Der russische Angriff vom 24.Februar 2022 auf die Ukraine, der von den überheblichen westlichen Politikern und Leitmedien zu Beginn als in wenigen Wochen für erledigt erklärt worden war (Wie es der global gehörte Politikwissenschaftler Francis Fukuyama in einem Artikel im März 2022 vorgedacht hatte, nach dem Motto: Putin binnen Wochen besiegen und dann verhandeln), hat sich zu einem veritablen Krieg zwischen Nato und Russland via eines Stellvertreters Ukraine ausgewachsen.
Dabei ist aus einer Reihe von Gründen das Phänomen der russischen „Fremdenlegionen“, sprich der Privatarmeen, im Prinzip outgesourcte Kampfeinheiten, die oft wirksam, aber vor allem auch werbewirksam ins Kriegsgeschehen eingreifen, zentral in die Öffentlichkeit gerückt. Es soll in Russland bis zu 40 Privatarmeen geben, darunter die „Patriot“ genannten Truppen unter Verteidigungsminister Shoigu, die Privatarmee „Achmat“ des tschetschenischen Machthabers Ramsan Kadyrow und eben die Wagner-Gruppe von Jevgeni Prigoschin. Auch Gazprom soll eine oder mehrere Privatarmeen haben.
Mehr als nur Wagner-Gruppe: Das sind Russlands Privatarmeen im Ukraine-Krieg - FOCUS online
Die Vorteile solcher sich einer soliden staatlichen Kontrolle besser entziehen könnenden Kampfeinheiten liegen in einem Krieg, je schmutziger er wird, auf der Hand. Die Nachteile liegen allerdings ebenfalls auf der Hand: Rivalitäten, ausbleibende Synergien, Verrohung und das Entstehen von Partikularinteressen und darüber hinaus eine Entfernung vom Kriegs-und Völkerrecht. Sowie menschenrechtliche Entgleisungen, die niemand unter Kontrolle bringen kann. Und ein Herauswachsen aus der Zentralkontrolle der Militärführung.
Die Franzosen haben mit ihrer legendären Fremdenlegion in ihrem Indochinakrieg (Vietnam) am Ende Schiffbruch erlitten. Putin hat sich im Ukrainekrieg besser geschlagen, als der arrogante und etwas hybride Westen es zunächst für möglich hielt. Wahrscheinlich hat der Westen nie verstanden, was es wirklich in letzter Konsequenz heißen kann, mit einer so durablen Nuklearmacht wie Russland überhaupt einen heißen Krieg zu führen.
Putins aktueller Strategiewechsel
Putins aktueller Strategiewechsel, die unartigen Soldateska-Gruppierungen heim ins russischen Militär zu holen und sie dem Verteidigungsministerium zu unterstellen und auf irgendeine Art auch zu legalisieren – alle ca. 40 Privatarmeen sollen am 1. Juli 2023 ihre Unterschrift dazu gegeben haben – wird nach Meinung des Autors von Erfolg gekrönt sein.
Prigoschin mit seiner Wagner-Gruppe hatte jedoch auf den letzten Drücker einen Ausreißversuch unternommen, mit dem sich die westliche Weltöffentlichkeit überdimensional mit Hoffnungen, Wünschen, Spekulationen, Legenden und einer riesigen im Gleichschritt tickenden Talkshow- und Interview-Industrie seit einer Woche beschäftigt – mit erstaunlich wenig Faktenwissen.
Seit einer Woche wird das Narrativ bedient, dass Prigoschins versuchter „Marsch der Gerechtigkeit“ auf Moskau, den Prigoschin wenige Stunden später für Straffreiheit und ein Ticket nach Weissrussland abbrach, Putin „geschwächt“ habe. Und so geht es weiter: Der „Anfang vom Ende Putins“ sei gekommen, das „System Putins“ würde ins Wanken geraten, Putin hätte eine Schmach durchlitten, die Zügel aus der Hand verloren, usw. usw. Wobei jeder Experte noch im selben Atemzug betont, dass allerdings von den „Rissen“ im System Putins noch nichts zu sehen ist.
Und dass Putin nicht sofort der totale Machtverlust drohe. Eine Art illusorisches Wunschdenken, dass der weit überschätzte Wagnerchef in seiner Kamikaze-Aktion Putin entmachten und der Ukraine de facto zu einem Sieg verhelfen könnte, hatte die Köpfe vernebelt. Viele Sendungen sind in den letzten Tagen zu Klatsch-und Tratsch-Veranstaltungen geworden, selbstverständlich auf höchstem Niveau.
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Putin ist gestärkt
Inzwischen ist man schon etwas nüchterner geworden. Dass Putin viel wahrscheinlicher durch den Hasardeur Prigoschin und dessen offenkundig sehr unüberlegte Aktion gestärkt hervorgegangen ist, wird kaum öffentlich gesagt. Man könnte es auch so sehen: Putin ist es gelungen, einem durchscheinenden Kontrollverlust – Einnahme der militärischen Kommandozentrale für den Ukrainekrieg in Rostow durch Wagnertruppen, Panzer vor Moskau und den Abschuss einiger russischer Hubschrauber und lautstarkes Säbelrasseln – immerhin innerhalb von Stunden die Spitze abgebrochen und den Konflikt unblutig beendet zu haben.
Prigoschin hat seinen Marsch abgebrochen, das Angebot, nach Weissrussland auszufliegen, und die angebotene Straffreiheit für sich und seine Armee akzeptiert. Es ist Putin offenbar gelungen, ihm in kürzester Zeit klar zu machen, dass er keinerlei militärische Aussicht hatte, in Russland einen erfolgreichen Putsch durchzuführen, und auch keinerlei Aussicht hatte, Verbündete zu finden. Mit extremen Drohungen seitens Putin in seiner Rede am Samstagmorgen und extremer Verhandlungsbereitsschaft am Nachmittag ist Putin de facto als Sieger aus der Auseinandersetzung herausgegangen. Keine der Forderungen von Prigoschin, den Verteidigungsminister Shoigu oder andere Militärführer abzusetzen, wurden von Putin erfüllt.
Und Prigoschin eierte gleich am nächsten Tag herum, dass er ja auch gar nicht wirklich Böses gegen Putin im Schilde geführt habe. Putin steht im Ukraine-Krieg vor dem Putschversuch nicht anders da als danach. Und es ist Putin gelungen, weitere Nachahmer und Trittbrettfahrer gar nicht erst auf dumme Gedanken kommen zu lassen.
So gesehen darf sich die Ukraine nicht zu früh freuen. Die Umstrukturierungen des russischen Kampfapparates werden weitergehen und könnten kurzfristig die Effizienz der russischen Armee steigern. Die Rekrutierung von Söldnern auf Privatbasis hatte Putin bisher von einer Generalmobilmachung bewahrt. Sie wird jetzt, wenn die Integration der Privatarmeen einigermaßen gelingen sollte, auch weiterhin nicht nötig sein. Die Söldner bekommen einen öffentlichen Rechtsstatus, sie werden allem Anschein nach gut bezahlt und erwerben Rentenansprüche.
Putin fährt einen Kurs der Annäherung an China, Indien, Südafrika und andere Staaten, verkauft sein Gas, und wird immer resistenter gegen westliche Sanktionen, die den Westen allerdings Geschäft kosten.
Und der Ukrainekrieg?
Die westlichen Politiker und Medieneinschätzer reden stupide weiterhin von Waffen und Waffensystemen, die der Ukraine zum Sieg gegen Putin verhelfen sollen. Über die täglich sterbenden Menschen auf beiden Seiten wird inzwischen überwiegend geschwiegen. Und von den realen Chancen für die Ukraine, diesen Krieg zu „gewinnen“ – wie genau dieser Sieg auch immer aussieht – wird noch weniger geredet, weil die Kriegssituation festgefahren ist.
Und noch schlimmer: Die westliche Führung, die mit Putin erst verhandeln wollte, wenn Putin besiegt ist (Stand aus März 22), und das Mantra ständig wiederholt, dass es allein Putin gewesen sei, der nie verhandeln wollte, ist auf einem sehr blutigen Scherbenhaufen gelandet. Das Hauptargument des Autors dieses Textes, dass vor allem Joe Biden selber seit 1 ½ Jahren gefordert ist, mit Putin in Verhandlungen zu treten, wird seit Beginn des Krieges als Chance nicht erkannt und abgetan: Putin ist der Schuldige und also muss er einfach aufgeben, sich vor ein Kriegsgericht stellen und alles wäre gut. Doch das scheint etwas irreal.
Putin ist der Aggressor. Putin redet vor allem historisch katastrophalen Unsinn. Und Putin hätte die Ukraine unter keinen Umständen angreifen dürfen. Sein rechtfertigender Rückgriff auf die Geschichte ist an Peinlichkeit nicht zu überbieten. Die Ukraine gehört nicht zu Russland.
Angesichts des Massen-und Völkermordes an den Ukrainern in Zeiten der Sowjetunion, und wir sprechen hier über ungefähr 20 Millionen ermordete, verschleppte und dann ermordete Ukrainer (Kulaken) und systematisch in den Hungertod (Holodomor) getriebene Ukrainer (1930 ff), ein Völkermord, den Russland bis heute nicht anerkennt, kann es nicht sein, dass Putin Ansprüche auf die Ukraine überhaupt nur andenkt.
Die Völkermorde der Sowjetunion wurden auch im Westen jahrzehntelang totgeschwiegen
Übrigens erkennt die Bundesrepublik den Völkermord an der Ukraine seitens der Sowjetunion, zu der Ukraine damals gehörte, der von der gesamten westlichen Linken jahrzehntelang geleugnet und verschwiegen oder anderen in die Schuhe geschoben wurde, auch erst seit ein paar Monaten (!) offiziell an.
Viele Menschen im Westen wussten bis zu Putins Einmarsch in die Ukraine erschütternd wenig über die Völkermorde Lenins und Stalins von 1918 bis 1953 (Tod Stalins) und darüber hinaus, systematisch und millionenschwer. Sie wissen erschütternd wenig von dem berühmtem „Archipel Gulag“, dem Bestseller-Buch über das Lager-und Mordsystem der Sowjetunion von dem Nobelpreisträger Alexander Solschenizyn, das man aber kennen muss, um zumindest ein wenig von der Geschichte des letzten Jahrhunderts und den sowjetischen Völkermorden zu verstehen.
Es ist tragisch, dass Putin die große Aufgabe der Aufarbeitung der kommunistischen Verbrechen in seiner Amtszeit nicht aufgenommen hat. Umkehrt kann der Westen nicht mythologisch überhöht Putin indirekt für all die Verbrechen der Sowjetunion verantwortlich machen, die im Westen selber systematisch verdrängt und kleingeredet wurden. Auch der Westen muss in Sachen Ukraine bei der Realpolitik von 2023 bleiben. Und vor allem muss der Westen sich eine neue Politik überlegen, eine neue politische Strategie finden, was er beitragen kann, diesen Krieg zu beenden.
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Kommentar von Wolfgang Brümmer
Vielen Dank für die Rückmeldungen!
Putin ist ein „Produkt“ der Sowjetunion. Was denn sonst? Allzuviel Rückgriff auf die Historie scheint mir, was die aktuelle Lage angeht, vergleichsweise irrelevant. Einzig die Verbrechen der Lenin-und Stalin-Ära ( und später), unter ihnen der Holodomor und die Kulakenmorde in der Ukraine, die eben nicht 1600 plus X stattgefunden haben, sondern in einer Zeit, die noch aus unmittelbarer Überlieferung von Menschen, die überlebt haben, weitergegeben wurden und die auch kein Kollateralschaden irgendeiner Misswirtschaft oder einer Ideologie waren, sondern alle Merkmale eines systematischen Völkermordes erfüllen, können heute noch Rechte und Pflichten nach sich ziehen.
Ich habe mich in meinem Text auf die aktuelle durch Prigoschins „Marsch“ auf Moskau entstandene Lage beschränkt und am Ende nur angemerkt, dass Putin den Status quo (vor seinem Angriff) auf die Ukraine kriegerisch zerbrochen hat. Und dass es dafür viele Gründe geben mag, aber keine Legitimation.
Die Sowjetunion hat sich in Wahrheit nicht aufgelöst, schon gar nicht geordnet, sondern ist von innen heraus zerfallen und zerbröselt. Dass dabei Russland Positionen aufgegeben hat, die die heutige russische Führung wieder zusammen sammeln wollte und will, steht auf einem anderen Blatt.
Der Westen und Russland machen reale Machtpolitik, je nach Kräften und Ideen.
Was vor der russischen Revolution 1917 passiert ist, spielt außer in russischen Märchen keine Rolle.
Die nach dem 2. Weltkrieg von der Sowjetunion völkerrechtswidrig de facto annektierten osteuropäischen Staaten, Polen, Ungarn, Rumänien, Litauen, Lettland, Bulgarien und so weiter gehören nicht zum essentiellen Bestand Russlands, so dass die dortigen Nato-Mitgliedschaften zwar geostragisch etwas ändern, aber Russland nichts angehen. Erst etwas klauen und hinterher sich auf Eigentum berufen, dass man zurück haben will.
Genauso wenig hat Russland ein Naturrecht auf die Ukraine, Georgien und andere kolonialisierte Staaten.
Fehlverhalten der Amerikaner oder sonst wer rechtfertigen Putins Vorgehen nicht.
Ich bleibe am Ball, was den Ukraine-Krieg anbelangt und freue mich über Beiträge und Informationen!
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Kommentar von Thomas
Eigentlich, ist jetzt der Status quo, für Europa wichtig und entscheidend.
Ein Blick auf die aktuelle Lage, in der Ukraine und Europa zeigt. Das Europa,
wirtschaftlich , am Abgrund steht und nicht Russland, weiterhin ist Russland
im Inneren stabil, was man für Europa,aktuell Frankreich, wohl nicht gerade
sagen kann. Auch Waffentechnisch, konnte der "Wertewesten",in der Ukraine,
nicht überzeugen, trotz Waffenlieferungen, im dreistelligen Milliarden Bereich.
Weder eine wirtschaftliche ,noch waffentechnische Überlegenheit, des "Wertewesten",
ist zu diesem Zeitpunkt sichtbar. Im Gegenteil, westliche Söldner und die männliche
Bevölkerung, der Ukraine, werden , von den Russen zerrieben. Der Krieg, ist für
den Westen verloren und nicht mehr zu gewinnen. Sollte der Krieg weitergeführt werden, besteht die Gefahr, einer russischen Gegenoffensive, die nicht ,an den Grenzen, der Ukraine halt machen wird. Bis jetzt ist der größte Profiteur, des Ukrainekrieges, die US Plutokratie, aber nicht mehr lange.
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Kommentar von Niemandsland
Möge Putin der Welt als Gegenpol noch lange erhalten bleiben!
Dieses Bruce-Allmächtig-Gehabe der westlichen Politiker wird langsam kreuzgefählich.
Ich hätte nie geglaubt das ich das mal so offen schreibe.
Was mich zur Zeit aber viel mehr beunruhigt ist der WHO Vertrag und sonstige Schweinereien die still im Hintergrund ablaufen.
Wenn das alles durchkommt,....Gute Nacht Menschheit
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Kommentar von Corinne Henker
Der Holodomor war weniger ein geplanter Völkermord an den Ukrainern, mehr ein Totalversagen sozialistischer Planwirtschaft. Nach Revolution und Bürgerkrieg wurden wurden Großbauern enteignet und das Land an unerfahrene Kleinbauern bzw. ehemalige Leibeigene verteilt. Später wurden diese dann zwangskollektiviert zu Kolchosen und Sowchosen. Beides führte zu einem massiven Rückgang der Produktivität. Dazu kamen ungünstige Witterungsverhältnisse und die Tatsache, dass Stalin die produzierten Lebensmittel zwangsenteignete, weil ihm die Versorgung der Industriearbeiter wichtiger erschien - und er im Westen Material für seine Rüstungsproduktion mit russischem Getreide bezahlte. Die Ukraine traf es als "Kornkammer" am härtesten, aber schon damals lebten dort auch viele ethnische Russen. Und die angrenzenden Agrarregionen in Südrussland, Kasachstan etc. wurden aus demselben Gründen ebenfalls von katastrophalen Hungersnöten heimgesucht. Es wäre wünschenswert, wenn wir aus dieser Geschichte lernen würden, wohin ideologisch gesteuerte Planwirtschaft führen kann, aber danach sieht es derzeit nicht aus.
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Kommentar von Lucas
Daumen hoch, @ Kommentar von Dr. Klaus Rocholl!
Danke!
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Kommentar von Karl Eduard
Offensichtlich ist den debilen Eliten und Systemmedien im Westen nicht bewusst, was für ein Glück sie hatten dass es eben keinen Putsch gab und nicht die Hardliner an die Macht gekommen sind. Das einzige was die Welt bisher vor einem Atomkrieg rettet, ist Putin. Im Gegensatz zu den sogenannten Führern der freien Welt hat er - Gott sei Dank - noch nicht den Verstand verloren, trotz aller Provokationen durch den Wertewesten. Das "System Putin" wurde vom Westen ganz alleine zementiert - der wahnwitzige Plan deutsche Panzer wieder an die Ostfront zu schicken, hat das Land wieder geeint. Klarer Fall von Schuß ins eigene Knie.
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Kommentar von Kooka
@Dr. Klaus Rocholl
danke für Ihren Text, der die großen Lücken im Artikel gefüllt hat.
Aus meiner Sicht sollte Russland bei Vereinbarungen mit der westl. Wertegemeinschaft sehr vorsichtig sein. Nach den Auslassungen von Merkel über den wahren Grund von Minsk II - immerhin eine UN-Resolution - und den anderen Besipielen der Vertragstreue des Westens, kann die RF eigentlich keinem Vertrag mit diesen "Partnern" mehr vertrauen.
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Kommentar von Dr. Klaus Rocholl
Schade - der Autor erklärt die angebliche "deutsche Verantwortung" für die Ukraine nursehr lückenhaft und (böswillig?) unvollständig:
In beiden Weltkriegen - und im Russischen Zarenreich bereits seit Jahrhunderten - war die Ukraine zu Beginn beider Kriege integraler Bestandteil Rußlands. Eine staatliche "Unabhängigkeit" der Ukraine hat es nie auch nur in Ansätzen gegeben.
Und was die Krim betrifft - sie hat mit der Ukraine schlicht nichts zu tun und ist bereits seit Jahrhunderten russisch.
Und ebenso seit bereits sehr langer Zeit ist der Krimhafen Sewastopol Stützpunkt der Russischen Schwarzmeerflotte, die sowohl der britischen Royal navy als auch der US Navy die Alleinherrschaft im Mittelmeer streitig machen. Diese Hafenstadt war bereits im Krimkrieg 1853-1856) Objekt britischer Begierde, und im ersten Weltkrieg war die blutige Auseinandersetzung zwischen Türken/Osmanen und Briten um die Dardanellen (auch) Ausdruck britischer Bestrebungen, Hoheit über die Verbindung zwischen Schwarzem Meer und Mittelmeer zu bekommen. Auch die türkische NATO-Mitgliedschaft findet hier ihre Begründung.
Entsprechend war es 2014, nach der sog. "orangenen Revokution" in Kiev - also einem westlich inszenierten Umsturz mit Installation einer pro-westlichen Regierung - aus Russischer Sicht zwingend, diesen Hafen Sewastopol und die russische Krim für Rußland zu sichern.
Und was die Ukraine angeht:
Im ersten Weltkrieg, nachdem das Russische Territorium Ukraine großflächig Deutsch / Österreichisch besetzt war, etablierte sich unter Deutschem Schutz eine ukrainische Unabhängigkeitsbewegung - aus ukrainischer Sicht sicherlich mit dem Ziel einer (vorher nie dagewesenen) Unabhängigkeit von Rußland, aus Deutscher Sicht vor allem mit dem Ziel der Schwächung des Kriegsgegners Rußland.
Ebenso übrigens wie die Erlaubnis der Durchreise des Revolutionärs Lenin aus der Schweiz nach Rußland in der (berechtigten) Hoffnung, daß dieser durch Revolution den Kriegsgegner Rußland ausschalten würde.
Der (aus Russischer Sicht) Verrat der Ukrainer am eigenen Land (Rußland) mitten im Krieg begann also weit vor der Russischen Revolution 2017. Die späteren sowjetischen Gräueltaten an den Ukrainern (Holodomor) haben also auch hier ihren Hintergrund (, der sicher nichts entschuldigt!): Für die Russen waren die Ukrainer schlicht Verräter.
Im 2. Weltkrieg fand dann, allerdings vor dem Hintergrund dieses Massenmordes, das gleiche statt:
Die meisten Ukrainer begrüßten zunächst die Deutschen als Befreier... bis zum Beginn der Deutschen Massaker auf ukrainischem Boden: Ein Teil machte begeistert mit (ukrainische Nationalisten, Bandera), der andere (russische / jüdische) Teil fiel ihnen zum Opfer.
Zur heutigen Situation kommt noch erschwerend hinzu, daß der gesamte westliche Teil der heutigen Ukraine eigentlich ein Teil Polens war, bis er im Rahmen des Hitler-Stalin-Pakts 1939 russisch/sowjetisch annektiert wurde.
Von all diesen Fakten findet sich in der obigen stark verkürzenden und verfälschenden Darstellung gar nichts.
Zusammenfassend und vor dem Hintergrund zweier Eroberungsversuche Rußlands in jüngerer Zeit, durch Napoleon und durch Hitler, vor denen sich Rußland nur durch die Weite des Raumes, die Härte der Russischen Winter und zwei äußerst blutige und verlustreiche Kriege retten konnte muß es eigentlich sehr verständlich erscheinen:
- daß Rußland um keinen Preis bereit ist, seinen Jahrhunderte alten Militärhafen Sewastopol der US Navy zu überlassen,
- und daß Rußland ebenso wenig bereit ist, potentiell feindliche Truppen an der Ostgrenze der Ukraine, nur wenige 100 km vor seiner Hauptstadt zuzulassen.
Darum geht es in diesem Krieg.
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Kommentar von Sal Peregrin
"(...) in den Zeiten der Sowjetunion (...)"
Verstehe, demnach hat sich Rusland mal kurz in die "Zeiten der Sowjetunion" begeben (Zeitmaschine?), sich dort mit Verantwortung belastet und ist deshalb heute zur Rechenschaft zu ziehen.
Die Methode, in der heutigen Zeit lebende Menschen für Taten, die vor ihrer Zeit lagen, perönlich verantwortlich zu machen, ist äußerst praktisch. Damit kann man jeden jederzeit für beliebige Abscheulichkeiten verantwortlich machen und deshalb "erwünschtes" Verhalten einfordern. Dagegen wehren kann sich der Betroffene nicht, da "in Anbetracht der Abscheulichkeiten" jedwede rationale Argumentation stantepede als "Billigung von Abscheulichkeiten" verunglimpft oder gar pönalisiert wird.
Rationaler Diskurs sieht anders aus.