„Ich hab' 'nen Puff und meine Puffmama heißt Layla - Sie ist schöner, jünger, geiler - La-la-la-la-la-la-la-Layla"

„Hast Du eine Frau zuhause?“

von Jan-Heie Erchinger (Kommentare: 1)

Kolumnist Jan-Heie Erchinger spannt heute den Bogen vom Zivildienst in den 1980ern bis zum Prostitutionsdilemma und Jugendlichen, die ihre Hände auf Straßen betonieren.© Quelle: Pixabay / Kaffee

Als junger Zivi arbeitete ich nach dem Abitur 1986 zwanzig Monate bei der Lebenshilfe in Braunschweig. Die begehrten Fahrer-Jobs waren besetzt, ich wurde der Töpferei in der Ludwigstraße zugeteilt.

Die Arbeitszeit war wochentags von 7.15 Uhr bis 15.15 Uhr, ich konnte zuhause übernachten. Diese knapp zwei Jahre gingen für mein Empfinden allerdings nicht einfach 'schnell' herum. Rückblickend habe ich viel gelernt, auch über mich selber.

Ich habe heute großen Respekt vor Menschen, die sich täglich um wirklich Benachteiligte kümmern. Das Lebenshilfe-Konzept, auch vermeintlich weniger Leistungsfähige im Job zu integrieren und mit ihnen echte Aufträge abzuarbeiten, in echter Arbeitszeit mit echtem Urlaub und dem echten Beantragen von Urlaub, gefällt mir gut.

Es ist eine menschlich vollendete Würdigung von etwas Normalem, was man hier jedem Mitarbeiter geben will, einer echten Normalität. Dass sicher auch bei der Lebenshilfe immer wieder mal Reformbedarf bestehen mag, wie bei all unseren Strukturen und Betrieben, ist trivial wahr.

Ich freute mich als Zivi immer besonders auf Freitag, da gingen wir mit unserer Gruppe ins Gliesmaroder Schwimmbad und es war klar, dass das Wochenende ganz nah ist. Hier hatte ich schon Schulsport von der Neuen Oberschule aus; Schwimmbäder sind immer wieder ein Teil meiner Heimat.

Heute bin ich gegen einen Zwangsdienst. Wie auch bei diesem Thema, setze ich lieber auf freie Entscheidung als auf Anordnung.

Die Möglichkeit, ein freiwilliges Soziales Jahr zu machen, ist gut. In diesen Corona-Zeiten sollten wir den jungen Leuten nicht schon wieder eine Pflicht aufbürden, wie es jetzt vereinzelt aus der Politik gefordert wurde.

Ein Mitarbeiter der Lebenshilfe begrüßte uns Zivis morgendlich konsequent mit der immer aufrichtig interessiert gestellten Frage: „Hast Du eine Frau zuhause?“

Die Antwort hatte er am nächsten Tag entweder verdrängt oder vergessen oder auch überhaupt nicht vergessen, sondern es machte ihm vielleicht einfach Spaß und ihn irgendwie glücklich, zu fragen.

"Morgen Kollege, hast Du eine Frau zuhause?"

Meine damalige Freundin und heutige Frau heißt Claudia, sie zog in dieser Zeit auch wirklich bei mir ein – in eine kleine Souterrain-Wohnung in Mega-Lage. Was habe und hatte ich für ein Glück! Ich habe eine Frau zuhause. Konkret und wirklich, ja faktisch. Da können auch selbsternannte Faktenprüfer nicht viel dran ändern.

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Jeden Morgen kam immer wieder diese Frage.

Mir war schon aufgefallen und aufgestoßen, dass er die (eigene) Frau, die man zuhause hat oder eben nicht, als so eine Art Objekt oder Sache ansah. Das war jedenfalls meine Interpretation.

Ich sagte mir, er könne es schwer besser wissen, außerdem ist er massiv behindert und benachteiligt, ich antwortete immer freundlich und geduldig mit einem stolzen „Ja!“

Ich finde die Errungenschaften zur Gleichberechtigung in Deutschland heute wirklich beachtlich. Frauen wie Alice Schwarzer haben so viel bewegt und verbessert. Gerade gestern überflog ich einen „Ratgeber für die gute Ehefrau“ von 1954. Unfassbare Ansagen wie „...belasten sie ihren Mann nicht mit ihren Problemen, seine sind wichtiger…“.

Oder, dass Frau früher vom Mann ernsthaft eine Einwilligung zur Arbeit, eine konkrete Arbeitserlaubnis des Gatten brauchte. Oder, dass „Vergewaltigung in der Ehe“ bis 2004! lediglich ein Antrags-Delikt war, die Frau also konkret eine Anzeige machen musste, sonst passierte nichts.

Ja, ganz klar bestand auch gesetzlicher Handlungsbedarf.

Bezüglich Ungerechtigkeiten im Rotlicht-Millieu hat man sich lange nicht getraut, dieses Thema anzupacken. Mit dem „Prostituiertenschutzgesetz“ wollten manche Politikerinnen und Politiker die Gesamtsituation verbessern; bis heute gibt es viel Kritik daran.

Einige sagen sogar, dass es für viele Mädchen und Frauen sogar schlechter wurde. Eine klassische Verschlimmbesserung. Prostitution und das Leiden und Ausnutzen von vielen Frauen in diesem Bereich in Deutschland ist ein komplexes und trauriges Thema. Es wird oft verdrängt!

Ganz sicher aber verbessert man die Situation nicht, wenn man einen Layla-Song verbietet. Das ist Symbol-Politik und wirklich lächerlich. Bei Pop-Songs jetzt auch noch Korrektes durchsetzen zu wollen, entblößt übertriebene Regelwut.

Politiker sollten vielmehr ganz genau hingucken, was in diesem Milieu passiert. Wer hat dort Macht, wer hält dort die Zügel in der Hand, ist das für Frauen auch nur annähernd gerecht, könnte das überhaupt irgendwann annähernd real gerecht sein? Wie entzieht man dieses Gewerbe der Illegalität?

Sie sollten nicht die Augen verschließen und sich der Illusion hingeben, mit einem Bürokratie-Prostitutions-Gesetz hätte man hier schon Wunder bewirkt.

Wie sieht es mit dem Modell aus, welches den Nutzen sexueller Dienstleistungen problematisiert und nicht das Anbieten derselben?

Wie kann man realpolitisch gewährleisten, dass nicht eine Elite von Zuhältern 2.0 die Frauen ausbeutet und die Sex-Arbeiterinnen ihrerseits leiden, ausgenutzt werden und den Großteil des Geldes abgeben müssen?

Gerechtigkeit in diesem Bereich ist sicher schwer zu bekommen, trotzdem muss unsere Gesellschaft das Thema weiterhin ehrlich diskutieren, anstatt lächerlicherweise Ballermann-Songs verbieten zu wollen.

Meiner Meinung nach sollte Prostitution in Deutschland weiterhin erlaubt sein. Unser Land muss sich aber ehrlich machen. Ganz sicher ist der Status Quo oft massiv menschenverachtend.

Sollte, könnte es staatliche Bordelle geben, die das Ganze ins richtige Licht rücken? Könnten hier weibliche Beamtinnen Zimmer staatlich vermieten, damit gewährleistet ist, dass die Sexarbeiterinnen ihr Geld wirklich für sich verdienen und nicht den Klischee-AMG irgendeines Brutalos finanzieren?

Ein riesiger Struktur-Umsturz wäre das. Oder wäre das jetzt auch Regelwut, so ein offenkundiges Problem anpacken zu wollen? Wäre das moralisch überfrachtet? Schwierig. Ich gebe zu, ich weiß es einfach nicht.

Aber wir haben teilweise so drastische Probleme mit Ungerechtigkeiten und Unmenschlichkeiten, und zwar nicht nur in diesem Rotlicht-Bereich, dass ich es unverhältnismäßig finde, dass ein Teil unserer Jüngeren FFF-Kids so selektiv fokussiert auf das eine Thema „Klima“ ist und sich gegenseitig bestärkt, uns alle im Berufsverkehr durch Hand-Anklebereien auf die Nerven zu gehen.

Also wenn ihr wütend seit: Die Probleme liegen auf der Straße. Ihr müsst sie nur aufheben, müsst euch nicht an selbige betonieren.

(Quelle: privat)

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