Von RA Dirk Schmitz MA
Mit dem geplanten Civil Crisis and National Defence Act beschreitet Estland einen Weg, der weit über herkömmliche Notstandsregelungen hinausgeht. Offiziell soll das Gesetz „Vorbereitung und Bewältigung von Krisen“ erleichtern, tatsächlich ist es der Versuchsballon einer EU-Diktatur unter dem Deckmantel von Sicherheit und Verteidigung. Es geht um nicht weniger als die Abschaffung von Grundrechten und Demokratie.
Ein berühmt-berüchtigtes Zitat von Carl Schmitt lautet: „Souverän ist, wer über den Ausnahmezustand entscheidet“. Es stammt aus Schmitts „Politische Theologie“ aus dem Jahre 1922.
Schmitt verstand Souveränität nicht primär als alltägliche Gesetzgebung oder Verwaltung, sondern als die Kompetenz, den Ausnahmezustand auszurufen. Das ist für ihn der Moment, in dem die normative Ordnung suspendiert wird, Gesetze im Krisenfall nicht mehr greifen. Wer in dieser Situation entscheidet, ob eine Krise vorliegt und welche Regeln gelten, ist der wahre Souverän.
Damit verknüpft Schmitt eine zutiefst autoritäre Vorstellung: Souveränität wird an der Fähigkeit zur Entscheidung außerhalb des Rechts sichtbar. Wer glaubt die Sache habe einen „Bart“, sollte den modernen italienischen Staatsphilosophem Giorgio Agamben lesen. Dieser erklärt den Ausnahmezustand als Paradigma der Moderne. Agamben erweitert im „Stato di eccezione“ schon in 2003 Schmitts These: Für ihn ist der Ausnahmezustand nicht nur eine Randfigur, sondern zum Paradigma moderner Politik geworden.
Staaten neigten dazu, Ausnahmebefugnisse zu normalisieren – das, was Schmitt als Sonderfall beschrieb, wird im 20. und 21. Jahrhundert zum Dauerzustand. Beispiele bei Agamben: Lager Guantánamo, Anti-Terror-Gesetze, pandemische Notverordnungen. Und zuletzt: Die „Klimakrise“, die schon definitorisch nicht endet.
Ergebnis: eine „Zone der Rechtlosigkeit“, in der Individuen zwar existieren, aber ohne gesicherte Rechte – das „bloße Leben“. Agambens Bezeichnung „Homo sacer“. Die Macht, den Ausnahmezustand auszurufen, ist die radikalste Form staatlicher Autorität – und heute zugleich die größte Bedrohung für die Freiheit.
Im estnischen Entwurf (Civil Crisis and National Defence Act) wird das Problem 2025 sichtbar: wer entscheidet, was eine „Krise“ ist, ist de facto souverän – ganz im Sinne Schmitts. Weil die Definition absichtlich vage ist, droht genau das, was Agamben beschreibt: die Normalisierung des Ausnahmezustands, in dem Freiheitsrechte permanent eliminiert werden.
Das Gesetz verwischt die fundamentale Unterscheidung zwischen Alltagsrecht und Ausnahmezustand. Mehrere Krisenkategorien – von zivilen Notlagen bis hin zu Verteidigungsfällen – erlauben der Exekutive, tief in Freiheitsrechte einzugreifen. Da diese Kategorien offen gefasst sind, entsteht die sich anbahnende Realität, dass der Ausnahme- zum Normalzustand wird. Eine solche Aufweichung vernichtet Rechtsstaatlichkeit, die im Kern auf klaren und vorhersehbaren Eingriffsschwellen beruht.
Auch wenn die Esten keine ausdrückliche Zensur vorgesehen haben, können Informationskontrolle, staatlich erzwungene Kommunikationspflichten und Eingriffe in die Arbeit von Medienhäusern faktisch die Meinungsfreiheit beenden. Damit droht in der EU ein Mechanismus, der Russland maximal kopiert; jede Kritik ist sicherheitsgefährdend.
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Die gesetzliche Pflicht, Ressourcen bereitzustellen, Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen oder bestimmte Dienstleistungen unter staatlicher Regie zu erbringen, rückt gefährlich nah an Aushöhlung des Eigentumsrechts, Zwangsarbeit und Gulag-Mentalität. Auch die kommunale Selbstverwaltung wird unter Kuratel gestellt, wenn nationale Pläne und Vorgaben alle Handlungsspielräume absorbieren. Das Ergebnis wäre ein „Staatsdirigismus im Ausnahmezustand“, der die Dauerregel wird.
Keine präzise Regelung der Dauer von Krisenmaßnahmen und die Rolle des Parlaments - Grüße von Selenskij. Kein automatischer Endpunkt oder engmaschige gerichtliche Kontrolle. Einschränkungen können in Estland und bald in der EU (?) bis zum jüngsten Tag fortgesetzt werden. Krise ist immer.
Dies widerspricht unmittelbar den Maßstäben des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, der in ständiger Rechtsprechung verlangt, dass Ausnahmeregelungen „streng erforderlich“ und „zeitlich eng befristet“ sein müssen.
Vance hatte Recht: „EU im Krieg“ – ein Szenario der Vernichtung der Grundwerte der Demokratie. Das Gesetz darf nicht isoliert betrachtet werden. In einer geopolitisch angespannten Lage könnte es als Blaupause für alle Mitgliedstaaten dienen. Unter dem Schlagwort „EU im Krieg“ wird eine neue Normalität entstehen, in der Notstandsrechte europaweit harmonisiert werden – nicht, um Gefahren abzuwehren, sondern um dauerhaft die EU-Zentralismus zu zementieren. Einmal eingeführte Ausnahmebefugnisse haben historisch die Tendenz, zu bleiben. Was als Reaktion auf äußere Bedrohungen beginnt, endet fast immer als dauerhafter Ausnahmezustand im Innern.
Estland mag klein sein, doch sein Gesetzgebungsprojekt entfaltet Signalwirkung. Wird dieser Entwurf unbeanstandet hingenommen, sendet er ein fatales Signal: dass Grundrechte im Namen kollektiver Sicherheit vorbeugend abgeschaltet werden.
Estlands Entwurf arbeitet mit weiten und unbestimmten Kategorien („Krisensituationen“, „Notlagen“, „minor but still significant events“). Nahezu jedes gesellschaftlich störende Ereignis kann zur Krise erklärt werden. In Deutschland gibt das Grundgesetz eine klare Trennung zwischen innerem Notstand (Naturkatastrophen, Terror, Art. 35 Abs. 2, Art. 91 GG) und äußerem Notstand (Verteidigungsfall, Art. 115a GG). Es gibt keine Auffangklauseln.
Estland gibt den Schwerpunkt auf die Exekutive; das Parlament hat nur eingeschränkte Einflussmöglichkeiten. Demgegenüber müssen Bundestag und Bundesrat den Verteidigungsfall feststellen, Kontrollmechanismen greifen zumindest theoretisch fortlaufend.
Estlands Gesetz kennt keine automatische Befristung; Gefahr eines Dauer-Ausnahmezustands. In Deutschland sollen die Notstandsmaßnahmen automatisch enden, sobald deren Voraussetzungen entfallen. Besonders im Fall eines Verteidigungsfalls muss der Notstand beendet werden, wenn kein Angriff mehr stattfindet und auch nicht unmittelbar bevorsteht.
In Estland bleiben bewußt unklare, potenziell weitreichende Eingriffe in Meinungsfreiheit, Eigentum und Berufsfreiheit; Generalklausel. In Deutschland dürfen Einschränkungen nur in bestimmten, ausdrücklich genannten Grundrechten (Art. 10, 11, 13 GG). Absolute Rechte (Menschenwürde, Leben, Folterverbot) bleiben unantastbar. Die Esten haben sehr weitreichende Verpflichtungen zur Ressourcennutzung und Dienstleistung ohne klare Entschädigungsmechanismen vorgesehen. Die Deutschen definieren Dienstpflichten (Art. 12a GG) verfassungsrechtlich präzise; Entschädigungspflichten ausdrücklich vorgesehen (Art. 14 Abs. 3 GG).
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Kommentar von T S
@S Benayas: Was die ReGIERenden hierzulande vom GG halten hat man plakativ daran sehen können wie mit den auf das GG pochenden Demonstranten gegen das Coronoia-Unrecht umgegangen wurde.
Im Zweifelsfall stehen ohnehin Brüssel-Diktat und Willkürauslegung über dem GG, und selbst das entwertet sich schon in seinen Grundlagen durchgehend selbst:
"In diese Rechte darf [nur] auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden",
"Das Nähere regelt ein Bundesgesetz",
"Diese Rechte finden [ihre] Schranken in den Vorschriften der allgemeinen Gesetze",
"Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft",
"Das gesamte Schulwesen steht unter der Aufsicht des Staates",
"Private Schulen [...] bedürfen der Genehmigung des Staates",
"Für Versammlungen [unter freiem Himmel] kann [dieses Recht] durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden",
"Vereinigungen, deren Zwecke oder deren Tätigkeit den Strafgesetzen zuwiderlaufen [...] sind verboten", "Beschränkungen dürfen nur auf Grund eines Gesetzes angeordnet werden",
"Freizügigkeit [...] darf [nur] durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes [...] eingeschränkt werden",
"Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer [...] Dienstleistungspflicht",
"Zwangsarbeit ist [nur] bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig"
"im Verteidigungsfalle [...] kann [...] die Freiheit der Deutschen, die Ausübung eines Berufs oder den Arbeitsplatz aufzugeben, durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden"
"[Wohnungs]Durchsuchungen dürfen [...] durchgeführt werden"
"Eigentum [...] soll [zugleich] dem Wohle der Allgemeinheit dienen. Eine Enteignung ist [...]zulässig."
Letztendlich: "Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung [...] gebunden" - aber eben diese Verfassung bezieht sich wiederum als Zirkelschluss auf diese Gesetze, damit sind der Willkür Tür und Tor geöffnet.
Das hat allesamt nichts mit Recht & Freiheit zu tun, sondern stinkt geradezu nach dem was Alltag in einem Regime ist. Was vermeintlich als Einschränkungen daherkommt sind in Wirklichkeit alles Ermächtigungen die den anfänglichen hehren Wortlaut konterkarieren.
Besonders interessant könnte in der nächsten Zeit Art 37, der "Bundeszwang" werden, einen Vorgeschmack darauf konnte man schon mit Erikas Anruf aus Afrika erleben.
Nein, das GG ist -leider- nichts worauf man Hoffen kann, auch wenn einem hierzulande jahrzehntelange Indoktrination in Schule und Systemmedien das Gegenteil vorgegauckelt haben. Selber lesen & Hirn einschalten hilft.
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Kommentar von S Benayas
@RA Schmitz ... Nachtrag: gerade eben kam noch eine Pressemitteilung raus, in welcher Pisstorius nochmals die Forderung nach der Dienstpflicht verbindlich wieder einführen will - allerdings verbindlich nur für Männer, Frauen dürfen sich dafür entscheiden, oder aber auch nicht. Soviel zur Demokratie und dem GG... ach ja, und der Schwarzfelskanzler will den Eigenanteil für gesetzlich Versicherte massiv hochsetzen, da sie zu oft krank sind.
Mann, ist das alles krank.
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Kommentar von S Benayas
Herr Schmitz, Ihr Glaube an das GG in allen Ehren, aber allein schon beim Thema "Dienstpflicht" 12 GG fängt der Absatz damit an das "alle Männer" usw. zur Dienstpflicht herangezogen werden können. Kein Wort von Frauen, also ist dies Dienstpflicht diskriminierend für Männer.
Zu 14 Abs 3 GG kann doch aktuell wunderbar sehen wie es ohne "Entschädigungspflicht" geht. Den Bürger wird ihr Hab und Gut (hier speziell Kfz oder Immobilie) unter dem Arsch weggezogen, indem alles so teuer gemacht wird, das anfangs der Bürger finanziell ausgeblutet wird um ihm dann die verbliebenden Wirtschaftsgüter für kleines Geld stehlen, - Entschuldigung - ich meinte natürlich abkaufen zu können . . .
D-EU hat fertig und mit Demokratie und Rechtsstaatlichkeit nichts mehr zu tun.
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Kommentar von Carl Peter
Will die EU-Kommission die Verantwortung für ihre Entscheidungen übernehmen?
So siehts aber überhaupt nicht aus - die Verantwortung soll schon der jeweilige sogenannte Souverän übernehmen, obwohl diese Verantwortung letztlich nicht ins Bewusstsein der EU-Bürger dringt.
Seit Jahrhunderten wurde der europäische Bürger mit reichlich Blutzoll immer freier, um heute selbst nach Käfigen und Maulkörben zu betteln - da sind nur noch wenige souverän genug, wenigstens den geistigen Fortschritt erhalten zu wollen, die breite Masse glaubt an Fortschritt durch Krieg unter Einbeziehung eines quasi unzerstörbaren und unaufhaltbaren technologischen Fortschritts.
Die Würde des Menschen soll einerseits unantastbar sein, andererseits ist er darüber hinaus aber nichts wert - das fein ausgesonnene Abstraktum Mensch beinhaltet kein persönliches Menschenleben.
Ich bin immer noch fest davon überzeugt, dass das Durchbrechen des Coronawahns in den nächsten Generationen zu der Erkenntnis führt, sich auf den Wert von Menschenleben zu besinnen - die Lügen sind zu groß, um sie endgültig begraben zu können.
Aber reicht diese Erkenntnis auch zur Aufdeckung von Kriegslügen?
Im Krieg delegitimiert man das Menschenleben schlechthin, aber man lernt auch dabei Menschen zu töten - so begreife ich zum Beispiel das Vermächtnis von Charlie Kirk.