Weltanschauliche Okkupation der DDR-Erinnerung – Christine Gerbich als Symbol einer Besatzerkultur

Auch 35 Jahre danach: Der Klassenfeind bestimmt die DDR-Erinnerung

von RA Dirk Schmitz (Kommentare: 3)

DDR-Durchreise© Quelle: Pixabay, Ausschnitt

Die Berufung der Westdeutschen Christine Gerbich zur Leiterin des Museums „Utopie und Alltag“ sorgt für Kontroverse. Kritiker sehen darin eine „weltanschauliche Übernahme“ der DDR-Geschichte durch westdeutsche Eliten. Ein Affront gegen Ostdeutsche?

Von Rechtsanwalt Dirk Schmitz M.A.

Die Ernennung von Christine Gerbich zur Leiterin des Museums Utopie und Alltag in Eisenhüttenstadt und Beeskow ist kein Personalwechsel. Sie ist Lehrstück darüber, wie westdeutsche Eliten, Berliner Netzwerke und SPD-geführte politische Strukturen die Deutungshoheit über die ostdeutsche Erinnerung beanspruchen.
Die Berufung der politischen Linksaktivistin ist das Symbol weltanschaulicher Okkupation der DDR-Erinnerungskultur. Menschen, die die DDR nie erlebt haben, werden an die Spitze gesetzt - während Ostdeutsche ehrfürchtige Zuschauer ihrer Geschichte bleiben sollen.

Christine Gerbich ist ein Paradebeispiel westdeutscher Apparatschik-Laufbahnen ohne jede ostdeutsche Prägung. Die Dame studierte in Mannheim Soziologie, Germanistik und Medienwissenschaft - verbrachte Zeit in Bloomington/Indiana - und erwarb dann in „Western Germany“ ihren Masterabschluss. Das ist eine Bildungsbiografie – ohne Bezug zur DDR oder zur ostdeutschen Alltagskultur. Keine familiären Wurzeln, keine persönliche Sozialisation, noch nicht einmal eine akademische Auseinandersetzung mit dem Osten.

Nach dem Studium wechselte sie nach Berlin in das Exzellenzcluster Topoi, das sich mit antiken Kulturen befasste. Ihre Promotion behandelte das Museum für Islamische Kunst im Pergamonmuseum. Sie beschäftigte sich mit der persischen Königsstadt Ktesiphon, mit Projekten wie TAMAM, die Berliner Moscheegemeinden einbanden, und mit „ethnographischen Fragen der Partizipation“.

Ist die DDR ein afrikanisches Dorf oder eine Ruinenstadt? Fokussierung: Islamische Kunst, Migration, Diversität, Antike. Keinerlei DDR-Alltag, keine ostdeutsche Erinnerung. Auch ihre weitere Arbeit am CARMAH an der Humboldt-Universität: Berlin, Diversität, Dekolonialisierung. Seit 2023 war Gerbich Co-Leiterin für „Vermittlung, Outreach und Gesellschaft“ an den Staatlichen Kunstsammlungen Dresden. Dort prägten Kolonialismus und „gesellschaftliche Verantwortung“ ihre Arbeit. Wieder dieselbe Westlinie, wieder kein Bezug zum kulturellen Mitteldeutschland.

Okkupationsarroganz in ihrem Interview mit dem „Deutschlandfunk“ am 20. September 2024: „Vermehrte Einstellung von Personal mit Migrationshintergrund“, „Museen als aktive Orte der Demokratie“, „Kulturschaffende müssen sich zusammentun, um Rechtspopulisten stärker zu widerstehen.“ Welche Westarroganz spricht aus der Formulierung: „Projekte, um mit der Landbevölkerung ins Gespräch zu gehen …“

Auf LinkedIn führt Gerbich aus, sie sei von 2012 bis 2024 „Researcher“ bei Topoi gewesen. Fakt ist: Das ist falsch: Topoi endete 2019. Diese Diskrepanz ist nicht nur ein Schönheitsfehler, sie ist Ausdruck einer bewussten Glättung. Verlängerter Lebenslauf, um Kompetenz und Kontinuität zu suggerieren, nach nur zwei Jahren Dresden.
Sie bestimmt nun über Alltagskultur der DDR in Eisenhüttenstadt und das Kunstarchiv Beeskow, kündigt eine Dauerausstellung ab 2029 an. Sie will Outreach, Partizipation, Einbindung junger Zielgruppen: Den Transfer westdeutscher und Berliner Ideologie – wieder Diversität, Dekolonialisierung, Migration. Das bestimmt nun die Sicht auf die Alltagsgeschichte der DDR.

Die Kritik an dieser Besetzung kam sofort und auch medial. Focus titelte: „Westdeutsche leitet DDR-Museum – für viele Ostdeutsche scheint das ein Affront zu sein“

Die Berliner Zeitung schrieb: „Westdeutsche übernimmt DDR-Museum: Wann läuft es endlich mal anders herum?“

Selbst der strammlinke woke RBB hat Probleme mit der Besetzung.

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Das Museum steht in Trägerschaft des Landkreises Oder-Spree. Gefüttert vom Land. Politisch geführt von SPD-Landrat Frank Steffen, seit August 2023 im Amt. Eine SPD-geführte Struktur, die die entscheidende Weichenstellung zur Ernennung Gerbichs ermöglichte. Das Land Brandenburg, ebenfalls SPD-geführt durch Kulturministerin Manja Schüle, flankierte die Personalie mit Lob und finanzieller Aufstockung. Die Personalie ist SPD-Politik, getragen von Landkreis und Landesregierung.

Bemerkenswert ist, dass die AfD vor Ort nicht sichtbar reagiert hat. Weder eine Pressemitteilung, noch ein Antrag im Kreistag, noch eine öffentliche Protestnote findet sich. Obwohl gerade die AfD als „Anwalt der Ostdeutschen“ durchaus glaubwürdig auftritt, blieb sie hier stumm. Während Focus und Co. das Thema aufgriffen, während im Osten viele Menschen diese Ernennung als Affront empfinden, hat die AfD das Feld den etablierten Medien und den SPD-Strukturen überlassen.

Doch an diesem Punkt soll der Artikel nicht enden. Gerade weil es um Erinnerungskultur geht, gerade weil es um sozialistische Vergangenheit geht, bietet sich die Chance zur „sozialistischen Selbstkritik“ – verstanden in jenem ursprünglichen, positiven Sinn, den die sozialistische Kultur in der guten Theorie dem Begriff verlieh: Selbstkritik als gemeinschaftlicher, kollektiver Prozess, in dem Fehler anerkannt und reflektiert werden, um daraus Stärke und Legitimität zu gewinnen.

Darum lade ich Christine Gerbich hier und jetzt öffentlich ein:

Setzen Sie sich selbstkritisch mit den Widersprüchen Ihres Lebenslaufes auseinander – der Betonung auf islamischer Kunst, der fehlenden DDR-Erfahrung, den widersprüchlichen Angaben zu Topoi, der westdeutschen Arroganz. Legen Sie dar, warum Sie dennoch glauben, dieses Amt ausfüllen zu können.

Ein solcher Beitrag, offen und intellektuell redlich, wäre mehr als eine Verteidigungsrede. Haben wir Ihre Vita richtig verstanden? Er könnte ein Zeichen sein, dass Sie verstanden haben, dass sich Ostdeutsche verbieten als „zurückgebliebene Landbevölkerung“ angesprochen zu werden – und Sie ehemaligen DDR-Angehörigen und ihren Kindern erklären, was DDR-Alltag war.

Wir erwarten keinen Kniefall, sondern ehrliche Selbstkritik: als Teil des Kollektivs, als Anerkennung der eigenen Grenzen, als Aufforderung, Erinnerung der Betroffenen aufzunehmen, als Dokumentar – mehr nicht. Erinnerungskultur wird nicht „gemacht“, sondern gelebt. Bislang machen Sie Ostdeutsche erneut zu Objekten.

Ihre Ernennung, sehr geehrte Christine Gerbich, ist in der geschehenen Form ein Symbol für weitere westdeutsche Machtübernahme. Aber sie könnte auch – wenn Sie diese Einladung annehmen – dabei nicht durchfallen, ein Wendepunkt sein. Dafür wäre nötig, dass sie sich demütig im wahrsten Sinne des Wortes und nicht als kulturelle Besatzung präsentieren. „Demut“ geht zurück auf das althochdeutsche Wort diomuoti (9. Jh.). Das setzte sich aus zwei Teilen zusammen: diomuot = Gesinnung des Dienstes bzw. diot bzw. diomuot „dienstwillige Haltung, Gesinnung des Dienenden“.

Der Autor dieses Beitrags war kurzzeitig Leiter des Medienreferats der Staatskanzlei Thüringen im Jahre 1991 und später Mitglied der Geschäftsleitung von Sächsischer Zeitung und Morgenpost für Sachsen. Er ist „Wessi“, hat jedoch über Jahrzehnte hinweg beruflich und persönlich intensive Erfahrungen im Osten gesammelt. Gerade aus dieser Erfahrung heraus ist ihm bewusst, dass er eine Position wie die Leitung eines Museums, das ausschließlich die Alltagskultur der DDR dokumentiert, niemals für sich beansprucht hätte. Denn eine solche Aufgabe kann nur glaubwürdig gelebt und ausgefüllt werden, wenn sie von einem Menschen übernommen wird, „der DDR war“ oder tief in deren Nachfolgegeneration verwurzelt ist.

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