„Nie wieder Krieg“ ist in Deutschland in Gestalt einer Kriegsdienstverweigerung aus Gewissensgründen als Grundrecht (Artikel 4 Absatz 3) festgeschrieben.
Knapp zweitausend Kilometer Luftlinie entfernt tobt seit über drei Jahren ein menschenfressender Krieg zwischen den Bruderländern Russland und Ukraine. Mindestens ebenso weit hat sich eine deutsche Nachkriegsgeneration von der tief verankerten Gewissheit „Nie wieder Krieg“ und „Keine deutschen Waffen in Kriegsgebiete“ entfernt und alle Sicherungsseile gekappt.
Am Anfang dieser Entwicklung stand das Ausrufen der „Zeitenwende“ durch Olaf Scholz und eine Grundsatzrede der damaligen Verteidigungsministerin Lambrecht. Das war der Beginn einer neuen deutschen Rechtfertigungskultur für eine Unterstützung oder Beteiligung an kriegerischen Auseinandersetzungen.
Die zweite Präsidentschaft Trumps und seine Infragestellung der USA als automatisches Schutzschild über Europa lösten ein neues europäisches Sicherheitsdenken aus, das in dem Verlangen mündete, militärisch aufzurüsten.
Im September 2022 hielt die damalige deutsche Verteidigungsministerin eine „Grundsatzrede zur Sicherheitsstrategie“. Christine Lambrecht erklärte unter anderem:
„Aber heute gilt: Das Deutschland, das diese Verbrechen begangen hat, gibt es seit beinahe 80 Jahren nicht mehr. Die Bundeswehr ist eine Armee, die mit der von damals nichts gemein hat.“
Und weiter:
„Lassen Sie mich das deutlich sagen: Allein mit Bedächtigkeit, allein mit dem Rückgriff auf bewährte bundesrepublikanische Traditionen werden wir in Zukunft nicht mehr sicher leben können. Mit unseren alten Selbstbildern ist die Zukunft unserer Kinder und Enkel in Frieden und Freiheit nicht mehr zu garantieren.“
Und noch ein Ausschnitt der Lambrecht-Rede:
„Wir hatten uns daran gewöhnt, unsere Streitkräfte ausschließlich als Akteur bei Kriseneinsätzen im Ausland oder in der Amtshilfe – Corona, Hochwasser, Waldbrände – wahrzunehmen. Diese Zeit ist vorbei. Wir müssen die Bundeswehr wieder als zentrale Instanz für unsere Daseinsvorsorge betrachten. Und zwar jeden Tag.“
Diese medial wenig beachtete Rede markiert einen fundamentalen Wendepunkt im deutschen Denken der Nachkriegsgenerationen. Hieß es für Generationen von Schülern und Studenten immer, dass das Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland die Vorbereitung eines Angriffskrieges (Artikel 26) untersagt und Deutschland sich für eine friedliche Außenpolitik engagiert und die multilaterale Zusammenarbeit unterstützt, um Konflikte friedlich zu lösen, so steht besonders der Ausruf des Verteidigungsministers Pistorius am 04. Juni 2024 im Bundestag im krassen Gegensatz dazu:
„Wir müssen bis 2029 kriegstüchtig sein.“
Wir nachfolgenden deutschen Generationen sind nicht für das verantwortlich, was geschah, aber dafür, dass es nicht wieder geschieht (zitiert nach Max Mannheimer).
Christine Lambrecht erteilte den Deutschen eine Absolution. Das Deutschland, das die Verbrechen des Zweiten Weltkriegs und des Nationalsozialismus begangen hat, gäbe es seit beinahe achtzig Jahren nicht mehr. Die Bundeswehr sei eine Armee, die mit der Wehrmacht nichts gemein habe.
Aber Politik muss sich am Recht orientieren. Das Recht darf nicht gebeugt werden. Bei der Gedenkstunde für die Opfer des Nationalsozialismus am 25. Januar 2025 im Deutschen Bundestag sagte Bundespräsident Steinmeier:
„Die Shoah ist Teil unserer Identität.“ Und: „Es gibt kein Ende der Erinnerung.“
Ginge es nach Lambrecht und mit Blick auf die aktuelle Krise im israelisch-palästinensischen Krieg, dann führte das dazu, dass wir diese von Steinmeier als Teil unserer Identität bezeichnete DNA ablegen, und ab heute gelten kann, was Lambrecht sinngemäß für die deutschen Soldaten forderte: „Wir haben damit nichts mehr gemein.“
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„Die Zeit ändert nichts daran, was geschehen ist. Die historische Wahrheit lässt sich eben nicht wegpacken! Wir müssen uns dieser Wahrheit immer wieder von Neuem stellen. Und wir dürfen nicht darin nachlassen, sie den Nachkommenden weiterzuerzählen.“
Wenn das, was der Bundespräsident hier erklärt, weiter für alle Deutschen Gültigkeit hat – wenn! –, dann muss das zwangsläufig auch für die deutsche Staatsräson „Nie wieder Krieg“ gelten. Die Bundesrepublik ist als ein zutiefst pazifistischer Staat angelegt worden.
Aber schon zehn Jahre nach Kriegsende wurde die Wiederbewaffnung beschlossen. Dieser Akt war von Protesten begleitet. Notgedrungen waren die Vorgesetzten aller Führungsebenen auch mit Offizieren der Wehrmacht besetzt. Inklusive ehemaliger überzeugter Anhänger des NS-Regimes. Die Online-Enzyklopädie schreibt dazu:
„Im Jahre 1959 waren von 14.900 Bundeswehroffizieren 12.360 bereits in der Reichswehr oder Wehrmacht zu Offizieren ernannt worden, 300 Offiziere entstammten der Waffen-SS.“
Das Kriegsgeschrei der Grünen ist heute besonders laut. Und es war ihr damaliger Außenminister Joschka Fischer, der als treibende Kraft den ersten Kriegseinsatz der Bundeswehr befürwortete und den Einsatz im Kosovo unter anderem mit folgenden Worten rechtfertigte:
„Auschwitz ist unvergleichbar. Aber ich stehe auf zwei Grundsätzen, nie wieder Krieg, nie wieder Auschwitz, nie wieder Völkermord, nie wieder Faschismus.“
Der erste deutsche Kriegseinsatz begann mit einer grünen Relativierung des Holocaust, als Fischer die Überzeugung äußerte, der Serbe Milošević wolle ein neues Auschwitz, das es nun zu verhindern gelte.
Brigadegeneral Heinz Loquai merkte damals zu den Vergleichen Fischers an:
„Hier muss ich mich wirklich beherrschen, weil der Vergleich mit Auschwitz und der Situation im Kosovo eine ungeheuerliche Behauptung ist. Man muss sich als Deutscher schämen, dass deutsche Minister so etwas getan haben, denn ein normaler Mensch, ein normaler Deutscher, wird vor Gericht zitiert, wenn er in derartigem Ausmaße Auschwitz verharmlost.“
Es gab sie also damals noch: Deutsche Militärs, die sich ihrer Verantwortung in einem Deutschland bewusst waren, das sich „Nie wieder Krieg“ als Staatsräson auf die Fahnen geschrieben hatte.
Wer von einer „Zeitenwende“ spricht und diese den Deutschen verständlich machen will, muss notwendigerweise daran appellieren, auch die Zeit dafür zu begreifen, zu verstehen, was zur DNA der Bundesrepublik gehört. Die Zeitenwende spekuliert jedoch auf ein Vergessen. Sonst könnte es sie gar nicht geben.
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Kommentar von Rainer Möller
Lieber Herr Lipp, Sie meinen es sicher gut. Aber auf diese metaphysische Idee einer Kollektiv- und Erbschuld - frühjüdisch und bereits in der Prophetenzeit umstritten - würde ich doch lieber nicht zurückgreifen. Sprechen wir lieber über die menschliche Verführbarkeit. Wenn man den Leuten einredet, der Tod des Gegners sei nun mal nötig und daher auch wünschenswert - kann man ihnen dann noch glaubwürdig vermitteln, Arbeitslager (mit Tötung durch Arbeit) oder direkte Tötungslager seien unnötig und nicht wünschenswert?
Antwort von Alexander Wallasch
leip
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Kommentar von Carl Peter
Die deutsche und die österreichische Bevölkerung hätten und haben bei der ungesunden Genspritze nicht Nein gesagt, sogar eine diesbezügliche Impfpflicht mehrheitlich befürwortet.
Sie haben auf Ihrem Grundgesetz herumtrampeln lassen, und lassen bis heute nicht davon ab, dass das alles im Einklang mit Ethik, Moral und Gesetz geschah und auch noch weiter geschieht.
Ich frage wieder die KI:
"Können solche Bevölkerungen sich überhaupt selbst schützen und dafür kriegstauglich werden, wenn man alle gesicherten Belege des gesellschaftlichen Verhaltens der letzten viereinhalb Jahre zugrunde legt?"
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Kommentar von NP
Nachtrag: Es sind besonders die Geldbürger, die dem grenzenlosen Markt frönen um ihr Kapital zu vergrössern.
Der grenzenlose Markt ist aber nur die schicke Seite einer weltweiten Kriegsmaschinerie gegen Frieden und Freiheit der Menschen an sich. Kaputtalismus und Egoismus.
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Kommentar von NP
Wenn man den Menschen mit ständigem Schuldkult aller Art immer alles wegnimmt, konzentriert er sich nur noch auf die Definition seines Besitzes und Status. Und das pflegt er besessen, diesen Rückzug auf ein Ich im Feudalsystem, das nach primitiven Stolz und Schuld Prinzipien agiert.
Die BRD (West) hat sich für meine Begriffe in eine extrem neidische Besitz (jeder Art) Gesellschaft entwickelt, man hat Arbeit, man hat 'freunde', man hat Geld, man hat Doppelgarage und Putzfrau und Urlaub. Darüber definiert man sich. Nicht darüber dass man sesshafter Deutscher mit reicher kultureller und erschaffender Geschichte ist. Leistung ist im woken Globalismus nicht erwünscht, nur sogenannter Erfolg, meist aus Gaukelei und Betrug erschaffen, wie die Zinseszins-Betrugsoligarchen die sich Philantropen nennen und genau das Gegenteil sind. Schein, Oberfläche, Glanz ist alles.
Das bedeutet, dass die ganze Gesellschaft in der BRD (West) im Grunde ständig im Krieg mit sich selbst ist, verstärkt durch massenhaft eingeladene andere Interessengruppen. Krieg und Interessenspaltung immer ein gutes Geschäft für die grossen (politischen) Betrüger.
Die Menschen in Deutschland werden immer dümmer. Der Index sinkt nachweislich besonders stark in den letzten 25 Jahren. Woher das wohl kommt, was da wohl seitdem massiv passiert an End-Deutschung.
Ich erlebe täglich, wie strunzdumm in meiner woken Stadt die Leute im Verkehr und auch sonst überall sind. Strunzdumm, aggressiv, bockig und vor allem 'bunt' und rechthaberisch, beleidigt, viel Geschrei und Selbstdarstellung.
Alles Faktoren, die jede Art von homogener Gruppenbildung verhindern. Nur homogene Massstäbe sichern jedoch den inneren Frieden, und nur innerer Frieden ist die Grundlage dass es allen besser geht, nicht nur den Oligarchen und Politikern.
Es ist kein friedliches, homogenes, leistungsfähiges Deutschland erwünscht, ist meine Schlussfolgerung.
Die Anpassungs und Forderungsstufen des Islam wurden ja neulich erst hier gepostet.
Der Islam produziert wenig, was nicht Nachkommen, Gewalt und Krieg ist. Nur dort, wo die Menschen trotz Islam von ehrlicher Arbeit leben, ist einigermassen Frieden aber nur solange bis wandernde Räuber Beute wittern.
Und das ist alles belegbar, diese intellektuellen Debatten gab es vor Jahrzehnten bereits in der französischen Nordafrika-Community, Boalem Sansal, Kamel Daoud et cetera. Das hat alles nicht dazu geführt, dass die Kriegsschauplätze in den Banlieues friedlich wurden, zu viele grosse Gauner profitieren davon wie überall.
Die Deutschen (West) sind meines Erachtens heut alltagspraktisch wesentlich dümmer als Dorfschüler hierzulande vor 150 Jahren. Die hatten Intelligenz und wussten sich zu helfen. Heute ist das Handy dauernd in der Hand, das ausgelagerte Ersatzgehirn das Dopaminschübe auslöst wenn es klingelt oder brummt.
Ich sortiere tägich im Grunde nur noch, wen ich nicht in die nächsten Jahre mitnehmen werde. Das Gepäck wird immer leichter. Die meisten Leute sind eine Belastung, schon für sich selbst, die wenigstens nett oder gar herzlich. Man lernt in Demut, Tiere hoch zu schätzen. Das was man wirklich braucht und was man alles gar nicht braucht, trennt isch immer deutlicher für mich. Die Leute überall jedoch die nur ihrem Aussembild nachlaufen, sind wie Pestkranke. Lieber nicht anstecken. Von den anderen, die noch schlimmer sind und aus archaischer Denkart handeln, na das hat Gunnar Heinsohn alles schon beschrieben.
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Kommentar von Schwar Zi
Kleiner Nachtrag:
Ich möchte betonen, die überwiegende Mehrheit in meinem Umfeld (Ostdeutschland) teilt meine Ansicht, dass "der Westen" ein offensichtliches Problem mit Patriotismus hat. Selbst Leute, die nicht unbedingt meine Sichtweise auf die Politik teilen, stimmen mir hier zu. Es ist wie mit der ostdeutschen Liebe zum FKK, der Bürger (West) schämte sich dafür...und so ist es auch mit Patriotismus. Wie kann man nur mit den Farben seinen Landes/seiner Nationalhymne und einer starken, selbstbewussten Landesverteidigung nur so hadern?`
Das bekommen hier viele "Ostdeutsche" nicht in ihren Kopf! Ist das "Nationalstolz-Prüderie"?
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Kommentar von Schwar Zi
Kann Deutschland nicht "normal"? Sind wir wirklich (mehrheitlich) nicht dazu in der Lage? Kennt die Mehrheit wirklich nur schwarz oder weiss?
Eigentlich hatte ich mir geschworen, mit 50 wirst du ruhiger. Aber egal ob Mainstream oder Alternative Medien, die Mehrheit scheint einfach bei diesem Thema einfach nicht "normal" und nüchtern denken zu können. Es ist das Thema der Extreme...verflucht...entscheide Dich gefälligst für eine Seite! Frieden oder Krieg!
So scheint es mir zumindest. Warum kann man nicht einen normalen, gesunden Patriotismus und eine starke Landesverteidigung leben? In der DDR, in der ich aufgewachsen bin, ging es doch auch! Was ist mit Euch los, da in euren gebrauchten Bundesländern? Reaktivierung des Feindesbildes vom "bösen Russen" ging unglaublich schnell. Selbst die "Pazifisten" und Wehrdienstverweigerer von den Grünen können es kaum abwarten!
Wie wäre denn der Mittelweg? Ja zu einer starken Bundeswehr (egal auf Wehrdienst oder Berufsarmee), einer Bundeswehr die sich mit Stolz zu deutschen Traditionen bekennt (tat die NVA auch) ohne das man dahinter gleich wieder Nazis wittert.
Gerne auch eine Bundeswehr mit Paraden, Flugstaffeln in schwarz-rot-gold zu Nationalfeiertag. Und ja, eine Nationalhymne hat nen Text, also bitte singt ihn!
Aber sagt auch klar das man sich aus Konflikten die nicht unsere Bündnisse (Nato/EU) betreffen heraus hält, das man sich der Verantwortung gegenüber ALLEN Siegermächten des 2.WK bewusst ist. Das man den Russen dankbar für den Abzug ihrer Truppen ist. Und der Ukraine humanitär helfen will.
Und dann wäre doch alles gut gewesen. Ist das denn so schwer? Und warum hadern so viele Deutschen bei dem Gedanken das junge Menschen an der Waffe (sprich am Gewehr) ausgebildet werden? Warum? Ich raffe es nicht! Wehrlager war für mich ok. Ein Land sollte sich selbst verteidigen können, das ist die beste Abschreckung. Bei der Bundeswehr nennt man das übrigens "show of forces" Abschreckung durch Demonstration von Stärke.
Beste Grüße aus Mitteldeutschland
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Kommentar von .TS.
Schön wie sich das Gesinnungswillkürregime in seiner immer widersprüchlicheren Verlogenheit selbst zerlegt, getreu dem Motto "Wir wissen daß die lügen, die wissen daß wir wissen daß die lügen, wir können nicht verhindern daß sie lügen, wohl aber dazu bringen immer offensichtlicher zu lügen".
Von welchem "uns" der Schleimeimer redet weiß ich nicht, bin jedenfalls - seit 2020 vielfach quantitätsjournaillistisch betont - definitiv "raus" davon, und finde es jedenfalls gut daß die ehemalige Hubschraubermama der Nation den Schuldkult damit offiziell für beendet erklärt hat.