Emotionen statt Interessen: Wie die deutsche Politik im Ukraine-Konflikt die Orientierung verlor

Der historische Ukraine-Irrtum von links – Dieser Krieg wird Deutschland ruinieren

von RA Dirk Schmitz (Kommentare: 5)

Deutsch-ukrainische Schicksalsgemeinschaft© Quelle: Pixabay/NikkiGoCom

„Ein dauerhaft geschwächtes Russland ist im Interesse der USA – aber ist es im deutschen Interesse?“ Ein Gespräch über Merkels Minsker Täuschung, die Kosten der Kriegsbegeisterung und die Frage: Warum zahlen wir für einen Konflikt, der uns ruiniert?

Die Debatte um den Ukraine-Krieg ist in Deutschland ein Minenfeld aus Moral, Emotionen und Diffamierung. Wer die deutsche Position hinterfragt, wird schnell als Putin-Versteher abgestempelt. Max Mannhart erklärte für Apollo News, dass sich erhebliche Teile der westlichen Rechten in eine anti-ukrainische Position haben drängen lassen, sei eine Tragödie.

Für Rechtsanwalt Dirk Schmitz ist demgegenüber nicht entscheidend, ob man „pro“ oder „contra“ Ukraine ist – sondern was im deutschen Interesse liegt. In einem schonungslosen Gespräch seziert er die Vorgeschichte des Konflikts, die Rolle von Merkel und Steinmeier, die Kosten für Deutschland und die Frage: Warum wiederholen wir die Fehler der Vergangenheit? Ein Weckruf für eine Politik, die endlich wieder die eigenen Bürger in den Fokus nimmt.

Lesen Sie im folgenden Gespräch, warum die deutsche Ukraine-Politik ein strategischer Fehltritt ist und wie wir aus der Sackgasse herauskommen könnten.

Alexander Wallasch: Das Portal Apollo News bespricht über Pfingsten einen großen historischen Irrtum: „Dass sich erhebliche Teile der westlichen Rechten in eine anti-ukrainische Position haben drängen lassen, ist eine Tragödie,“ meint Max Mannhart.

RA Dirk Schmitz: Die ukrainische Position – also ob man im aktuellen Stand des Konflikts für die Ukraine ist oder für Russland – ist keine Frage von links oder rechts. Es gibt gute Gründe als deutscher auch rechter Patriot mit dem Herzen für die ukrainische Position zu stehen – als auch für die russische.

Die Fragestellung als Deutscher muss eine andere sein: Wie stehe ich zu diesem Konflikt aus deutschem Interesse? Ist es im deutschen Interesse, die Ukraine weiterhin massiv zu unterstützen, moralisch - und vor allem auch finanziell – außen- wie innenpolitisch? Ist es nicht besser, einfach „neutral“ zu werden? Diese Frage ist kaum oder nicht behandelt worden. Sie ist auf eine rein emotionale Haltungs-Ebene heruntergedimmt worden. Und das ist falsch.

Das deutsche Engagement in der Ukraine hat eine Vorgeschichte. Heute ist aber oft diffamierend davon die Rede, wer überhaupt von einer „Vorgeschichte“ spreche, wolle den Angriff der Russen relativieren. Der Ukrainekrieg soll offiziell erst 2022 begonnen haben. Zur Vorgeschichte gehört auch das Minsker Abkommen, als Merkel mit Steinmeier und dem Franzosen Hollande an diesem gearbeitet haben und - gewollt? - gescheitert sind. Kann es sein, dass Deutschland sich schon zu früh in diesem Konflikt pro Ukraine positioniert hat? Bestimmte dieses Scheitern von Merkel und Steinmeier die deutsche Ukraine-Haltung?

Die Deutschen sind in diesen Kriegskonflikt zunächst schlafwandlerisch hineingestolpert. Sie haben sich massiv für die ukrainische Seite eingesetzt, weil die Amerikaner sich für eine Nato-Ukraine eingesetzt haben. Aus Gründen, die wir heute alle kennen, nämlich aus eigenen ökonomischen wie außenpolitischen Interessen. Nach dem Motto: Ein dauerhaft geschwächtes Russland ist weltweit in unserem Interesse. Unsere politischen Entscheider wollten das intellektuell nicht durchdringen.
Zwischenzeitlich haben wir so viel Geld, Engagement und Glaubwürdigkeit investiert, dass die deutsche und europäische Seite jetzt ein Problem hat, auf Abstand zu sich selbst zu gehen und die Frage zu stellen: Was Ist aus heutiger Sicht interessenbasiert richtig?

Napoleons Außenminister Talleyrand hat zur Exekution des Duc d'Enghien durch den französischen Imperator einmal gesagt, es sei schlimmer als ein Verbrechen, es sei ein Fehler gewesen. Und genau auf diesen Punkt müssen wir den Konflikt zurückbringen. Also egal, wer wen und was diesen Konflikt getrieben hat, wer ein Verbrecher ist oder auch nicht, diese Frage ist Folklore. Die richtige „rechte Frage“ lautet: Was ist für unser Land heute richtig? Und zwar alleine für unsere Zukunft.

Du sagst immer Deutschland. Wie sieht es denn mit der EU aus?

Deutschland/EU – ich vermag derzeit keine Linie zu erkennen, die einen deutschen Standpunkt substanziell von der EU unterscheidet.

Trotzdem zurückgeschaut: Jetzt sagt aber Merkel im Nachhinein über die Minsker Verhandlungen in etwa, man habe das alles nur getan, um der Ukraine die Möglichkeit zu geben, sich weiter aufzurüsten und sich zu stärken. Also schon auf einen Krieg hin planend.

Die Wahrheit schlicht und ergreifend: Wir haben Russland unterschätzt, nach dem Motto: Wir halten die hin, und in der Zeit rüsten wir - der Westen - die Ukraine so weit auf, dass sich die Russen am Ende nicht trauen, die Ukraine anzugreifen. Auf gut Deutsch: Wir haben Russland verarscht. Und insoweit hat die russische Position heute leider eine Berechtigung.

Und irgendwann haben wir Russland erneut unterschätzt. Denn natürlich hat Putin irgendwann gemerkt, dass sie sich längere Zeit haben verarschen lassen. Was man Putin ernsthaft mit heutigem Wissen vorwerfen kann, ist, warum hat der Mann die Ukraine so spät angegriffen? Warum nicht zwei oder drei Jahre früher? Dessen echte Siegeschancen im Sinne der Neutralisierung der Ukraine wären deutlich höher und unblutiger gewesen.

Hat nicht jedes Volk, jede Nation das Recht, über sein Schicksal selbst zu entscheiden? Die Argumentation pro Russland ist ja immer die, dass man die Ukraine aus dessen Einflussbereich herausschälen wollte. Aber warum sollte man nicht?

Es gibt keinen moralisch fundierten Grund dafür oder dagegen. Es gibt eine einzige außenpolitische Frage: Ist es in unserem Interesse? Ist es im deutschen Interesse, dass die Ukraine eher unabhängig von Russland ist oder zur Nato und EU gehört? Die Frage ist sachlich zu beantworten und nicht emotional. Auch ein Golfclub nimmt nicht jeden Bewerber auf.

Aber warum stellst du dieselbe Frage nicht bei einem Konflikt in Myanmar oder in Nordwestafrika? Warum ist denn Ukraine-Russland für uns überhaupt interessant? Weil das ein paar Kilometer näher dran ist?

Genau, das ist der einzige Grund. Ein Konflikt mit der Ukraine und Russland trifft EU und Deutschland massiv. Ein Konflikt in Ostasien nicht.

Aber ein Konflikt Russland-Georgien, ein Konflikt Russland-XY ist auch nicht viel weiter weg und hat uns doch bisher auch nicht interessiert.

Das stimmt so nicht. Die Europäer versuchen immer noch und massiv, Georgien zu faktisch zu okkupieren. Indem sie den Fehler, den sie in der Ukraine gemacht haben, in Georgien wiederholen wollen, nämlich eine starke EU-Position aufzubauen, die am Ende zum EU- und sogar NATO-Beitritt führen soll. Sie sind ernsthaft dabei, den Ukraine-Fehler zu wiederholen. Die Einzigen, die zu klug sind, sind die Georgier selbst, die gesagt haben: Ja, wir haben die EU lieb, aber nicht so sehr, dass wir mit Russland Krieg haben wollen.

Nun schreibt der eingangs erwähnte Max Mannhart für Apollo News – ich hatte seinen Artikel per X schon zur Diskussion gestellt – nachdem Putin jeden Friedensplan von Trump abgeblockt habe, könne man sich keiner Illusion mehr hingeben. Zu kurz gegriffen?

Das ist ein bisschen sehr kurz. Ich unterstelle, Putin hat keinerlei Interesse, die gesamte Ukraine zu übernehmen und als eine Art neue Sowjetrepublik einzuhegen. Er hat ein ganz klares Ziel: Ukraine darf nicht Nato-Land werden. Und wohl auch nicht EU; da hat er sich nicht so klar geäußert. Und Putin möchte eine bestimmte Region, die er als russischstämmig definiert, nicht nur besitzen, sondern völkerrechtlich anerkannt wissen. Das ist sein Kriegsziel. Und das, was wir - auch die USA - ihm bislang geboten haben, war dramatisch weniger. Putin glaubt, durch eine Fortsetzung des Konflikts - zumindest noch über mehrere Monate - dieses Ziel zu erreichen. Das ist dessen staatspolitisches und militärisches Vorgehen.

Was kann Apollo News mit „historischer Ukraine-Irrtum von rechts“ meinen? Rechts meint wohl auch die Publikation selbst, meint die neuen konservativen Medien, meint relevante Player wie Nius usw. – die würde ich tendenziell eher Richtung CDU einschätzen als AfD. Nun werden diese Portale ebenso schnell als rechtspopulistisch geframt, wie es über ein Jahrzehnt hinweg mit kritischen Medien gemacht wurde. Wir haben die Massenzuwanderung ab 2015, wir haben das Corona-Regime ab 2020. Und kritische Medien waren und sind hier sehr stark oppositionell und regierungskritisch aufgestellt. Meine These: Jetzt kommt der Ukrainekrieg. Und an der Stelle wirkt eine pro-ukrainische Position unweigerlich verführerisch, weil ich mich als geframter Rechtspopulist damit auf der rechten Seite nicht per se kontaminiere, wenn ich eine Regierungsposition einnehme. Funktionierte bei Corona und der Massenzuwanderung so nicht. An der Stelle kann ich als neues Medium gefällig wirken und bleibe trotzdem in meinem angestammten Gewässer.

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Konkret: Wie schwierig ist es heute als geframtes Medium, eine proukrainische Haltung einzunehmen, ohne gleich in den Verdacht zu geraten, ich möchte mich hier greenwashen? Werden Rechtsoppositionelle oder neue Medien geradezu zu einer prorussischen Haltung verdonnert?

Ich glaube nicht. Ich denke, die Fragestellung selbst verführt natürlich. Man kann jetzt dem Mainstream zeigen: Guck mal, wir sind zwar rechts, aber nicht überall. Das habe ich schon verstanden. Es ist ideologisch ergebnisoffen, aber nur, wenn man den Konflikt Ukraine-Russland solitär sieht. Er ist nicht sehr offen, wenn ich mich als Patriot frage, welche Auswirkungen die Fortsetzung des Konflikts für Deutschland hat.

Brutal formuliert: Wenn die Russen morgen hypererfolgreich wären und sie die Außengrenzen der Ukraine in Richtung EU erreichen, also die Ukraine machttechnisch auslöschen - wäre das für Deutschland von Vorteil oder von Nachteil? Ich vertrete den Ansatz: Das wäre wahrscheinlich sogar von Vorteil, denn wenn „wir“ diesen Krieg gewinnen oder „gewaffenstillstanden“ - wer zahlt dann wohl den Wiederaufbau der Ukraine?  Wenn der Krieg aber so enden würde, dass das alles russischer Einflussbereich würde – dann werden „wir“ den Wiederaufbau sicherlich nicht bezahlen. Wie lautet das deutsche Interesse? Und das wird durch die tumbe Frage nach „links oder rechts“ negiert, bestenfalls ausgeklammert. Aber so weit wird es nicht kommen. Der Zielkorridor ist enger.

Der größte Schaden für Deutschland wird ja aktuell wie ein Vorteil verkauft: Hunderte von Milliarden für Aufrüstung wären angeblich längst überfällig gewesen. Plötzlich müssen wir für etwas bezahlen, was wir vorher gar nicht benötigt haben.

Dieser Krieg wird Deutschland bei Fortsetzung ruinieren, rein ökonomisch. Die Fragestellung ist: Wir haben derzeit 1,25 Millionen Flüchtlinge im Lande alleine aus der Ukraine, von denen 710.000 Menschen Bürgergeld erhalten - die wir sonst nicht hätten. Wir zahlen weit über 500 Milliarden Euro für Rüstungsgüter und Krieg und später 525 Milliarden Euro für den Wiederaufbau der Ukraine, wir zahlen das dauerhafte Haushaltsdefizit der Ukraine - und wir zahlen dramatisch mehr und dauerhaft für unsere Energiekosten. Und wir haben uns mit Russland gerade einen strukturellen Dauerfeind geschaffen. Das ist unklug.

Und die Gegenfrage lautet: Was würde ich gewinnen? Gewinnen würde ich am Ende ein relativ zerstörtes und erschöpftes Land, genannt Ukraine, die dann „zur EU“ gehören würde. Wobei die Amerikaner die wesentlichen Rohstoff-Fettstücke bereits herausgerissen haben.

Was für ein Popanz wird denn da aufgebaut mit der Idee, dass Putin durch Berlin bis nach Bonn oder gar an die Atlantikküste marschiert? Was soll er denn mit diesem Deutschland anfangen? Was wäre denn der Vorteil einer Besetzung Deutschlands?

Alleine die Frage aufzustellen, ob die Russen bis an den Atlantik kommen …

… aber das ist doch die einzige Argumentation für die Aufrüstung …

… zeigt interessengetriebenen Unsinn. Denn wer sich die Karten genau ansieht über das russische Kriegsglück in den letzten zwei Jahren, der stellt fest, dass Russland ganz mühsam ein Dorf um das nächste erobert und dann am Ende nichts anderes hat als zerstörte Fläche. Sie sind nicht wirklich vorangekommen, und jetzt sollen sie bald den Atlantik erreichen? Das ist völlig lächerlich.

Erstens haben die Russen das niemals auch in bösesten Momenten als Kriegsziel kommuniziert. Zum Zweiten gibt es für diese keinen erklärbaren Vorteil.
Warum glauben 520 Millionen EU-Europäer - einschließlich Großbritannien - von 340 Millionen US-Amerikanern dauerhaft Hilfe zu benötigen, um 146 Millionen Russen mit der Wirtschaftskraft Italiens in Schach zu halten? Wer sich mit Russland einigt, braucht keine Aufrüstung. Auch das ist lächerlich.

Die Wehrpflicht wurde von derselben CDU abgeschafft, die sie heute wieder einführen will. Weißt du denn noch die Begründung, warum sie das damals aufgegeben haben?

Die ursprüngliche Begründung war: Wir fahren in ein neues Paradies, in einen europäisch-asiatischen Dauerfrieden. Da passte die Wehrpflicht nicht mehr. Insbesondere war es nicht mehr chic, weil die jungen Leute nicht mehr wollten – und wollen. Das war genau der Satz: Es ist immer noch nicht chic. Niemand möchte in die Bundeswehr. Niemand möchte kämpfen und schon gar nicht sterben. Nein, der Heldentod ist außer für Kiesewetter für niemanden süß. Keiner ist heiß auf Wehrdienst.

Ich bin der Ansicht, selbst wenn die Bundeswehr morgen 100, 200 oder 500 Milliarden investiert, das würde die effektive Kampfkraft nicht wesentlich steigern, weil keine namhafte Zahl von Kämpfern bereit ist, ernsthaft das Leben an einer „Ostfront“ einzusetzen. Wenn die Deutschen das machen würden, was sie früher gemacht haben, nämlich eine rein interessensorientierte Außen-, Wirtschafts- und Militärpolitik zu führen, dann würde man bei einer Abwägung der Vor- und Nachteile pro Russland und Ukraine zu dem Ergebnis kommen, es rechnet sich für uns nicht, sich für eine Kriegsfortsetzung einzusetzen.

Es ist aus deutscher und EU-Sicht völlig egal, wo die exakte Grenze zwischen Russland und der Ukraine verläuft. Was wäre für Deutschland wirklich falsch daran, wenn alle von Putin beanspruchten Gebiete und die Krim - die Bezirke der Ukraine mit großer russischer Bevölkerung - wirklich zu Russland gehören und die Ukraine neutral mit geringem Militärkontingent wird? Für den ukrainischen Stolz schrecklich. Aber eben nicht für uns.

Aber das ist eine maximal nüchterne – man kann auch sagen eiskalte – Perspektive. Die Ukraine wurde angegriffen. Hunderttausende Männer ohne Sieg getötet. Das ist eine gigantische Tragödie.

Ja, aber auf hunderttausende Tote weitere hunderttausende zu legen – am Ende für hundert Kilometer Grenze mehr nach Osten oder Westen? Auch eine Tragödie - und nicht unser Interesse.

Danke für das Gespräch!

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