Handtuchmangel in Oranienburg

Ein Abend mit Nena: Die Löwin war los

von Bertolt Willison (Kommentare: 3)

War Nena eigentlich schon mal in Wacken?© Quelle: Privat

Während sich im benachbarten Berlin die Hetzjagd auf eine Raubkatze gerade als Rohrkrepierer erwiesen hatte, trat in Oranienburg eine wahre Löwin auf die Bühne.

Seit Anfang der 80er Jahre ist Nena im Geschäft, ihren ersten Erfolg hatte sie 1982 mit „Nur geträumt“. Der Antikriegssong „99 Luftballons“, ihr größter Erfolg, feiert in diesem Jahr bereits sein 40-jähriges Jubiläum.

Rost angesetzt haben die unzähligen Hits von Nena nicht, das wird an diesem Abend im ausverkauften Innenhof des Oranienburger Stadtschlosses deutlich. Und schon gar nicht Nena selbst.

In fulminantem Tempo jagt die 63-Jährige wie ein tanzender Derwisch durch ihr Programm, anfänglich gestoppt vom kurz vor Konzertbeginn einsetzenden Regenguss, der das Toben auf der Bühne zu einer gefährlichen Rutschpartie werden lässt. Aber da legt Nena einfach zusammen mit ihren Leuten flugs selbst Hand an und feudelt das Wasser weg. Handtuchmangel in Oranienburg.

Die Statur der Sängerin, kombiniert mit ihrer mädchenhaften Stimme, suggerieren im ersten Moment eine Zerbrechlichkeit, die sich ganz schnell als Fehleinschätzung erweist. Da ist so viel Energie und Kraft, so viel Durchsetzungsfähigkeit und so viel Rock’n Roll.

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Neun Musiker stehen gemeinsam mit Nena auf der Bühne, darunter einige Familienmitglieder. Die Löwin hält ihre Herde zusammen.

Selbst für den eingefleischten Fan ist es immer wieder eine Überraschung, mit welcher Experimentierfreude Nena in vier Jahrzehnten ihre Musik veröffentlicht hat.

Ihre Hits kennt jeder, auch wenn es nicht alle zugeben mögen. Nena ist irgendwie Schlager, obwohl selbst „99 Luftballons“ dieses Etikett nicht wirklich verdient. Heute spielt sie ihre Rolle eher im Rock, mal laut, mal nachdenklich. Und längst ist sie der Neuen Deutsche Welle enteilt.

Während die Musikerin immer noch vor tausenden Fans auftritt, fressen andere NDW-Helden ihr Gnadenbrot als One-Hit-Wunder auf irgendwelchen Nächten der 80er, im besten Fall in Ehren ergraut, im schlimmsten Fall stimmlich und optisch nicht wiedererkennbare Ritter von trauriger Gestalt.

Ihre Fans lieben Nena. Auch, weil sie an diesem Abend nicht nur ihre alten Hits frisch und rockig bringt, sondern diese immer wieder mit Neuem, nicht allen Bekanntem vermischt. Und weil sie ihr Publikum von Anfang an umarmt, mit Herzlichkeit und mit Liebe.

„Zusammen“ heißt eines ihrer Lieder. Wir sind alle zusammen. Nur zusammen sind wir stark. Wir sind alle zusammen in dieser Zeit. Lasst uns diese nicht verschwenden. Liebt Euch alle. Ihre Botschaft ist einfach und doch so stark. Wer könnte sie dafür nicht lieben?

War Nena eigentlich schon mal in Wacken? Die robuste Lederkutten- und Jeansjackencrowd dort würde sie mit dieser druckvollen Performance und einer solch starken Band im Rücken nicht von der Bühne buhen – ganz sicher nicht. Sondern wäre erstaunt, was für eine authentische und sendungsbewusste Künstlerin Nena ist.

Ein schöner Abend geht zu Ende. Die Abendsonne hat die weißen Gemäuer des Schlosses in Oranienburg doch noch mal warm angeleuchtet. Lichtgestalt Nena winkt ihren glücklichen Fans zu und verabschiedet sich.

Kein Wort während des Konzertes von ihr über all das, was Nena und uns in den letzten drei Jahren bewegte und manchen von uns mit ihr noch enger verbunden hat. Das war auch nicht wichtig an diesem Abend: Nenas Menschen verbindende Aura wirkt, ohne dass alles direkt ausgesprochen werden muss.

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