Von Corinne Henker
Noch vor wenigen Tagen hätte ich darauf gewettet, dass mit den Stimmen der CDU/CSU-Fraktion zwei radikale, demokratieverachtende Richterinnen ins Bundesverfassungsgericht gewählt werden - doch es kam anders: die vorgesehene Wahl der drei neuen Richter für das Bundesverfassungsgericht wurde verschoben.
Offizieller Grund waren Plagiatsvorwürfe gegen die Kandidatin Frauke Brosius-Gersdorf. Dabei ist für jeden halbwegs informierten Beobachter offensichtlich, dass dieser Grund nur vorgeschoben ist. Darauf verweist ausgerechnet der „Plagiatsjäger“ Stefan Weber selbst. Er stellte fest, dass es auffällig viele Übereinstimmungen in den Dissertationen von Frauke Brosius-Gersdorf und ihrem Ehemann Hubertus Gersdorf gibt. Doch das bedeutet nicht zwingend, dass Frau Brosius-Gersdorf von ihrem Ehemann abgeschrieben hat: es könnte auch sein, dass dieser von ihr kopiert hat - oder dass es eine Art (nicht deklarierte) Gemeinschaftsarbeit war, was allerdings auch problematisch wäre.
Zum anderen weist Weber darauf hin, dass die CDU „seit Jahren selbst ein massives Plagiatsproblem hat“ - unter anderem bei ihrem Thüringer Ministerpräsidenten Mario Voigt.
Der wahre Grund für den Rückzieher der Unionsspitze dürfte die Kritik aus den eigenen Reihen insbesondere an der Personalie Frauke Brosius-Gersdorf gewesen sein: es hieß, dass ihr etwa 60 Abgeordnete der Fraktion ihre Stimme verweigern könnten. Wichtigster Kritikpunkt war Brosius-Gersdorfs Einstellung zum Schwangerschaftsabbruch, der kaum mit den Grundpfeilern christlicher Moral vereinbar ist.
Nach Brosius-Gersdorf beginnt die Menschenwürde erst mit der Geburt, vorher gehört man nur zur „Spezies Mensch“. Wie Alexander Wallasch richtig feststellte, forderte sie allerdings nie das Recht auf Abtreibung bis zur Geburt - wie es nicht nur Beatrix von Storch implizierte.
Persönlich halte ich das geltende Recht beim Thema Schwangerschaftsabbruch für einen guten Kompromiss. Diese Auffassung vertrat übrigens auch Friedrich Merz im November 2024. Allerdings habe ich ein Problem damit, wenn man meint, die Menschenwürde stünde nicht jedem Angehörigen der „Spezies Mensch“ gleichermaßen zu, insbesondere dann, wenn diese Rechtsauffassung von Frau Brosius-Gersdorf kommt.
Diese fiel schon in der Vergangenheit durch radikale Aussagen auf. So dachte sie 2021 gemeinsam mit ihrem Ehemann öffentlich darüber nach, „ob mittlerweile eine verfassungsrechtliche Pflicht zur Einführung einer Impfpflicht besteht“.
2024 plädierte sie bei Markus Lanz für ein Verbotsverfahren gegen die AfD und bedauerte, dass dadurch „natürlich nicht die Anhängerschaft beseitigt“ sei. Nach jahrzehntelangen Erfahrungen mit Radikalen sollte inzwischen bekannt sein, diese niemals aufhören, wenn sie ein Etappenziel erreicht haben, sondern immer weiter voranschreiten.
Man kann sich also ausmalen, wem man nach den Ungeborenen als nächstes die Menschenwürde aberkennen könnte: die Ungeimpften waren ja bereits im Visier, als nächstes dann vielleicht „Klima-Leugner“, „Islamophobe“ oder „TERF“, die biologistisch-dogmatisch darauf bestehen, dass es nur zwei Geschlechter gibt? Bei aller Aufregung um Frauke Brosius-Gersdorf wird leider oft übersehen, dass die zweite von der SPD vorgeschlagene Kandidatin für ein Richteramt beim Bundesverfassungsgericht, Ann-Katrin Kaufhold, nicht weniger radikal ist.
Bezogen auf ihr Lieblingsprojekt, die „Klimarettung“ schreibt sie:
„Wenn wir über eine gesamtgesellschaftliche Transformation sprechen, und die braucht es, dann müssen wir an allen Stellschrauben drehen.“
In ihren Augen stellen demokratisch gewählte Parlamente diesbezüglich ein Problem dar, da sie wegen des Wunsches nach Wiederwahl nicht bereit seien, „unpopuläre Maßnahmen“ zu unterstützen. In Gerichten und Zentralbanken sieht sie „unabhängige“ Institutionen, die besser geeignet seien entsprechende
Maßnahmen „anzuordnen“.
Immerhin erkennt sie an, dass auch ein Verfassungsgericht nicht dauerhaft gegen die Mehrheitsmeinung agieren kann - und erwartet deshalb Unterstützung ihrer Klimaziele unter anderem durch den Finanzsektor.
Mit der Wahl dieser beiden Damen ins Bundesverfassungsgericht wäre man also einen gewaltigen Schritt auf dem Weg in die Ökodiktatur vorangekommen. Ihre (vorläufige) Nichtwahl ist somit ein kleiner Etappensieg für jeden freiheitsliebenden Menschen in unserem Land - und es ist eine Niederlage für „unsere Demokratie“: SED-Linke, Grüne, SPD und die angegrünten Teile von CDU/CSU.
Vor allem aber ist es eine weitere persönliche Niederlage für Friedrich Merz. Dessen politische Karriere fing recht vielversprechend an: 1980 Vorsitzender der Jungen Union, 1989 Einzug ins EU-Parlament, ab 1994 ein Direktmandat im Bundestag. Damals vertrat er durchaus vernünftige Ansichten in der Migrations- und Wirtschaftspolitik. Allerdings fehlte ihm schon damals der Wille und die Fähigkeit, diese auch konsequent gegen Widerstände umzusetzen.
So verlor er den parteiinternen Machtkampf gegen Angela Merkel, zog sich 2009 aus der Politik zurück und betätigte sich danach erfolgreich in der Finanzwirtschaft, unter anderem als Aufsichtsratsvorsitz von BlackRock Asset Management Deutschland 2016 bis 2020.
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Nachdem seine Erzfeindin Merkel 2018 ihren Rückzug vom CDU-Parteivorsitz angekündigt hatte, trat Merz wieder an - und verlor gegen Annegret Kramp-Karrenbauer. Beim zweiten Versuch im Januar 2021 unterlag Merz gegen Armin Laschet. Erst nachdem die Bundestagswahl verloren war und der CDU das Personal ausging, gewann Merz im Dezember 2021 schließlich die Wahl zum Parteivorsitzenden. Anfang 2022 wurde er zum Fraktionsvorsitzenden und im September 2024 zum Kanzlerkandidaten der Unionsparteien.
Trotz verheerender Ampelpolitik und krachender Wahlniederlage von SPD, FDP und Grünen konnte Friedrich Merz als Oppositionsführer noch nicht einmal 30 Prozent der Wähler überzeugen. So reichte es am 6. Mai 2025 gerade so zum Kanzler zweiter Wahl von Klingbeils Gnaden.
Es folgten ein konsequenter Bruch aller CDU-Wahlversprechen und eine weitestgehende Fortsetzung der Ampel-Politik mit anderem Personal. Die ersten Monate der Kanzlerschaft offenbarten drei wesentliche Züge der Politik von Friedrich Merz: eine maßlose Machtgier unter Missachtung des Wählerwillens (als Konsequenz gekränkter Eitelkeit vergangener Zeiten?), Profilierungssucht in der Außenpolitik und ein unbändiger Hass auf die AfD.
Vor diesem Hintergrund erscheint Merz’ Wahlempfehlung für Brosius-Gersdorf und Kaufhold nur logisch. Neben dem Beifall des linksgrünen Mainstreams hätte sich so auch der Weg für ein AfD-Verbot geebnet.
Merz ist intelligent genug, um zu erkennen, dass das lächerliche Verfassungsschutz-Gutachten auf Geheiß von Frau Faeser vor einem halbwegs neutralem Gericht für ein Verbotsverfahren nicht ausreichen würde - und sprach sich deshalb öffentlich halbherzig dagegen aus. Aber offensichtlich erkannte er ebenso wie Frau Kaufhold (und vorher Frau Merkel mit Herrn Harbarth, dass sich unpopuläre Entscheidungen durchaus über Gerichte durchsetzen lassen -
wenn diese entsprechend besetzt sind.
Die vorläufige Nichtwahl der neuen Verfassungsrichterwar vor allem ein Sieg für die AfD. Er bewies, dass die AfD durchaus etwas bewirken kann und Wahlen demzufolge nicht sinnlos sind.
Vor allem waren es zwei AfD-Frauen, die Merz, Klingbeil und die vereinigte Linke in die Knie zwangen. Den ersten Treffer versenkte Alice Weidel in ihrer Rede bei der Generaldebatte zum Bundeshaushalt am 9. Juli. Nachdem sie die gebrochenen Wahlversprechen und das Generalversagen der aktuellen Regierung detailliert geschildert hatte, fragte sie die CDU/CSU-Fraktion: „Haben Sie eigentlich im letzten Winter dafür Wahlkampf gemacht?“
Sie erntete betretenes Schweigen und vermutlich auch kritisches Nachdenken bei den Angesprochenen (Minute 16:30).
Beatrix von Storch lockte Merz dann endgültig in die Falle mit ihrer polemisierenden und überspitzten Interpretation von Frauke Brosius-Gersdorfs Aussagen und ihrer Frage an Merz, ob er es mit seinem Gewissen vereinbaren könne, eine Abtreibungsbefürworterin zur Verfassungsrichterin zu wählen. Statt von Storch sachlich zu antworten und auf ihre argumentativen Defizite einzugehen, lieferte Merz zunächst einen undifferenzierten persönlichen Angriff und anschließend eine weitere Demonstration seiner Arroganz mit einem eindeutigen „Ja“ zu Brosius-Gersdorf.
Das war dann selbst für die sonst so Zeitgeist-orientierten Kirchenvertreter zu viel. Schließlich war der heutige Tag auch ein Sieg für CDU und CSU - oder zumindest für die etwa 60 (von 208) Abgeordneten, die demonstrierten, dass in dieser Fraktion nicht ausschließlich willenlose Zombies sitzen, deren einzige Bestimmung darin besteht, die Wünsche ihres Kanzlers abzusegnen.
Natürlich sollte man das Ganze nicht überbewerten. Aber die Reaktionen der vereinigten Linken zeigen, dass sie doch empfindlich getroffen wurde - und das ist gut für die Demokratie in unserem Land (also die echte, nicht „unsere Demokratie“). Zwar beharrt die SPD auf ihren radikalen Kandidatinnen und erwartet, „dass die Mehrheit steht“ und auch Merz und sein Gefolge werden alles tun, um die Abweichler doch noch auf Linie zu bringen.
Vielleicht wird ihnen das gelingen und die endgültige Politisierung und Radikalisierung des Verfassungsgerichts ist nur kurz vertagt. Vielleicht ist die heutige Niederlage des linken Blocks aber auch der Anfang von dessen Ende.
Die CDU/CSU-Abweichler dürften die Basis hinter sich haben, denn diese fragt sich tatsächlich, warum sie sich im Wahlkampf engagiert hat, wenn ihr CDU-Kanzler dann doch nahtlos an die Ampelpolitik anknüpft.
Schon die Kommunalwahlen in NRW im September könnten eine erste unerfreuliche Abrechnung werden. Die nächsten Wochen und Monate werden spannend. Und wir sind nicht zur Untätigkeit verdammt, sondern können unsere lokalen CDU/CSU-Abgeordneten dabei unterstützen, auch beim nächsten Anlauf die richtige Entscheidung zu treffen.
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Kommentar von Carl Peter
Eigentlich zeigt sich in dieser breiten Diskussion auch der Unterschied von Evolutions-Vor- und Nachteilen der "Eigeburt" und der "Lebendgeburt", um vereinfachend erstmal nur diese beiden Reifungen zum Lebendigen zuzulassen.
Abgesehen von allen medizinischen und sonstigen Einwänden gegen diese Begrifflichkeiten, möchte ich mich da allein auf den Verortungsbereich einer heranreifenden Spezies "Mensch" beschränken - eine Eigeburt erschiene mir also schon rein örtlich unsicherer zu sein, als die meist örtlich etwas geschütztere Reifung bei der Lebendgeburt.
Der Mensch als Frühstücksei wäre da ein möglicher, aber nicht von der Hand zu weisender kannabalistischer Gedanke, den allgemeinen Würdebereich des Lebendigen noch weiter im Sinne einer Leibeigenschaft einzugrenzen - das Eierlaufen-Spiel enthielte zudem die lustige Komponente der Abtreibung des Überflüssigen.
Wie schnell man weltweit bereit war und ist, über den Wert des menschlichen Lebens und dessen Würde zu entscheiden, erlebe ich nicht erst seit den letzten fünf Jahren.
Frei geboren - welch absurdes Ideal, aber als Naturfilm war das damals eine herzerwärmende Geschichte.
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Kommentar von Marcus Thiemann
Es gibt Fragen, die Menschen nicht für andere beantworten können: Wann beginnt das Leben und ab wann ist es schützenswert. Weil das so ist, verdient es bedingungslosen Schutz.