Deutsche Konservative im Stockholm-Syndrom

Das bittere Erwachen: Warum Trumps „America First“ Europa und Deutschland schadet

von Gregor Leip (Kommentare: 10)

Trumps Charisma und Kampf gegen „Woke“-Ideologie begeisterten konservative Europäer.© Quelle: Gemälde des Berliner Künstlers Julian Adrat

Donald Trump: Für viele konservative Deutsche ein Hoffnungsträger gegen Wokismus und EU-Bürokratie. Doch seine „America First“-Agenda trifft Europa zunehmend hart und zwingt uns, illusionslos nach eigenen Lösungen zu suchen.

Tragisch, wenn ich an die Hoffnungen denke, die viele konservative Deutsche in Donald Trump gesetzt haben. Aber ich beginne positiv: Trump ist ein charismatischer Kämpfer: ein Mann, der den „Woke“-Wahnsinn ablehnt, für Meinungsfreiheit eintritt, Eliten herausfordert und für starke Grenzen sowie nationalen Stolz steht.

Seine Direktheit, sein Patriotismus und seine Fähigkeit, die Massen zu mobilisieren, machen ihn für viele hierzulande zu einem Hoffnungsträger – einem Anführer, der die überbordende EU-Bürokratie kritisiert und Werte wie Souveränität und Tradition verteidigt.

Nehmen wir Hans-Georg Maaßen, geschätzter langjähriger Interviewpartner unseres Portals: In einer Reihe von Gesprächen beschreibt Dr. Maaßen Trump als Hoffnungsträger, Held und Vorbild für viele Amerikaner, lobt seine Resilienz gegen Medien, Justiz und sogar Attentate und kontrastiert das mit der Schwäche deutscher Politiker: „Trump zeigt, wie es geht, unsere Politiker erklären, warum etwas nicht geht.“

Solche Stimmen aus konservativen Kreisen nähren die Idee eines Verbündeten. Konservative in Deutschland teilen Trumps Politik und Skepsis in vielerlei Hinsicht. Doch es schmerzt umso mehr, diese Qualitäten anzuerkennen und zu sehen, wie sie in „America First“ umschlagen: eine Politik, die amerikanische Interessen über alles stellt und Europa, insbesondere Deutschland, in Unsicherheit stürzt.

Die Enttäuschung ist groß, weil Trump das Potenzial hat, ein echter Verbündeter zu sein. Stattdessen zwingt uns seine Agenda, uns von Illusionen zu verabschieden. Zentral hierfür ist die These, dass die anfängliche Begeisterung für Trump in konservativen Kreisen in Deutschland und Europa – endlich dem Wokismus und Öko-Sozialismus etwas entgegenzusetzen – sich in eine Art verzweifeltes Stockholm-Syndrom gewandelt hat:

Wir klammern uns an den vermeintlichen Retter, trotz der Ketten, die seine Politik uns anlegt, und ignorieren, wie sie uns schwächt. Besonders schmerzlich ist, dass Trump die Fehler seiner Vorgänger, die Europa geschadet haben, nur selektiv kritisiert – und noch seltener dort, wo es um den Schaden für uns geht.

Viele konservative Deutsche und Europäer setzten ihre Hoffnungen auf Trump, etwa da, wo sie ein diplomatisches Ende des Ukraine-Krieges ersehnten – einen Konflikt, an dem nichts Gutes ist, der nur Leid, Zerstörung und wirtschaftliche Belastungen bringt und den Konservative keinesfalls durch eine aggressive Allianz gegen Russland eskalieren wollen, sondern durch Frieden entschärfen, um einen Weltkrieg zu vermeiden.

Trump selbst betonte immer wieder seinen Wunsch nach Frieden und Verhandlungen, etwa wenn er sagt, dass Diplomatie harte Entscheidungen erfordert und beide Seiten Kompromisse eingehen müssen. Im Wahlkampf präsentierte er sich zudem als 24-hour-Paecemaker. Er hat zudem wiederholt kritisiert, dass unter Biden ein früherer Deal möglich gewesen wäre, und plädiert für ein Ende des Krieges. Das weckt Erwartungen an einen starken Leader, der den Konflikt durch kluge Diplomatie beendet, statt ihn zu verlängern.

Doch die Verstörung wächst, wenn man sieht, wie „America First“ diese Hoffnungen enttäuscht. Trump hat jüngst Waffenverkäufe an die Ukraine genehmigt, darunter einen Deal über 825 Millionen Dollar für erweiterte Raketen und angekündigt, dass NATO-Länder US-Waffen kaufen sollen, um Kiew zu stärken:

„We've made a deal today where we are going to be sending them weapons and they're going to be paying for them“, sagte er, und unterstreicht damit ein Geschäft, das US-Jobs schafft. Solche Lieferungen, einschließlich offensiver Waffen, verlängern den Krieg jedoch, statt ihn zu verkürzen – sie eskalieren die Kämpfe und machen ein schnelles diplomatisches Ende unwahrscheinlicher. Diese Verkäufe könnten jederzeit pausiert werden, wie 2024, um Druck auf Kiew auszuüben – eine Taktik, die den Konflikt weiter in die Länge zieht und Deutschland mit Energiekrisen und Flüchtlingsströmen belastet.

Trump erkennt Misserfolge seiner Vorgänger an und verspricht Sanktionen, doch warum bleibt seine Kritik so oberflächlich? Warum prangert er nicht noch deutlicher die US-Rolle unter Obama und Biden an, die durch NATO-Erweiterung und den Sturz prorussischer Regimes in Kiew Russland provozierten?

Der US-Ökonom Jeffrey Sachs nennt die USA „principally responsible“ für die Ukraine-Krise, da sie die Spannungen durch geopolitische Manöver schürten. Trump könnte diese historische Verantwortung anprangern, um echte Diplomatie zu forcieren und den Krieg zu beenden, stattdessen setzt er auf Waffen, die Europa allein lassen und die konservative Sehnsucht nach Frieden verraten.

Dies nährt das verzweifelte Stockholm-Syndrom: Konservative Europäer klammern sich an Trump als Gegenpol zu Wokismus und Öko-Sozialismus, obwohl Amerika die Probleme miterschuf und uns nun die Rechnung präsentiert.

Trumps wirtschaftlicher Patriotismus ist ungebrochen: Er schützt US-Unternehmen mit Vehemenz, wie jetzt bei der EU-Strafe gegen Google (2,95 Milliarden Euro wegen Verstößen gegen Wettbewerbsregeln im Online-Werbegeschäft).

Die EU-Kommission warf Google vor, seine eigenen Werbedienste zum Nachteil von Konkurrenten bevorzugt zu haben, etwa durch die prominente Platzierung seiner Angebote in der Google-Suche.

Zunächst paradox: Konservative in Deutschland teilen diese Kritik an Technologie-Riesen: Sie sehen Google als Bedrohung für Datenschutz, nationale Souveränität und fairen Wettbewerb, ähnlich wie die EU, die den Digital Markets Act (DMA) nutzt, um Monopole zu brechen.

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Gleichzeitig bekämpft die EU-Kommission jedoch die Meinungsfreiheit mit dem Digital Services Act (DSA), der als „orwellianische Zensur“ kritisiert wird, etwa von Trump selbst – ein Punkt, der konservative Europäer anspricht, die sich gegen übergriffige Regulierung wehren. Doch Trumps Reaktion auf die Google-Strafe – sofortige Drohungen mit Vergeltungstarifen („Very unfair“, postete er) – zeigt Stärke, die konservative Europäer bewundern, aber auch eine schmerzhafte Kehrseite: Sie trifft Deutschland direkt.

20-Prozent-Zölle auf EU-Importe schaden der Autoindustrie. Warum muss diese Stärke Europa als Gegner sehen? Trump könnte die Kritik an Google unterstützen, die konservative Europäer teilen. Stattdessen spielt er die Karte einer „wirtschaftlichen Abschreckungsstrategie“.

Ist die Google-Strafe ein Versuch, den Technologie-Riesen zu disziplinieren, um später EU-Kontrollen besser durchzusetzen? Teilweise trifft das zu. Die EU verfolgt mit dem DMA das Ziel, die Marktmacht von Gatekeepern wie Google zu begrenzen, indem sie strengere Regeln für Transaktionen und Suchergebnisse durchsetzt. Die aktuelle Strafe ist Teil einer Reihe von Maßnahmen (z.B. für Google Shopping, 2018 für Android), die darauf abzielen, Wettbewerb zu fördern und Monopole zu schwächen.

Einige konservative Kritiker in Deutschland argwöhnen, dass die EU auch politische Motive verfolgt, um US-Dominanz zu brechen und europäische Alternativen zu stärken, während sie gleichzeitig mit dem DSA die Meinungsfreiheit einschränkt – ein Widerspruch, der konservative Skepsis gegenüber Brüssel nährt.

Trumps vehemente Verteidigung von Google enttäuscht hier doppelt: Er ignoriert die berechtigte konservative Kritik an Technologie-Riesen und verschärft die Spannungen, statt mit Europa an einer Lösung zu arbeiten, die sowohl Monopole bricht als auch freie Rede schützt. Dies vertieft das verzweifelte Stockholm-Syndrom: Wir bewundern seinen Schutzinstinkt und seine Kritik am DSA, klammern uns an die transatlantische Partnerschaft als Bollwerk gegen Wokismus und Öko-Sozialismus, obwohl seine Politik unsere Interessen untergräbt.

Ein weiteres Beispiel, das konservative Hoffnungen enttäuscht, ist Trumps Umgang mit der NATO. Konservative Deutsche sahen in ihm einen starken Verbündeten, der die Allianz stärken könnte, ohne sie in eine Konfrontation mit Russland zu zwingen, sondern durch Diplomatie Frieden zu fördern.

Trump kritisiert, dass Europa zu wenig für Verteidigung ausgibt, und fordert gleichzeitig, dass NATO-Länder US-Waffen kaufen, um die 2-Prozent-Zielmarke zu erreichen. Zusätzlich droht Trump mit einem Rückzug aus der NATO oder einer Reduzierung der US-Verpflichtungen.

Und warum setzt Trump nicht die Kritik an seinen Vorgängern fort, die durch die NATO-Osterweiterung Spannungen mit Russland schürten, und nutzt dies, um Europa zu stärken? Stattdessen nutzt er die Allianz als Druckmittel, was unser verzweifeltes Stockholm-Syndrom verstärkt: Wir hoffen auf Trump als Schutzherr, der Frieden fördert, obwohl seine Drohungen uns schwächen und die anfängliche Begeisterung gegen Wokismus und Öko-Sozialismus in Abhängigkeit mündet.

Trumps Handelskriege sind ein weiterer Schlag. Seine Tarife auf EU-Stahl und Aluminium sollen die US-Industrie schützen. Trump kämpft hier für amerikanische Arbeiter, ein Ziel, das konservative Europäer respektieren. Doch für Deutschland gefährden diese Tarife Jobs und Wohlstand.

Trumps Kritik an den US-Kriege im Nahen Osten unter Bush und Obama, die Instabilität und Flüchtlingsströme nach Europa auslösten, bleibt selektiv. Warum geht er nicht tiefer auf die US-Verantwortung ein?

Trumps Versäumnis, die Fehler seiner Vorgänger umfassend zu kritisieren, macht es schwer, „America First“ mit seinen Verdiensten aufzuwiegen. Die Begeisterung für Trump und dafür, dass der Präsident endlich dem Wokismus und Öko-Sozialismus etwas entgegensetzt, wandelt sich in Enttäuschung und Hoffnungslosigkeit.

Europa muss nun selbst stärker werden, unabhängig von Washington. Das ist die bittere Lektion dieses Wochenendes. Aber es geht nicht mit der EU-Kommission, es geht nicht mit Ursula von der Leyen, es geht nicht mit Macron, Merz und wie sie alle heißen. Am Ende wird diese verfahrene Situation eine Heiland-Erwartung schüren – und das ist in der Geschichte immer in die Hose gegangen. Und bei aller Verachtung für die europäische Politikelite: So wie Trump unsere Staatschef regelmäßig vorführt, muss ihm klar sein, dass das auch als Geringschätzung gegenüber den Menschen in Europa gelesen werden kann.

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