus und Antisemitismus offenlegt

50 Jahre Antisemitismus in der BRD: Von Horst Mahler bis zu Palästina-Demos in Berlin

von Gregor Leip (Kommentare: 3)

Juden im Fadenkreuz deutscher Extremisten© Quelle: Pixabay/chenspec

Vom RAF-Mitbegründer zum rechtsradikalen Antisemiten. Mahlers Weg zeigt, wie antisemitische Denkmuster Linke und Rechte verbinden – von der Unterstützung palästinensischer Terrorgruppen in den 1970ern bis zur heutigen Gaza-Debatte.

Von Gregor Leip

Die Geschichte Horst Mahlers spiegelt extreme Widersprüche der deutschen Nachkriegsgesellschaft wider. Vom charismatischen Anwalt der 68er-Bewegung zum Mitbegründer der Roten Armee Fraktion (RAF) und schließlich zum rechtsradikalen Holocaustleugner – Mahlers Leben erscheint hier wie eine Achterbahnfahrt im Fahrwasser zerstörerischer Ideologien.

Was die so weit auseinander scheinenden Positionen allerdings eint, ist die Kontinuität antisemitischer Denkmuster.

Der Artikel „Horst Mahler ist gestorben – Der Advocatus Diaboli saß zwanzig Jahre seines Lebens im Knast“ von Alexander Wallasch sowie Wallaschs Interview mit Rainer Langhans, einem alten Weggefährten Mahlers, sind geeignet, neues Licht auf diese Entwicklung zu werfen.

Mahlers Biografie ist geprägt von der Verflechtung von RAF-Ideologie und Antisemitismus, der Unterstützung der RAF durch palästinensische Gruppen und der heutigen Unterstützung der palästinensischen Sache durch Teile der Linken, die Mahlers Denkkosmos in Teilen wieder anschlussfähig macht mit dem Gedankengut einer Reihe seiner linksextremen Exgenossen.

Horst Mahler (*1936) war in den 1960er Jahren eine zentrale Figur der außerparlamentarischen Opposition (APO). Als Anwalt verteidigte er prominente Akteure wie Rudi Dutschke, Beate Klarsfeld und Mitglieder der Kommune 1, darunter auch Wallaschs heutigen Interviewpartner, den 85-jährigen Rainer Langhans.

1969 schloss er sich Andreas Baader und Gudrun Ensslin an, um die RAF zu gründen, eine linksextremistische Terrororganisation, die das „Schweinesystem“ der Bundesrepublik bekämpfen wollte. Mahler sah sich als Kämpfer gegen Kapitalismus und Imperialismus, doch sein Weg führte ihn nach seiner Haft in den 1970er Jahren in eine völlig andere Richtung: In den 1990er Jahren wandte er sich der rechtsradikalen Szene zu, trat der NPD bei und wurde zum Holocaustleugner – der Tabubruch hätte in der Bundesrepublik kaum größer sein können.

Diese unheilvolle Entwicklung führte 2009 zu einer Verurteilung wegen Volksverhetzung und Holocaustleugnung. Die Strafe war für ein Äußerungsdelikt geradezu biblisch in ihrer Härte: Mahler wurde zu über zehn Jahren Haft verurteilt.

Gestern starb Mahler im hohen Alter von 89 Jahren in einem Berliner Krankenhaus. Alexander Wallasch beschreibt Mahler auf seinem Portal als Anwalt, dessen Leben die Extreme der Nachkriegsgeschichte widerspiegelt: „Widerstand und Wahn“ seien in ihm vereint.

Im Wallasch-Interview mit Rainer Langhans wird Mahlers Wandel aus der Perspektive eines ehemaligen Freundes beleuchtet. Langhans, eine Ikone der 68er-Bewegung, betont die einstige Nähe zu Mahler:

„Mit Horst war ich sehr eng befreundet und habe das sehr lange versucht, aufrechtzuerhalten.“

Doch Mahler brach den Kontakt ab, und Langhans’ Versuche, ihn im Gefängnis zu besuchen, scheiterten. Langhans reflektiert über Mahlers Absturz und stellt klar: „Nicht der Kampf, sondern die Liebe ist es.“ Diese Aussage kontrastiert scharf mit Mahlers Lebensweg, der von ideologischer Radikalisierung und Hass geprägt war.

Die Frage, ob die RAF antisemitisch war, ist komplex und wird in der Forschung seit Jahrzehnten kontrovers diskutiert. Wolfgang Kraushaar, ein renommierter Historiker des Linksterrorismus, weist darauf hin, dass die RAF in den 1970er Jahren eine enge Verbindung zu palästinensischen Terrorgruppen wie der PFLP (Volksfront zur Befreiung Palästinas) unterhielt. Kraushaar weiß auch Parallelen zur aktuellen Gaza-Debatte zu ziehen.

Diese unheilvolle Allianz war nicht nur strategisch, sondern auch ideologisch geprägt. Die RAF sah Israel als „Brückenkopf des westlichen Imperialismus“, so formulierte es die „taz“ vor mittlerweile bald zwanzig Jahren. Die Palästinenser wurden als Opfer dieses Systems betrachtet. Diese Sichtweise führte zu einer problematischen Gleichsetzung von Israelkritik mit antisemitischen Stereotypen.

Ulrike Meinhof etwa verglich die Haftbedingungen in deutschen Gefängnissen mit Konzentrationslagern und gab als Zeugin der Verteidigung im Prozess gegen Horst Mahler am 14. Dezember 1972 eine Erklärung ab, deren antisemitischer Unterton als Ungeheuerlichkeit noch viel zu selten zitiert wird:

„Auschwitz heißt, dass sechs Millionen Juden ermordet und auf die Müllkippe Europas gekarrt wurden als das, als was man sie ausgab – als Geldjuden. Der Antisemitismus war seinem Wesen nach antikapitalistisch. Mit der Vernichtung von sechs Millionen Juden wurde die Sehnsucht der Deutschen nach Freiheit von Geld und Ausbeutung mit ermordet... Ohne dass wir das deutsche Volk vom Faschismus freisprechen – denn die Leute haben ja wirklich nicht gewusst, was in den Konzentrationslagern vorging – können wir es nicht für unseren revolutionären Kampf mobilisieren.“

Die Aussage spiegelt Meinhofs radikale Ideologie wider, die offenbar den Holocaust in eine marxistisch-leninistische Weltsicht einzuordnen versuchte, wobei sie ansatzlos antisemitische Narrative bediente, freilich noch ohne die Ermordung von Juden direkt zu befürworten. Diese Aussage dokumentiert unüberbrückbar die Verbindung von Antisemitismus und linker Ideologie in der RAF.

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Historisch gehört die Unterstützung der RAF beim Anschlag der palästinensischen Gruppe „Schwarzer September“ auf die israelische Olympiamannschaft 1972 in München zu den besonders erschütternden Beispielen dieser Mordallianz. Dabei wurden elf israelische Sportler getötet.

Horst Mahler selbst lobte diese Tat als „mutige Kommandoaktion“ gegen eine „imperialistische KdF-Schau“. Konkret wurde diese Äußerung später, im Rahmen eines Prozesses in den frühen 2000er-Jahren, vom Hamburger Landgericht in einer Urteilsbegründung erwähnt.

Ein weiteres Beispiel ist die Entführung einer Air-France-Maschine nach Entebbe 1976, bei der RAF-Mitglieder wie Wilfried Böse und Brigitte Kuhlmann jüdische Passagiere „selektierten“ – eine grausame Parallele zu nationalsozialistischen Praktiken.

„Die Kriminalpolizei“, Zeitschrift der Gewerkschaft der Polizei, schreibt dazu Folgendes:

„Der Antisemitismus innerhalb der linksextremistischen Szene wird immer dann deutlich, wenn der ‚jüdische Kapitalist‘ als Inbegriff des ‚raffgierigen Kapitalisten‘ erscheint, geheime Mächte im Hintergrund als unsichtbare ‚Strippenzieher‘ ausgemacht werden und Israel als ‚Jude unter den Staaten‘ als einzigem Land auf der Welt das Existenzrecht abgesprochen wird.“

Diese antisemitischen Aktionen lösten in der RAF und ihrer Unterstützerszene allerdings kein selbstkritisches Nachdenken aus, sondern wurden als Teil des „antiimperialistischen Kampfes“ gerechtfertigt.

Die RAF erhielt in den 1970er Jahren erhebliche Unterstützung von palästinensischen Gruppen wie der PFLP und der Fatah. Mitglieder der RAF, darunter Baader, Ensslin und Meinhof, wurden in Trainingslagern im Nahen Osten ausgebildet, wo sie den bewaffneten Kampf erlernten bzw. erlernen sollten; es haperte letztlich an jedweder militärischen Disziplin der Deutschen.

Auf der Metaebene war die Zusammenarbeit Teil einer „weltrevolutionären Vision“, die nicht selten in eine nationalistische und antisemitische Rhetorik mündete. So funktionierte die gegenseitige Vergewisserung: Die palästinensischen Gruppen sahen in der RAF eine Verbündete gegen Israel, während die RAF die Palästinenser als Symbol des Widerstands gegen den „globalen Imperialismus“ stilisierte.45 Jahre später knüpft die heutige Unterstützung der palästinensischen Sache durch Teile der Linken wie selbstverständlich an diese historische Verflechtung an – die DNA ist lebendig.

Extremistische pro-palästinensische Gruppen, die in Deutschland aktiv sind, feiern den Terror der Hamas, etwa das Massaker vom 7. Oktober 2023, als „Freiheitskampf“.

Solche Positionen finden Resonanz in Teilen der radikalen Linken, die sich als antiimperialistisch oder antikolonialistisch verstehen. Die Kufiya, das Palästinensertuch, ist auf Demonstrationen dieser Gruppen ein wiederkehrendes Symbol, oft verbunden mit antiisraelischer Rhetorik, die überwiegend unbehelligt von einer vielfach überforderten deutschen Polizei in lupenreinen Antisemitismus umschlägt.

Die Verbindung von Solidarität mit Palästina und antiisraelischen Ausschreitungen ist ein alarmierendes Signal. Gruppen wie die BDS-Bewegung oder „Migrantifa“ geraten hier immer wieder in die Kritik, antisemitische Narrative zu bedienen.

Die historische Linie von Mahlers RAF-Zeit über die Unterstützung palästinensischer Terrorgruppen bis hin zur heutigen Solidarität mit der palästinensischen Sache durch Teile der Linken scheint einen Kreis zu schließen.

Mahler selbst ist ein Extrembeispiel: Sein Wandel vom linken Revolutionär zum rechtsradikalen Antisemiten, vom Linksterrorismus zum Rechtsextremismus, verdeutlicht, wie Antisemitismus als Bindeglied zwischen diesen Ideologien fungieren kann.

Die RAF, unterstützt von palästinensischen Gruppen, trug in den 1970er Jahren zur Verbreitung antisemitischer Narrative bei, die heute in Teilen der Linken nachklingen. Rainer Langhans’ Rückblick auf Mahler im Gespräch mit Alexander Wallasch erinnert daran, dass Liebe und Menschlichkeit die einzigen Antworten auf Hass und Gewalt sein dürfen. So mahnt die Geschichte Mahlers und der RAF, Antisemitismus in all seinen Formen zu erkennen und zu bekämpfen – egal, ob er von links oder rechts kommt.

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