Neue deutsche Drohnenabwehr: Brauchen wir das oder muss das nicht?

Immer schön am Boden bleiben: Wenn Drohnen über Deutschland kreisen

von RA Dirk Schmitz (Kommentare: 6)

Lieber Russe: Bitte drohnen sie uns nicht!© Quelle: Pixabay/pieonane

Deutschland träumt von Sicherheit, doch die Realität ist ein Desaster: Mit nur fünf Drohnenabwehrsystemen sind Flughäfen, Kraftwerke und Krankenhäuser schutzlos. Milliardenkosten, fehlendes Personal und jahrelange Verzögerungen machen den Drohnenschutz zur Farce.

Von RA Dirk Schmitz MA

Deutschland liebt Pläne. Besonders solche, die auf dem Papier perfekt funktionieren: klare Zahlen, saubere Berechnungen, logische Strukturen. Nur blöd, dass Drohnen nicht auf Papier fliegen. Und dass Realitäten – wie Personal, Produktion und Beschaffung – sich von Tabellen nicht beeindrucken lassen.

Derzeit verfügt die Bundeswehr über exakt fünf ASUL-Systeme – das klingt nach einer Arbeitsgruppe, ist aber tatsächlich das „Abwehrsystem gegen unbemannte Luftfahrzeuge“. Fünf Systeme für ein Land mit 84 Millionen Einwohnern und 357.000 Quadratkilometern Fläche. Damit ließen sich theoretisch das Verteidigungsministerium, ein kleiner Teil Berlins und vielleicht der Parkplatz des Bundestags gleichzeitig schützen. Der Rest des Landes müsste sich im Ernstfall auf Wetterglück und Wunschdenken verlassen.

Technische Details deuten auf große Schwierigkeiten beim Systemaufbau. T-Online schreibt romantischen Müll: Der einsame Anti-Drohnen-Krieger. Einige Medien bewerten den Stand deutlich nüchterner. So schrieb „Bild“ jüngst: „Deutschlands Drohnenabwehr ist faktisch nicht existent.“

Will man die wirklich kritische Infrastruktur absichern – also Flughäfen, Kraftwerke, Umspannwerke, Wasserwerke, Rechenzentren, Häfen, Telekomknoten und Krankenhäuser – landet man selbst bei zurückhaltender Planung bei rund 750 Systemen. Eine ambitioniertere Variante, die Redundanzen und flächendeckende Abdeckung mit einbezieht, erfordert mindestens 1.500 Systeme. Kurz gesagt: Der aktuelle Bestand deckt 0,3 Prozent des notwendigen Bedarfs ab.

Selbst wenn morgen im Bundestag einstimmig beschlossen würde, die Drohnenabwehr zur nationalen Priorität zu erklären, bliebe die Euphorie zunächst theoretisch. Denn zwischen Beschluss und Betriebsbereitschaft liegen – realistisch gerechnet – mindestens drei bis fünf Jahre. Ein Jahr geht für Ausschreibungen, Zuständigkeitsfragen und die unvermeidliche Koordination zwischen Innen- und Verteidigungsministerium verloren. Ein weiteres Jahr für Entwicklungsanpassungen und Produktion.

Danach folgt der Aufbau der Standorte, die Ausbildung des Personals, das Erstellen von Einsatzregeln, das Einrichten von Kommunikationsverbindungen, die Testphasen. Wer Glück hat, kann nach fünf Jahren die ersten 100 Systeme einsatzbereit melden. Der vollständige mittlere Ausbau mit 750 Systemen würde acht bis zehn Jahre dauern, die obere Variante mit 1.500 Systemen zwölf bis fünfzehn Jahre – vorausgesetzt, das Geld, das Personal und die politische Geduld halten durch.

In unserem unfähigen Regierungssystem also etwa so lange, wie zwischen Planung und Eröffnung eines neuen Berliner Flughafens vergeht. Ein solches Netz müsste Tag und Nacht überwacht und gesteuert werden. Nicht von Künstlicher Intelligenz, sondern von Menschen. Für den mittleren Ausbau bräuchte man rund 19.500 Fachkräfte, für die obere Variante über 50.000.

Das ist ungefähr die Personalstärke des gesamten Sanitätsdienstes der Bundeswehr – nur eben zusätzlich. Man stelle sich das einmal praktisch vor: 50.000 neue Spezialisten für Radar, elektronische Kampfführung, IT-Netze, Funktechnik, Elektromechanik – auf einem Arbeitsmarkt, der schon jetzt verzweifelt nach Fachpersonal ruft.

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Selbst wenn man Reservisten reaktiviert, die Freiwilligen Feuerwehrleute mitzählt und ein paar Funkamateure überredet, bleibt das Defizit gigantisch. Oder, wie ein Insider einmal ironisch sagte: „Wir haben genug Leute, um die Systeme zu bestellen – aber niemanden, um sie zu bedienen.“

Auch das „Bundeswehr-Journal“ weist regelmäßig auf diesen Engpass hin.

Die Zahlen lesen sich nüchtern – und absurd zugleich: 750 Systeme zu je rund 10 Mio. Euro, also etwa 7,5 Mrd. Euro Anschaffung, plus 1,1 Mrd. Euro jährliche Betriebskosten. Die obere Variante mit 1.500 Systemen käme auf 22,5 Mrd. Euro Anschaffung, plus 3,3 Mrd. Euro jährlich.

Wir reden nur von der Drohnenabwehr. Dazu kommen Infrastruktur, Ersatzteile und Ausbildung – insgesamt 9 bis 27 Mrd. Euro Initialkosten. Bereits 2020 war von ähnlichen Dimensionen die Rede, als das Innenministerium ein Abwehrsystem für Flughäfen plante. Und laut „WELT“ steigen die Preise weiter, weil günstigere Alternativen kaum geprüft werden.

Der gesamte Bundeshaushalt für Bildung und Forschung liegt bei rund 20 Mrd. Euro. Mit anderen Worten: Deutschland könnte wahlweise seine Kinder bilden oder seine Umspannwerke gegen Drohnen schützen – beides gleichzeitig wäre Luxus.

Deutschland hat außerdem eine bemerkenswerte Tradition: Je dringlicher ein sicherheitspolitisches Projekt, desto länger dauert es. Das liegt weniger an böser Absicht als an Struktur. Zwischen Plan, Ausschreibung, Gutachten, Umweltprüfung, Datenschutzfolgeabschätzung, Haushaltsvermerk, Genehmigung und Ausschreibung vergeht mehr Zeit als zwischen Start und Landung der ISS.

Wer die Geschichte des „Eurohawk“ oder der „Digitalen Divisionsführung“ kennt, ahnt, was passiert, wenn dieselbe Verwaltung plötzlich 1.500 Systeme aufbauen soll. Die Drohnenabwehr käme vermutlich pünktlich – nur eben für die Drohnen der nächsten Generation. Auf dem Papier ist alles lösbar. Mit 27 Milliarden Euro, 50.000 neuen Kräften und 15 Jahren Zeit wäre Deutschland tatsächlich gegen Drohnenangriffe gerüstet. In der Realität gilt: Die Systeme existieren nicht in ausreichender Zahl. Personal existiert nicht in ausreichender Menge und Qualifikation.

Politischen Willen gibt es nur in Sonntagsreden und am Münchener Flughafen. So bleibt die deutsche "Drohnenabwehr" das, was sie derzeit am besten kann: ein Symbol für planerische Präzision bei gleichzeitiger maximaler Unfähigkeit. Die Kartoffeln können alles ausrechnen, aber nichts umsetzen. Priapismus heißt diese ernste Erkrankung in der Medizin.

Die Warnung des Super-KI-Computers Joshua aus dem Film „WarGames“ aus dem Jahre 1983 nachdem er mit seinem russischen KI-Gegner alle Varianten eines thermonuklearen Krieges durchgespielt hatte war:

„A strange game. The only winning move is not to play.“
(„Ein merkwürdiges Spiel. Der einzige gewinnende Zug ist, nicht zu spielen.“)

Dieser Satz gewinnt neue Aktualität. Nur nicht in der irren deutschen Politik. Oder wie ein sarkastischer General formulierte: „Wenn die Drohnen kommen, bitten wir sie einfach, noch zehn Jahre warten – dann sind wir fertig.“

 

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