Elon Musk spult seine Twitter-Enthüllungen ab, wie ein gut geöltes Uhrwerk

Die Twitter-Files 16: Das Versagen der Vierten Gewalt und die Aufgabe der Kontrollfunktion

von Tara Grimm (Kommentare: 8)

Wer dachte, Elon Musk sei mit seinen Enthüllungen bereits am Ende, dürfte definitiv eines Besseren belehrt werden© Quelle: Pixabay / geralt

Elon Musk spult seine Twitter-Enthüllungen ab, wie ein gut geöltes Uhrwerk: Die Mühlen der Gerechtigkeit mögen nicht die schnellsten sein, aber sie mahlen — unbeeindruckt sowohl von allgemeinen Erwartungen als auch von potenziellen Hindernissen.

"Die Fake-News-Medien sind der wahre Feind der Menschen."  Dieses im Jahr 2018 erstmals getroffene und seitdem mehrfach wiederholte Statement stammt vom "Orange man bad", also vom "Bösen Orangefarbenen Mann". Dabei handelt es sich um einen der Comic-Kultur entlehnten Namen, welcher Donald J. Trump von seinen Unterstützern verliehen wurde und der darauf abzielt, die vermeintlich ebenso gesteuerte wie substanzlose Diffamierung des 45. US-Präsidenten durch die Mainstreammedien plakativ auf die Spitze zu treiben.

In einem aus journalistischer Sicht zumindest bemerkenswerten Artikel aus dem Jahr 2016 identifizierte die "Welt"  Donald J. Trump als einen der "Populisten und Diktatoren", die "zu auffallendem Aussehen [neigen], besonders was das Kopfhaar anbelangt".

Dass dieser Rechtspopulist, der es wagte, sein Land an die erste Stelle seiner politischen Strategie zu setzen, die von ihm verkündete Haltung gegenüber den Mainstreammedien mit strikter Ignoranz derselben untermauerte, bestätigte CNN im Jahr 2021 mit der Meldung, Präsident Trump habe vier Jahre lang "die traditionellen Medien umgangen und seine Botschaften direkt an Millionen von Menschen geschickt", indem er die Sozialen Medien nutzte.

Ist Donald J. Trump nun ein "gestörter Narzisst", wie ihn der "Spiegel" 2017 bezeichnete oder steckt hinter seiner Einschätzung der Medien womöglich mehr Scharfsinn als diesen lieb sein mag?

Rein theoretisch bestreiten die systemtragenden Nachrichtenagenturen nicht einmal in Zeiten wie diesen ihre für eine funktionierende Demokratie fundamentale Aufgabe als "Vierte Gewalt", die laut Wikipedia https://de.wikipedia.org/wiki/Vierte_Gewalt "mittels wahrhaftiger Berichterstattung und Vermittlung der öffentlichen Meinung eine Kontrollfunktion über die drei Staatsgewalten  Legislative, Exekutive und Judikative [ausübt], um Machtmissbrauch zu verhindern."

Doch wie sieht es in der Praxis aus?

Dieser Frage will Matt Taibbi mit dem in der Nacht zum Sonntag veröffentlichten 16. Teil der Twitter-Files auf den Grund gehen. Unter der Überschrift "Comic-Einlage: Ein Medienexperiment"  hat Taibbi einen Feldversuch gestartet, bei dem es um die gleichermaßen simple wie entscheidende Frage geht, wie objektiv die Öffentlichkeit eigentlich durch die Mainstreammedien informiert wird.

Taibbi beginnt seinen 17teiligen Thread mit einer Zusammenfassung der bisherigen Enthüllungen aus dem Hause Musk:

"Die Twitter-Files haben eine Menge ans Licht gebracht: Tausende von Moderationsanfragen von allen Seiten der Regierung, Bundesbehörden, die sowohl Konservative als auch Linke mit fiktiven Russen in die Irre geführt haben, und sogar die schriftliche Entscheidung von Twitter, die Hoheit über die Inhaltsmoderation an die 'US-Geheimdienstgemeinschaft' abzugeben."


Er belegt dies ein weiteres Mal mit einem Dokument aus den Tiefen des Twitter-Hauptquartiers, in dem es heißt:

"Interne Anweisung: Jeder Nutzer, der von der US-Geheimdienstgemeinschaft als staatlich finanzierte Einheit oder mit den Operationen einer solchen Einheit in Verbindung stehend identifiziert wurde, welche Cyber-Operationen gegen Ziele ausführen, die mit den Wahlen in den USA oder anderswo verknüpft sind, sollten keine Werbung auf Twitter schalten dürfen."

All diese Enthüllungen, beklagt Taibbi unter Punkt 3, hätten in den letzten zwei Monaten jedoch zu "Null Berichterstattung" in den Medien geführt.

Das änderte sich, so Taibbi unter Punkt 4, als während der Anhörungen vor dem US-Kongress in der vergangenen Woche ein Zeuge "eine Story darüber erzählte, wie Donald Trump forderte, einen gemeinen Tweet von Chrissy Teigen [zu entfernen]." Die Presse, u.a. The Hill, MSNBC und BuzzFeed, sei wegen dieser "wichtigen Meldung ausgeflippt".

Wenn der Umstand, dass sich ein Präsident über einen Tweeter aufregt, eine berichtenswerte Neuigkeit darstellt, fragt Taibbi unter Punkt 6, trifft dies dann auch auf die Tatsache zu, dass ein US-Senator mehr als 300 seiner Wähler bespitzelt hat?

Worauf Taibbi sich hier bezieht, sind die Aufforderungen zur Löschung von Accounts durch den ehemaligen Gouverneur des Bundesstaates Maine sowie derzeitigen US-Senator Angus King, der, laut einer veröffentlichten Mail, von seinem Kampagnendirektor eine Liste von 354 "verdächtigen" Accounts an Twitter senden ließ. Unter den Begründungen für die übermittelten Anfragen befanden sich Aussagen wie "Begeisterung über den Besuch von Rand Paul", "ein Bot (ungefähr 20 Tweets pro Tag)" oder auch "erwähnt Zuwanderung". Hätte Richard Nixon Klebstoff geschnüffelt, wäre dies womöglich die Liste seiner Feinde gewesen, merkt Taibbi unter Punkt 8 an und verlinkt die Aufstellung der betroffenen Accounts.

Allerdings besteht der Sumpf in Washington D.C. keineswegs nur aus den US-Demokraten, wie die MAGA-Fraktion der Republikaner nicht müde wird zu betonen. Die sogenannte "Uniparty", also die "Einheitspartei", welche für die politischen Entscheidungen in Washington verantwortlich zeichnet, vereint sowohl Demokraten als auch RINOs. Mit anderen Worten all jene, die, wie Taibbi es unter Punkt 9 benennt, "eine Fraktion mit den Demokraten" bilden.

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Insofern ist es keine Überraschung, dass beispielsweise der Republikaner Mark Lenzi, ein Beamter im US-Außenministerium, der dafür berühmt wurde, der Wissenschaft sein Gehirn angeboten zu haben, nachdem er während seiner Abordnung nach China von dem "mysteriösen Havanna-Syndrom" betroffen gewesen war, sich im Jahr 2020 an Twitter wandte, um "unverblümt die Löschung von 14 Accounts zu fordern." Unter Punkt 10 zitiert Taibbi aus einer entsprechenden Mail: "Unten angeführt sind einige von den Russen kontrollierte Accounts, von denen ich denke, dass Sie diese begutachten und löschen wollen."

Mit Punkt 11 fasst Taibbi noch einmal zusammen, was angesichts sowohl der Masse an Enthüllungen bezüglich der Einflussnahme von Regierungsbehörden und -beamten als auch der permanenten Leugnung einer solchen durch die ehemaligen Twitter-Manager vor dem Untersuchungsausschuss des US-Kongresses in der öffentlichen Wahrnehmung einem gewissen Abnutzungseffekt unterliegen könnte:

"Ein Regierungsbeamter schreibt aus dem Außenministerium eine Mail, in der er die "Löschung" von 14 Accounts fordert, welche ihre rechtmäßige Redefreiheit nutzen und für die keinerlei Beweise vorgelegt wurden, dass sie von Russland kontrolliert oder Bots wären (...). Ein eindeutiges Problem mit dem Ersten Verfassungszusatz."

Dass die Mainstreammedien diese wiederholten Verletzungen der Rede- und Meinungsfreiheit und damit der US-amerikanischen Verfassung offenbar grundsätzlich ignorieren, beleuchtet Taibbi mit der erneuten Offenlegung einer internen Mail, in der es um die Forderungen nach Account-Löschungen durch den demokratischen Abgeordneten Adam Schiff aus dem Jahr 2020 geht, der als damaliger Vorsitzender des Geheimdienstausschusses des US-Repräsentantenhauses die Untersuchungen zum Amtsenthebungsverfahren gegen Präsident Trump wegen der angeblichen Ukraine-Affäre leitete. In dem unter Punkt 12 veröffentlichten Dokument heißt es:

"Suspendieren Sie die vielen Accounts, unter anderem die von Greg Rubini und Paul Sperry, welche wiederholt falsche QAnon-Verschwörungstheorien verbreitet und (geschwärzt) bedroht haben. (...) Unterdrücken Sie alle Suchergebnisse zu (geschwärzt) und anderen Komitee-Mitarbeitern (...). Stoppen Sie die Verbreitung künftiger Missinformation auf Twitter über (geschwärzt) und andere Komitee-Mitarbeiter, die keine Personen des Öffentlichen Lebens sind und keine zentralen Figuren in der Untersuchung zum Amtsenthebungsverfahren beziehungsweise in den Präsidentschaftswahlen 2020 waren. (...) Markieren Sie und verringern Sie die Sichtbarkeit von jeglichen Inhalten, die Twitter nicht wegen der oben genannten Gründe entfernt. (...)"

Der Fakt, dass die Mainstreammedien die Schiff-Story ignorieren, bei Chrissy Teigen jedoch laut aufgeschrien hätten, zeigt laut Taibbi deren wahre Natur. Reaktionen wie diese, schreibt er unter Punkt 13, seien dazu gedacht, das von blauen Häkchen angeführte Publikum in idiotische, parteiische Streitigkeiten zu lenken, während die Narrative eines größeren Bildes verschleiert würden.

Und es gibt noch einen weiteren Aspekt, der von Taibbi zwar nicht thematisiert wird, an dieser Stelle der Vollständigkeit halber jedoch Erwähnung finden soll.
Bei Chrissy Teigen, deren Tweet Präsident Trump im Jahr 2019 auf Grund des verwendeten Vokabulars forderte, auf Übereinstimmung mit den Twitter-Richtlinien zu überprüfen, handelt es sich um die Ehefrau des erfolgreichen Sängers und Oscarpreisträgers John Legend. 2021 gerieten er und seine Ehefrau in die Schlagzeilen, weil sie Gäste der pompösen und vor allem maskenfreien Geburtstagsparty von Barack Obama auf Martha's Vineyard gewesen waren, und das, nachdem sich Legend mehrfach gegen die "nachlässige Handhabung der Pandemie" durch den damaligen Präsidenten Trump  ausgesprochen hatte.

Darüber hinaus hat sich Legend erst kürzlich für ein Pfizer-Werbevideo zur Verfügung gestellt, in welchem er erklärt, dass er und seine Familie den C-19-Booster erhalten hätten, weil die Gesundheit an oberster Stelle stünde. Der Tweet, der ausschließlich von Pfizer-Followern kommentiert werden kann, verzeichnet zum jetzigen Zeitpunkt (20. Februar, 2.57 Uhr) bei 17,4 Millionen Aufrufen aussagekräftige 961 Likes.

Auch seine Frau Chrissy Teigen hatte in der Vergangenheit bereits häufiger mit Problemen auf Twitter zu kämpfen. So löschte sie https://edition.cnn.coim März 2021 ihren Account mit über 13 Millionen Followern, nachdem sie von Usern über mehrere Monate hinweg beschuldigt worden war, Teil des pädophilen Netzwerks von Jeffrey Epstein gewesen zu sein.

Ebenfalls durchaus bemerkenswert mag für den einen oder anderen die Antwort auf eine Frage sein, die dem Ehepaar im Jahr 2015 auf dem Roten Teppich der Grammy-Preisverleihung gestellt wurde. Auf den ungewöhnlichsten Ort angesprochen, an dem sie jemals Sex gehabt hätten, erwähnte Teigen mit freimütiger Offenherzigkeit die Obamas, was Legend, dem die Plauderei seiner Frau augenscheinlich unangenehm war, mit der Aussage zu relativieren versuchte, es "habe nicht im Weißen Haus stattgefunden", Obama "sei noch nicht gewählt gewesen" und man würde "darüber nicht reden".

Sind derartige intime Geheimnisse auf der globalen Bühne von Bedeutung? Vielleicht ja, vielleicht nein.

Doch zurück zu den Twitter-Files. Unter Punkt 15 kündigt Taibbi an, dass ab März weitere Berichte darüber geplant sind, wie und mit welch desaströsen Effekten die Amerikaner mit Hilfe von wenig bekannten Organisationen, wie beispielsweise dem Global Engagement Center (GEC), zum Ziel ihrer eigenen Anti-Terror-Maschinerie wurden.

Wer also dachte, Elon Musk sei mit seinen Enthüllungen bereits am Ende, dürfte definitiv eines Besseren belehrt werden. Bis dahin ermutigt Matt Taibbi diejenigen Twitter-User, sich mit ihm in Verbindung zu setzen, welche sich auf der Liste von Senator Angus King befinden. Und er fordert die Mainstreammedien mit der Frage heraus, ob sie angesichts der neuen Fakten endlich mit einer angemessenen Berichterstattung beginnen.

Werden sie das tun? Da sich die Welt mitten in einem Informationskrieg befindet, lautet die Antwort mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit 'Nein'. Was für die weitere Wahrheitsfindung letztlich keine allzu große Rolle spielt, da der Einfluss der Systemmedien quasi täglich abnimmt. Wie eine kürzlich durchgeführte, von CNN als "alarmierend" bezeichnete Umfrage  zeigt, glaubt inzwischen die Hälfte der Amerikaner, dass die Nachrichtenportale beabsichtigen, die Öffentlichkeit mit ihrer Berichterstattung in die Irre zu führen.  

Die eigentliche Story, welche durch die Twitter-Files hervorgetreten ist, handelt, laut Taibbi, von der aufgeblasenen bundesstaatlichen Zensur-Bürokratie, die nicht auf die Linke oder die Rechte per se abziele, sondern auf die gesamte Bevölkerungsschicht von Abweichlern, welche systematisch als Bedrohung definiert würden.

Dies ist eine Problematik, die offenkundig nicht auf die USA beschränkt ist. Überall auf der Welt ist dieser Prozess der "Weaponization of Government" zu beobachten, bei dem die Macht der Regierung und ihrer Behörden mit zunehmender Aggressivität gegen die eigene Bevölkerung eingesetzt wird.

Insofern ist die Aufklärungsarbeit, die nun in den USA begonnen wurde, ein hoffnungsvolles und richtungsweisendes Signal für die gesamte Menschheitsfamilie. Die Mühlen der Gerechtigkeit mögen nicht die schnellsten sein, aber sie mahlen — unbeeindruckt sowohl von allgemeinen Erwartungen als auch von potenziellen Hindernissen.

Unsere bisherigen Berichte über die Twitter-Files

„Laptop from Hell" – Elon Musk öffnete gestern die Büchse der Pandora
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Die Twitter-Files 16: Das Versagen der vierten Gewalt und die Aufgabe der Kontrollfunktion
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