Kann eine Scheibe Rahmkäse eine politische Botschaft tragen?

Das Milram-Experiment

von Bertolt Willison (Kommentare: 12)

Woke isst Käse© Quelle: Pixabay / ClickerHappy, milram.de, Montage: B. Willison

Käse ist Käse. Man kauft ihn, legt ihn aufs Brot, isst ihn. So war es immer. Jetzt nicht mehr. Milram sei Dank.

Milram ist die Hauptmarke der größten Molkereigenossenschaft Deutschlands mit Sitz in Niedersachsen, die jährlich 340 Millionen Milch verarbeitet. Milram hat nun die Verpackungen verändert. Keine Kühe. Keine Wiesen. Stattdessen Gesichter. Unterschiedliche Hautfarben, Frisuren, Paare. Herzchen. Nähe. Vielfalt.

Die Botschaft ist klar. Käse ist nicht nur Nahrung. Er ist ein Zeichen. Wer ihn kauft, sagt: Ich glaube an Gemeinschaft. Ich glaube an Liebe. Ich glaube an ein Miteinander. Milram liebt uns alle.

Es ist Marketing. Natürlich. Aber es ist auch ein Versuch. Ein Experiment. Das Milram-Experiment. Kann ein Lebensmittel eine Haltung ausdrücken? Kann eine Scheibe Rahmkäse eine politische Botschaft tragen? Vielleicht. Vielleicht nicht. Aber Milram probiert es einfach mal. Wie andere vor ihm. Die damit auf die Nase gefallen sind. Tchibo. Jaguar.

Die woke Bewegung freut sich. Endlich ist das Frühstück progressiv. Endlich signalisiert die Käseplatte mehr als Fettstufen und Haltbarkeitsdaten. Endlich gibt es ein Symbol im Kühlregal, das zu Tweets und Talkshows passt. Die Kritiker lachen. Oder schimpfen. Sie sagen: Das ist nur Käse. Sie sagen: Ich will ein Sandwich, keine Moral. Sie sagen: Das alles ist übertrieben.

Beide Seiten haben recht.

Denn ja, es ist übertrieben. Käse kann keine Gesellschaft verändern. Eine Illustration ersetzt keine Gesetze. Eine Packung „Müritzer Original“ löst keine Konflikte. Aber nein, es ist auch nicht falsch. Wenn Symbole wichtig sind, dann auch die im Supermarkt. Wenn Menschen sich darin wiederfinden, dann ist es nicht bedeutungslos.

Die Wahrheit liegt dazwischen. Wie fast immer. Man könnte sagen: Es ist eine Geste. Eine freundliche. Ein Hinweis, dass selbst alltägliche Dinge offen sein können. Dass es auch anders geht. Dass Käse nicht nur Käse sein muss. Und doch bleibt er Käse. Mild, würzig, nussig. Er schmilzt auf Pizza, nicht in Debatten. Er wärmt im Ofen, nicht in den Parlamenten.

Vielleicht ist genau das der Witz. Oder die Tragik.

Wir legen ein Symbol auf unser Brot. Wir beißen hinein. Wir kauen. Wir schlucken. Und für einen Moment glauben wir, die Welt sei ein wenig bunter geworden. Und werfen die Verpackung in die Tonne.

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