Toddn Kandzioras Wochenrückblick 24/2021

Deutschland Regenbogenland

von Toddn Kandziora (Kommentare: 1)

Immer noch gut die Hälfte der, in der besten Demokratie und im besten Deutschland aller Zeiten Lebenden, schätzen sich glücklich. In diesem Sinne. Möge dieser Sommer noch die letzten, aktiven Hirnzellen schmelzen lassen.© Quelle: Pexels / Sharon McCutcheon

Stell dir vor es ist EM und keiner schaut zu. So zumindest erscheint es mir dieser Tage, wenn ich mich in meinem kleinen Dorfe mit Nachbarn, Bekannten und Freunden unterhalte. Im Sommer 2021 ist Fußball zur Nebensächlichkeit verkommen. Da ist kein Märchen.

Also, eigentlich unterhalten wir uns ja schon noch über Fußball. Wir unterhalten uns über den Fußball unserer Eintracht. Unserer Jungs in Blau-Gelb, die vor wenigen Wochen wieder einmal den Gang in die dritte Liga gehen mussten. Wir reden über die Spieler unserer Eintracht die bleiben, über die, die gehen wollen oder gehen müssen.

Die in diesem Jahr auf grünen Rasen auflaufenden Millionäre einer gender-woken Mannschaft, dessen Spielführer sich mit der Kapitänsbinde in den Farben von Regenbogenland schmückt sind nicht nur mir völlig schnuppe geworden. Die vielfältigen Gründe führe ich nicht aus. Warum auch. Aber wer sich jetzt fragt, welche das sein könnten, der/die/das* fühlt sich beim Zuschauen offensichtlich weiterhin vertreten und mental gut abgeholt. Weil er/sie/es* sich mit dieser Mannschaft, dem Land und seiner Kanzler*in identifizieren kann.

Der schätzt die Farben von Regenbogenland und der hält die Vergangenheit für obsolet. Der trauert nicht um die alten Zeiten, in der ein Spiel unserer Nationalmannschaft das Gespräch des Tages war. Wir uns in den Biergärten, Kneipen, Garagen und Wohnzimmern unseres Landes trafen und unsere Jungs aus vollen Herzen anfeuerten. Wir die Siege unserer Nationalmannschaft bejubelten und miteinander ihre Niederlagen betrauerten.

Themenwechsel.

Kommen wir zu Til Schweiger. Der Mann hatte in dieser Woche die Gemüter erregt. Warum? Auf seinem Instagram postete Til Schweiger ein Foto mit Boris Reitschuster und schrieb zum Selfie "barefoot boat mit meinem helden boris reitschuster". Das Ganze noch mit einem Herzchen unterlegt. Das war für sehr viele der guten und anständigen „Journalist*innen“ aus Regenbogenland zu viel der freien, ausgedrückten Liebe mit einem „rechten Querdenker“ und „selbsternannten Journalisten“.

Mal abgesehen davon, dass der linke Zeigefinger von Boris Reitschuster mehr journalistische Klasse besitzt als heutige SPIEGEL bis TAGESBLATT Redaktionen zusammengenommen und Til Schweiger das ein oder andere Mal schon mit einer Äußerung daneben lag, sein Statement war großartig!

Sich im Sommer 2021 als Prominenter für eine, sagen wir mal, Persona non grata zu Wort zu melden, das ist stark. Respekt Herr Schweiger. Ach ja, eins noch an Til. Danke für die vielen guten Filme. Danke für die gute Unterhaltung und für die letzten, noch nicht eingegenderten und woken Tatorts die ich sehen konnte und wollte.

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Draußen hat es inzwischen 30 Grad. Es ist gerade einmal halb elf heute Morgen und mir läuft schon die Soße über den Rücken. Da mir auch schon die Synapsen verkleben werde ich mich jetzt kurzhalten und ein paar aufregenden Ereignisse dieser Woche etwas knapper anreißen.

Rigaer Straße 94 in Berlin. Polizei gegen linke Hausbesetzer. In Berlin regiert Rot-Rot-Grün. Da werden die ideologisch ähnlich gestrickten Bewohner*innen der Rigaer 94 von Haus aus wenig Probleme bekommen. Man stelle sich jedoch einmal vor, es gebe dieser Tage in der Innenstadt Berlins mehrere von Querdenkern und Corona-Kritikern besetzte Häuser. Wie mit diesen vom derzeit regierenden Senat umgegangen werden würde, nun, das sollte sich jeder selbst vorstellen.

Kanzleramtsminister Braun beklagt einen im Zuge der Corona-Regierungspolitik vermehrt aufkommenden Rechtsextremismus wie ein kaum zu ertragendes querdenken innerhalb großer Teile der Bevölkerung. Nun, ich verstehe das mal so: Wenn ich nicht im Sinne der Regierung denke, dann bin ich entweder ein nicht zu ertragender Querdenker oder gleich mal rechtsextrem. Auffällig im neuen Land macht sich, wer quer, also nicht auf der vorgebenden Linie denkt. Auffällig und bald vielleicht straffällig, wer beim Denken von der vorgebenden Linie vom Wege abkommt. Daher und am besten immer Klappe halten und den eigenen Kopf unterhalb der medialen Schusslinie verbergen. Sei denn, man heißt Til Schweiger. Dann hat man Eier und sagt noch, was man denkt.

Dazu passt sehr schön, dass laut einer neuen Allensbach Studie es mit der Meinungsfreiheit in Regenbogenland nicht mehr weit her ist. „Im Juni 2021 sagten gerade noch 45 Prozent, man könne seine Meinung frei sagen, praktisch gleich viele, 44 Prozent, widersprachen“, schreibt ein Thomas Petersen vom Institut für Demoskopie Allensbach in einem Artikel in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung. (Leider hinter der Bezahlschranke verborgen.)

Das würde auch bedeuten, dass noch immer gut die Hälfte der in der besten Demokratie und im besten Deutschland aller Zeiten Lebenden sich noch immer einer vermeintlich existierenden Meinungsfreiheit glücklich schätzen. Sich darüber freuen können, einen Kanzleramtsminister Braun unter den ihren zu wissen. In diesem Sinne. Möge dieser Sommer nicht noch letzte, aktive Hirnzellen schmelzen lassen. Von diesen gibt es nur noch wenige.

Weniger Konzerte wird es in Zukunft von Xavier Naidoo geben. Ein für diesen Sommer geplantes Konzert in der Berliner Zitadelle wurde in der letzten Woche so lange von den anständigen Medien und noch viel anständigeren Politikern und Politikerinnen beklagt, bis der anständige Veranstalter Trinity Music sich vom unanständigen Sänger (wie es sich dieser Zeit ziemt) öffentlich abwendete. Hinter den für Xavier sich schließenden Kulissen in Regenbogenland haben sich jetzt Anwälte der Sache angenommen. Wir dürfen weiterhin gespannt sein, denn die Vorwürfe der Agentur gegenüber Naidoo sind interessant und werden uns bei der Sicht auf Meinungsfreiheit und Berufsverbot neue Einblicke geben können.

Was war noch? Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer ist der Überzeugung, das Telegram ein Teufelswerkzeug von hunderttausenden von Rechtsradikalen, Querdenkern und Regierungskritikern ist. Wortwörtlich sagte er in einem Interview:

"Soziale Netzwerke werden zur Destruktion benutzt. Die Parteien im Bund müssen sich intensiv damit beschäftigen. Es gibt geschlossene Telegram-Gruppen, in denen sich mehr als 100.000 Menschen mit krudesten Vorstellungen gegenseitig hochschaukeln. Hier wirken Initiativen gegen Hasssprech nicht. Das ist eine Gefahr für die Demokratie. Wir müssen dieses neue Phänomen genauso scharf bekämpfen wie Clanstrukturen.“

Gut. Dann brauche ich mir als Telegram-Nutzer ja wenig bis keine Sorgen machen. Sorgen könnte ich mir um die Umgangsformen meiner möglichen, neuen Kanzler*in machen. Frau Annalena Baerbock soll „Scheiße“ gesagt haben. Ach du sch.... Der Grund dazu war, dass sie ihren Text selbst nach mehrmaligen Versuchen vor der Aufnahmekamera nicht fehlerfrei rausbekam. Kann ja jedem mal passieren.

Ein neues, fieses und mutiertes Coronavirus soll weltweit auf dem Vormarsch sein. Diese zuerst in Großbritannien entdeckte Delta-Variante des Coronavirus soll bis zu 70 Prozent ansteckender als was auch immer sein und ist seit heute Morgen 5 Uhr 45 in der Früh bereit uns bis zur Bundestagswahl alle miteinander infizieren zu können. Wenn wir denn nicht weiterhin aufpassen und den Anweisungen folgen.

Also dann, ihr Tapfreren dieser Erde. Haltet durch und nie vergessen. Nicht nur Regenbogenland hat fertig. Aber so was von.

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