Egal, wer mit wem koaliert, jetzt zählen Ergebnisse. Die Ausgrenzung des politischen Gegners ist antidemokratisch

Die Lage ist ernst: Unsere Volksvertreter müssen sofort alle ausgrenzenden Tabus gegenüber der AfD beenden

von Jan-Heie Erchinger (Kommentare: 12)

Die AfD kann sich in unserer Demokratie mittelfristig nur demokratisch entwickeln und reifen, wenn sie konkret eingebunden wird. Man sollte ihr endlich die Chance dazu geben.© Quelle: Pixabay / geralt

Jan-Heie Erchinger will endlich Ergebnisse sehen, wie in Deutschland wieder blühende Landschaften entstehen. Das geht aber nur, wenn die AfD endlich demokratisch eingebunden wird, meint unser Kolumnist.

Die Lösung kann nur heißen, aufeinander zuzugehen. Unsere Volksvertreter dürfen keine Zusammenarbeitstabus mehr pflegen. Jede Partei und jeder Politiker soll akzeptieren, dass es unterschiedliche Meinungen gibt. Probleme müssen erwachsen und mit Tatendrang gelöst werden. Warum länger damit warten?

Die Polarisierung in der deutschen Gesellschaft schreitet weiter weiter voran. Ukrainekrieg, Coronapolitik, Migrationskrise, Umgang mit dem Klimawandel: Überall stehen sich unterschiedliche Sichtweisen unversöhnlich gegenüber. Man hat den Eindruck, dass Kompromisse und realpolitische Abwägungen aus der Mode gekommen sind.

Heute trudeln die Ergebnisse der amerikanischen Midterms ein. In den USA scheint die Polarisierung durch das Parteiensystem, in dem nur Demokraten und Republikaner eine maßgebliche Rolle spielen, noch fortgeschrittener als in unserer Gesellschaft. Und das ist alles andere als ein Idealfall!

Aber zurück nach Deutschland: Ich bin der Meinung, dass die Tabuisierung einer Zusammenarbeit mit der AfD durch die etablierten Parteien ein Hauptgrund für Polarisierung und Politikverdrossenheit ist. Und diese klar antidemokratische Ausschließeritis muss aufhören.

Die AfD kann sich in unserer Demokratie mittelfristig nur demokratisch entwickeln und reifen, wenn sie konkret eingebunden wird. Man sollte ihr die Chance dazu geben. Das wäre konkrete und konstruktive Demokratie.

Für alle, die die AfD sehr gefährlich finden: Anerkennen sie bitte, dass die AfD nach der Sozialdemokratisierung aller möglichen Themenbereiche in der Union unter Merkel geradezu entstehen musste.

Der Platz rechts von der Union (schon Franz Josef Strauß hatte davor gewarnt) war frei, der Ball lag auf dem Elfmeterpunkt, das Tor war leer. Die AfD kann nur geerdet und auch stellenweise seriöser werden, wenn ihr konkrete Aufgaben zugestanden werden, wenn sie auf Augenhöhe mitspielen darf.

Wenn die AfD dort mitregieren könnte, wo sie stark ist, beispielsweise in den östlichen Bundesländern, dann würde sich schnell herausstellen, dass auch diese Politiker nur mit Wasser kochen und keinen Giftcocktail im Glas mit sich herumtragen.

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Und sollten sie etwas richtig gut machen, dann könnten wir uns doch freuen. Aber es geht wie immer um Macht und da spielen einige unfair. Besonders die, die Angst davor haben, Macht zu teilen.

Zweifel an der Demokratie sind berechtigt. Die Wut so vieler ist nachvollziehbar: Die AfD wird von den Etablierten planvoll aus fast allem ausgeschlossen. Und mit ihr in manchen Regionen über zwanzig Prozent der Bevölkerung, die sich mit ihrer Meinung und ihren Stimmen konkret gemobbt und benachteiligt fühlen.

Erst im Fall von Koalitionen beispielsweise mit Union oder FDP herrschte wirkliche demokratische Teilhabe. Durch negative Verallgemeinerung, Ausschließeritis, Nazikeule und Diabolisierung wird einem Teil unserer Gesellschaft immer wieder bestätigt, dass die Etablierten mit ihrer Arroganz der Macht eine echte offene Demokratie vorsätzlich verhindern wollen.

Es wird deutlich gezeigt, dass diese Menschen nicht mitmachen sollen und dürfen.

Für mich immer wieder unglaublich, dass der AfD im Bundestag kein Bundestagsvizepräsidentschaftsposten zugestanden wird. Fair ist das nicht. Es ist konkret unfair. Es wurde 2017 sogar extra geändert, wer Alterspräsident sein darf. Und das nur, um der AfD zu schaden.

Würde die AfD an der Machtausübung beteiligt werden, wie es die Demokratie ausdrücklich vorsieht, die Partei ist nicht verboten, könnte sich die aufgestaute Wut so vieler wegen Ungerechtigkeit und Ausschluss verringern.

Es käme zu einer entspannten, von echtem Mitmachen und Mitentscheiden entschärften und konstruktiveren Grundeinstellung zu Politik und Demokratie in Deutschland.

Jetzt rufen einige: „Hey, aber die AfD wird doch vom Verfassungsschutz beobachtet.“

Die Frankfurter Rundschau schreibt am 22.7.2010 in einer Überschrift:

´´Die Beobachtung der Linkspartei durch den Verfassungsschutz weckt Erinnerungen – es sind nicht die schönsten´´. Dort steht auch: „Wie damals bei den Grünen.“

Weiter geht es in der FR – und ich finde es sehr wichtig, sich das heute zu vergegenwärtigen:

„Dass Ströbele, ein ausgewiesener Linksausleger seiner Partei, Bodo Ramelow und die Seinen unterstützt, ist zwar nicht wirklich überraschend. Am Donnerstag aber – und das ist schon unerwartet – stellten sich sogar politische Konkurrenten hinter die Linke, die sonst ganz andere Standpunkte wählen. So forderte etwa der Parlamentarische Geschäftsführer der Grünen, Volker Beck, klipp und klar: „Der Verfassungsschutz muss die Beobachtung der Linkspartei einstellen.“ Vor dem Hintergrund leerer Staatskassen sei es „absurd“, Geheimdienstler mit dem Ausschneiden von Zeitungsartikeln zu beschäftigen.“

Also: Der Verfassungsschutz beobachtete immer mal wieder relevante Politiker. Und manche sitzen heute in hohen Machtpositionen. Beispielsweise die Grünen oder Bodo Ramelow, der MP von Thüringen. Für mich ein unerträglicher Politiker, aber das tut hier überhaupt nichts zur Sache.

Echte Demokratie lebt vom Mitmachen. Das kann doch ernsthaft niemand bezweifeln. Wird dieses Mitmachen strategisch bis verschlagen verhindert, ist das für mich kein demokratisches Verhalten mehr. Wollen wir ernsthaft daran arbeiten, unser Zusammenleben zu entschärfen und Polarisierung abzubauen, dann liegt auf der Hand, was getan werden muss.

Die gewählten Volksvertreter müssen zwingend eingebunden werden, anders verkommt unsere Demokratie zu einer Teil-Demokratie der Etablierten. Die Öffentlich-Rechtlichen spielen hier übrigens eine große Rolle im Diffamieren der AfD. Ein vermeintlicher „Satiriker“, Jan Böhmermann, dessen Vertrag beim ZDF gerade wieder verlängert wurde, beschimpft die AfD und ihre Wähler auch in seiner jüngsten Sendung bei den Öffentlich-Rechtlichen auf das Übelste.

Wenn wir uns wirklich einig sind, dass wir keine amerikanischen Verhältnisse einer vollendeten Polarisierung anstreben, müssen wir endlich wieder lernen, aufeinander zuzugehen.

Ich würde mich freuen, wenn sich die Merz-Union für Koalitionen mit der AfD offen zeigen würde. Das wäre ein richtig toller Demokratie-Schub für unser schönes Deutschland. Das wäre ein Zeichen des demokratisch-konstruktiven Friedenswillens.

Aber wie unmöglich ist diese Idee mittlerweile schon geworden? Was meinen Sie?

(Quelle: privat)

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