Zuletzt gehörte die Ex-Vizebundestagspräsidentin zu den Erstunterzeichnern des Friedensmanifests

Die große grüne Pazifistin Antje Vollmer ist tot

von Bettina Röhl (Kommentare: 2)

Antje Vollmer und ich haben uns nicht gestritten, sondern harmonierten vollkommen.© Quelle: Youtube / Phoenix

Die Grünen-Politikerin Antje Vollmer starb jetzt nach langer schwerer Krankheit. Sie war mehr als zehn Jahre lang Vizepräsidentin des Bundestags. Ein persönlicher Nachruf.

Antje Vollmer war für mich, als ich sie im März 1998 im Bundestagspräsidium in Bonn zu einem Interview für ein Buch traf, eine große positive Überraschung.

Im Kopf hatte ich eine Grünen-Politikerin und damalige Bundestagsvizepräsidentin, die sich mit ihren vielen RAF-Rehabilitierungsprogrammen und Begnadigungsgesuchen bei gleich mehreren Bundespräsidenten für frühere linke Terroristen, die damals noch in Haft waren, viel zu weit und zu RAF-sympathisch aus dem Fenster gehängt hatte.

Kennengelernt habe ich aber eine Frau, die mich mit ihrer christlich-engagierten, freundschaftlich-empathischen Art als Mensch und als Politikerin überzeugte. Dicke Vorurteile meinerseits wandelten sich innerhalb von Minuten in Respekt um.

Und dies trotz wirklich unterschiedlicher Ansichten über den Umgang mit der RAF, die aus meiner Sicht von den Grünen und der gesamten Politik viel zu lange gehätschelt und moralisch zu wenig verurteilt wurde.

Antje Vollmer und ich haben uns aber gerade nicht gestritten, sondern harmonierten vollkommen. Sie war eine pflichtbewusste, starke und ehrliche Politikerin mit einer guten Ausstrahlung und einer großen gelebten Toleranz.

Und ja, ich war an diesem Tag auch noch zusätzlich besonders erleichtert und begeistert, die Politikerin Antje Vollmer zu treffen. Zwei Stunden zuvor nämlich hatte ich im selben Haus ihren grünen Kollegen, den späteren Außenminister Joschka Fischer ebenfalls zum Interview getroffen, und da war es genau umgekehrt gewesen:

Joschka Fischer hatte ich politisch seit den achtziger Jahren, wo er als Turnschuhminister aufgefallen war, immer gemocht und bewundert und mich sehr auf das Interview mit dem früheren Straßenkämpfer (für den ich ihn nur hielt) und grünen Realo gefreut und war – anders als zwei Stunden später von Antje Vollmer – vollkommen entsetzt von dem tatsächlichen Zusammentreffen mit einem der arrogantesten und nervtötensten Politiker, den ich je getroffen habe.

Joschka Fischer entpuppte sich an diesem Tag für mich als Blender und als ein ganz Anderer, als den ihn die Medien zeichneten. Zudem ahnte ich nach dem Interview, bei dem er mit seinen Gewalttaten geradezu angegeben und sich wie ein entrückter Guru aufgeführt hatte, dass er viel weiter im Terrorismus der siebziger Jahre verstrickt gewesen war, als es die Legende, das Narrativ in den Medien von damals, 1998, über ihn zuließ oder bis heute zulässt.

Total entsetzt von dem tatsächlichen Joschka Fischer, der auch nicht mal Charisma hatte, traf ich nach dem Mittagessen eben Antje Vollmer, die mich freundschaftlich und als offene Gesprächspartnerin empfing. So schnell und so gründlich habe ich meine Meinung über zwei Politiker an einem Tag noch nie geändert. Antje Vollmers Wirken habe ich seitdem immer mit großer Anerkennung und Wertschätzung verfolgt.

Diese große grüne Pazifistin hat gewiss bis zuletzt auf die neue grüne Waffennarretei mit Abscheu geschaut. Erst die Bundeswehr über Jahrzehnte schrotten, bis nichts Substanzielles mehr übrig geblieben ist. „Aus der Nato raus“, „Soldaten sind Mörder“, „Waffen abschaffen“, und jetzt ungekonnt und ungelenk und in Anheizung eines Krieges, in dem täglich Menschen sterben, nach Waffen, Waffen, Waffen schreien. So geht weder Pazifismus noch Kriegsführung. So gehen weder Verhandlungen noch Siege. Antje Vollmers Stimme fehlt schon länger.

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