Diese Land steht am Kipppunkt

Berlin-Mitte: „Verschwinde, oder ich rufe die Polizei“

von Julian Adrat (Kommentare: 3)

Elon Musk wäre stolz auf mich, er nennt es „Zivilisten-Journalismus“, der die Welt positiv verändern könne.© Quelle: Julian Adrat

Willkommen in Berlin: Ich hielt das Fahrrad fest und ließ es nicht mehr los. Und dann machte ich ein Foto des Diebes des Fahrrads meines Sohnes.

Wie viele Menschen greife ich manchmal zum Handy, ohne zu wissen, wieso, einfach aus Reflex. Diesem ekelhaften Gefühl zu entkommen, ist eigentlich einfach: Kein Handy mitnehmen. Wenn ich kein Handy bei mir habe, ist es, als sei eine unsichtbare Last von mir genommen, ich nehme die Umwelt offener wahr.

Besonders positiv wirkt es sich aus, wenn mich eins meiner Kinder begleitet. Ansonsten tue ich es überhaupt nur aus gutem Gewissen, wenn alle Kinder zu Hause sind, dann muss ich für niemanden erreichbar sein. Nicht für die Kita, nicht für die Schule, die öfter anrufen, als man vielleicht denkt.

Seit neuestem überlege ich aber zweimal, kein Handy mitzunehmen. Wer weiß, was dir da draußen begegnet, sage ich mir. Ich hatte mein Handy mit, als Anfang September nur wenige Meter vor meinem Block in Berlin-Mitte entfernt ein Pärchen auf einer Steinbank lautstark kopulierte. Auch den Schwarzen, der im angrenzenden Innenhof neulich drei Tage lang auf einer alten Matratze auf dem Boden schlief, habe ich fotographisch festhalten können.

Elon Musk wäre stolz auf mich, er nennt es „Zivilisten-Journalismus“, der die Welt positiv verändern könne. Überhaupt lese er überhaupt keine News von Mainstreammedien mehr, wozu, fragt er, solle er etwas lesen, was schon Stunden zuvor auf X zu lesen war.

Als ich vergangenen Sonntag rausging, fiel mir auf, dass das Fahrrad meines 16-jährigen Stiefsohnes nicht im Hof war. Sofort hatte ich das Handy in der Hand und rief zu Hause an, nein, er ist da. Sein Fahrrad ist aber weg. Dann wurde es gestohlen.

Es war kurz vor acht, ein etwas kühler Morgen. Ich entdeckte den Mann im Schendelpark oberhalb des Volleyballfeldes. Über den Lenker des Fahrrads war eine Decke gehangen, deshalb erkannte ich es nicht sofort. Unser Wortwechsel - ich wusste nicht, ob er eher Deutsch oder Englisch verstehen würde, er mochte aus dem nordafrikanischen Raum oder dem Nahen Osten stammen - ist unmöglich wiederzugeben. Er machte nur einen kurzen Versuch, zu entkommen, ich hielt das Fahrrad fest. „Verschwinde, oder ich rufe die Polizei.“. Auf Deutsch, auf Englisch. Eine Frau ging an uns vorbei.

Die Frau war in der Schlange in der Bäckerei nur zwei Personen vor mir, ich ignorierte ihre neugierigen Blicke, ich sah mich dauernd nach dem Fahrrad um, das ich ohne Schloss vor der Bäckerei hatte stehen lassen. Für vier Mohnbrötchen, 500 Gramm Hausbrot und ein Baguette zahle ich 13 Euro; und für diese Kolumne habe ich nochmal extra nachgeschaut: Vier Wohnungen über 100 Quadratmeter stehen auf Immoscout aktuell im Kiez zur Miete, zwischen 2200 und 4500 Euro Miete, kalt. Die Entwicklung war zu hundert Prozent absehbar gewesen: Erst, wenn der obdachlose Schwarzafrikaner im Prenzlauer Berg im Treppenhaus schläft, erst wenn Muhammad aus dem Libanon dem Schönen-Mitte-Mensch das Fahrrad klaut, wird sich das Wahlverhalten der Bevölkerung ändern.

Dabei bleibt es nicht beim Verteilungskampf zwischen dem Bodenpersonal. Endgültig scheint sich Angela Merkels Politik der ungebremsten Zuwanderung in Bedrohung für Leib und Leben von oppositionellen Spitzenpolitikern niederzuschlagen.

Kanzler Olaf Scholz schweigt, und Elon Musk kommentiert die Mordwünsche an Deutschlands rechten Politikern mit „Das wird nach hinten losgehen.“

Leben wir wirklich in einer Zeit, in der dem politischen Gegner durchweg der Tod gewünscht wird? Tatsächlich: Bisher hat kein Regierungsmitglied Tino Chrupalla Genesungswünsche zukommen lassen.

Besonders krass: Während der Spitzenpolitiker der am stärksten wachsenden Oppositionspartei auf der Intensivstation liegt, postet Linken-Politiker und Ministerpräsident Bodo Ramelow eine Konditorrolle mit Sahnefüllung in AfD-Blau und schreibt dazu: „Opferrolle“.

Unsere Handysucht ist vielleicht das einzige, was uns über Parteigrenzen und Ansichten noch verbindet. Für Digital Detox scheint es aber schon zu spät zu sein.

Unwirklich!

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