500.000 auf dem Christopher Street Day – Einfach nur Party oder Bestätigung der Ampel?

CSD in Berlin: Gleich auf die SPD folgt der Ukraine-Mottowagen

von Gaia Louise Vonhof (Kommentare: 6)

Daniel, ein hübscher, sanfter Mittdreißiger, steht vorm alten „Metropol“ – an seinem Regenbogen-Gürtel baumelt eine Hundemaske aus Gummi.© Quelle: Quelle: privat

Als ich das erste Mal Mitte der Neunziger auf dem Christopher Street Day (CSD) in Berlin vorbeigeschaut hab, hatte das vor allem damit zu tun, dass es in meinem Umfeld – ich arbeitete damals in der Medien- und Modebranche – viele Schwule gab.

Denen war die Toleranz gegenüber ihrer Community wichtig – genau deswegen waren ja auch so viele nach Berlin gezogen, bevorzugterweise nach Schöneberg. Besonders angesagt in der Szene war und ist der Kiez rund um den Winterfeldtplatz, da gibt’s zahlreiche Fetischläden, Schwulenbars, die besten Restaurants – dort hing schon damals der Himmel voller Regenbogen.

Heute am Samstag bin ich auf dem Weg Richtung Winterfeldtplatz, um mir den CSD 2023 dort anzuschauen, wo der Zug mit den dicken Pride-Trucks am Nollendorfplatz vorbeiführt in Richtung Endkundgebung vor dem Brandenburger Tor.

Als ich den Kudamm runterfahre, sind dort zahlreiche Läden mit den bunten Streifen beflaggt und dekoriert. Allerdings nicht extra nur für den CSD heute, sondern als generelles Statement: Inzwischen sind die Logos nicht nur der Commerzbank, wenn ich mein Onlinebanking aufmache, in Regenbogenfarben, zahlreiche Großkonzerne versuchen das Thema mit zu verkaufen und verkaufen genau damit mitunter weniger, wie Budweiser, deren amerikanische Biertrinker kein Regenborgen-Bier wollen und die Marke nach der Werbung mit einem Transsexuellen boykottiert haben.

Der Getränkeriese machte ganze 24 Milliarden Dollar Verlust dadurch. Der Spiegel nannte es „Umsatzeinbruch nach rechtem Shitstorm“. Aber auch Adidas bekam Empörungswellen im Internet, als sie pünktlich zum Pride Monat einen Regenbogen-Badeanzug bei Frauen und Männern gleichzeitig anboten. Der zweitgrößte US-Discounter Target sah seinen Börsenwert von 74 Milliarden US-Dollar auf 61,77 Milliarden sinken beim Versuch, der Target-Kundschaft die LGBTQ-Agenda aufzudrängen in Form eines Regenbogen-Badeanzugs für kleine Jungs, mit dem sie ihr Geschlechtsteil kaschieren können.

Wer das kritisch sieht und sowas nicht will, erst recht noch nicht für die Kleinen im Kindergarten, der bekommt ganz schnell den Stempel „queerfeindlich“ aufgedrückt, das Modewort ist die neue Allzweckwaffe. Und wer es noch nicht weiß, der Begriff "queer" meint die Vielseitigkeit der Geschlechtsidentitäten und sexuellen Orientierungen jenseits der heteronormativen Normen, wenn man es im Korrektsprech ausdrücken will. Für die andere Hälfte bedeutet der Regenbogen Toleranz und Vielfalt, die man jetzt endlich zeigen könne, oft inklusive sich selbst und der Zuschaustellung seiner Vorlieben.

Das machen auf dem CSD 2023 circa Fünfhunderttausend, so zumindest die offiziellen Zahlen. Schon nachmittags sind der Nollendorfplatz und die benachbarten Straßen rundum gefüllt. Aber nicht nur mit schrillen Leder-Bestrapsten an Hundeleinen oder verkleidet, wie aus dem Fetisch-Club geschlüpft, wie man jedenfalls meinen könnte, wenn man die durch die Medien gehenden Bilder auswählt – nein, Berlin ist heute eher wie ein lustiges Volksfest.

Erlebbar sind auch ein paar Ältere, Ehepaare und die obligatorischen in die Jahre gekommen Ledertypen wie von den Village People, nur eben mit Bauch und Halbglatze, neben Ökopärchen aus dem Schöneberger Lehrerkiez.

Dann viele Mädchengruppen, mit Netz-Bikinis, Regenbogenschminke im Gesicht und Plateausandalen, ein paar Familien, einige mit Netzklamotten, noch mehr mit umgehängten Regenbogen-Fahnen, ein paar in Lack und Leder, ein paar angegraute Lesben-Pärchen Hand in Hand, sogar Familien mit ihren Kids. Dazwischen hier und da eine schrille Transe.

Egal, was ich erwartet habe – das hier ist eher wie die Loveparade Mitte der 1990er – bunt, haufenweise junge Menschen aus aller Herren Länder mit schrillen Klamotten, die zusammen feiern. Heute ist die Musik anders, Partymusik, und ab und zu wummert House von den Wagen, die sich im Schritttempo durch die Masse wälzen.

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Mein Eindruck: Die Menschen hier sind wirklich da, weil sie feiern wollen, was man im besten Sinne unter „Vielfalt“ verstehen könnte. Die Menschen, die sich hier beteiligen, freuen sich immer noch, wie am Anfang der Bewegung oder der Christopher Streets Days, wenn sie zunehmend mehr Aufmerksamkeit bekommen.

Die Teilnehmer interpretieren die hohe Aufmerksamkeit als ein Zeichen wachsender Akzeptanz. Keiner hinterfragt hier kritisch, warum die SPD mit einem Riesen-Truck mit von der Partie ist, von dem Ex-OB- Giffey herabwinkt, als sei sie für einen Tag in die Rolle der Queen geschlüpft.

Keiner fragt hier, warum die Polizei Regenbogen beflaggt, die wenigsten wissen wahrscheinlich etwas über Pädo-Agenda der Grünen oder wollen es wissen. Überall flattern Ukraine-Flaggen. Gleich auf die SPD folgt der Ukrainemottowagen, erkennbar am Blau-Gelb. Keinem scheint hier die Doppelbotschaft am Truck weiter aufzufallen, niemand ist empört oder irritiert, von zwei nebeneinander hängenden Plakaten herunter heißt es:

"LOVE WINS, UKRAINE WINS". Und gleich daneben ein Plakat: "FREE BORSHT, PUTINS DEAD“.

Keiner kommt hier offenbar auf die Idee, dass der Wunsch, dass die Liebe gewinnen möge, im gleichen Atemzug mit dem Wunsch, Putin zu töten, pervertiert wird. Die Feiernden johlen Beifall. Im Taumel der Selbstbestätigung fragt sich hier niemand, ob soviel Aufmerksamkeit nicht auch Agenda sein könnte.

Auch Daniel nicht, der am Rande vorm alten „Metropol“ steht, mit bunten Klamotten und einer Hundemaske am Regenbogen-Gürtel baumelnd. Ein hübscher, sanfter Mittdreißiger, Typ Lieblingskollege. Als ich ihn nach einem Foto frage, erzählt er mir bereitwillig und ohne, dass ich frage, was es mit den Masken auf sich hat. Dieser Fetisch nennt sich Puppyplay, kurz menschliches Hundespielen, wo die Rollen vom Hunderudel nachgeahmt werden.

Für ihn nichts Sexuelles, er will zu einem Rudel gehören. Und dazu stehen können. Dazu hilft ihm die zunehmende Offenheit in der Gesellschaft, sagt er, die sich an Tagen wie diesem zeigen. Mit der Maske rennt er nur privat oder heute auf dem CSD öffentlich herum. Normal arbeitet er in einem Callcenter. Daniel stammt ursprünglich aus Cottbus wurde als Teenie von den Rechten rekrutiert, die dort CDs auf den Schulhöfen verteilten. Er sei dann, erzählt er weiter, „ausgestiegen“ und mit One-Way-Ticket nach Berlin gezogen.

Am meisten Angst hat er heute vor der AfD, weil die seien braun und sind „nicht nur durch Lügen“ soweit gekommen, sondern auch durch gefakte Bilder und Falschinformation. Ich frage: Aber geben nicht alle Seiten Propaganda heraus und Fakenews, so das lustige Beispiel mit den 48-Grad-Temperaturen aus der Tagesschau oder die Infos über die Querdenken-Demos, die auf einmal offiziell nur ganz wenige Besucher hatten?

Nein, das könne nicht sein, ist sich Daniel sicher. Er bleibt dabei: Nur die AfD lügt, für ihn ist der AfD-Ruck ein Zeichen, dass der Osten rückständig sei. Dass jetzt in Baden-Württemberg auch die AfD so hochschnellt – ist ihm egal. Die wollten doch alle nur irgendwo zugehören. Dass die Umfrageergebnisse mit steigendem Zuspruch der Afd „Feedback“ an die Ampel für ihre Politik insbesondere der letzten drei Jahre sein könnten? Nein, die Leute machten das, weil sie nicht nachdenken und nur irgendwo dazugehören wollen. Naja, aber so wie die Afd diffamiert wird, will man da freiwillig dazugehören? Nein, nein, die Menschen informierten sich einfach nicht.

Immer wieder wird er von anderen bunten Jungs auf der Suche nach Zugehörigkeit angesprochen, natürlich in Regenbogen-Klamotten, woher er seine tolle Hundemaske habe. Denen erteilt er genauso freundlich und offen Auskunft wie mir: Die ist selbstgebastelt inklusive Regenbogen Haarschopf obendrauf.

Das ist alles verdammt schlau eingefädelt, denke ich auf meinem Rückweg über den regenbogenbeflaggten Kudamm. Die Menschen mit ihren eigentlich verständlichen Bedürfnissen nach Zugehörigkeit, Anerkennung und Toleranz so gegeneinander aufzubringen, dass sie jeweils denken, das Gegenüber sei das Propagandaopfer, ließe sich instrumentalisieren und säße Falschinformation auf.

Klar, das war es auch in etwa, was ich über den netten Daniel dachte. Der es natürlich nur gut meint und vor allem denkt, auf der richtigen, vielfältigen und toleranten Seite zu stehen. Auf der Seite der Guten. Wuff, wuff.

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