Prof. Dr. Martin Schwab
Das Landgericht Köln hatte mit Urteil vom 12. Juni 2024 – 113 KLs 16/23 – die Verurteilung eines Mannes bestätigt, der auf Facebook eine solche Illustration gepostet hatte.
Der 3. Strafsenat des BGH hat mit Beschluss vom 4.2.2025 – 3 StR 468/24 diese Verurteilung bestätigt. Öffentlich bekannt wurde dieser Beschluss erst durch eine Pressemitteilung des BGH vom 29.4.2025: https://www.bundesgerichtshof.de/SharedDocs/Pressemitteilungen/DE/2025/2025084.html.
Unterstellt man, dass die Pressemitteilung den Kern der schriftlichen Entscheidungsgründe authentisch spiegelt, gehen von diesem Beschluss ganz schlimme Signale aus.
Der BGH billigt die vom LG Köln getroffene Wertung, die Illustration bagatellisiere das NS-Unrecht in seinem wahren Gewicht. Das ist grob rechtsfehlerhaft: Wollte der Angeklagte wirklich das NS-Unrecht bagatellisieren, hätte er auch seiner eigenen Kritik an der COVID-Impfkampagne die Durchschlagskraft genommen.
Der BGH billigt auch die Annahme des LG Köln, die Veröffentlichung der Illustration sei geeignet gewesen, den öffentlichen Frieden zu stören. Dabei lässt der BGH dem LG Köln zwei Argumentationslinien durchgehen:
1. Die „Abbildung insinuiere, den Betroffenen staatlicher Coronaschutzmaßnahmen werde gleiches Unrecht zugefügt wie den Opfern des Holocausts; deshalb sei sie geeignet, ihre Betrachter aggressiv zu emotionalisieren.“
2. Der Darstellung sei Appellcharakter dahin beizumessen, „sich gegen staatliche Maßnahmen rechtzeitig zur Wehr zu setzen, bevor es zu einem staatlichen Impfzwang komme.“
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Beide Argumentationslinien sind rechtlich haltlos.
Ad 1.: Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts (siehe z.B. Beschluss vom 4.11.2009 – 1 BvR 2150/08 Rn. 104) darf eine Äußerung nur dann als strafbare Volksverhetzung gebrandmarkt werden, wenn andere als die vom Gericht zugrunde gelegte Deutungen mit überzeugenden Gründen ausgeschlossen werden konnten. Die vom LG Köln und vom BGH bevorzugte Deutung der Illustration in dem Sinne, den Menschen werde durch die Corona-Maßnahmen gleiches Unrecht zugefügt wie den NS-Opfern, ist indes ihrerseits mehr als fernliegend.
Viel näher liegt demgegenüber die Interpretation, dass der Angeklagte auf eine drohende Fehlentwicklung hinweisen wollte: Freiheit, die – und so äußerten sich prominente Politiker damals unverhohlen – von einer Impfung abhängig gemacht wird, ist keine Freiheit. Die NS-Zeit begann nicht mit Vernichtungslagern, sondern mit ausgrenzender und diffamierender Feindbild-Rhetorik; ebensolche mussten wir auch in der Corona-Zeit gegenüber „Impfverweigerern“ erleben.
Wenn hier jemand jemanden aggressiv emotionalisiert hat, dann nicht der Angeklagte, sondern die Impffanatiker in Politik, Gesellschaft und Medien. Die Illustration bringt die Sorge des Angeklagten zum Ausdruck, dass wir bei ungehindertem Fortgang erneut in totalitären Verhältnissen landen könnten. Anders kann man diese Darstellung nicht verstehen.
Ad 2.: Besonders schwere Bedenken wirft die These auf, derjenige, der appelliere, sich im Falle staatlichen Impfzwangs zur Wehr zu setzen, störe den öffentlichen Frieden.
Ist allen klar, was das bedeutet? Wenn der Staat mit Rechtszwang auf den menschlichen Körper zugreift, hat der brave Bürger gefälligst das Maul zu halten, strammzustehen und bis zum Kadaver zu parieren. Buchstäblich bis zum Kadaver. Denn tödliche Impfkomplikationen spielen im Duktus der Urteilsgründe, soweit sie aus der Pressemitteilung ersichtlich sind, keine Rolle.
Gerade dieser Passus rechtfertigt die Einordnung des BGH-Urteils als Horror-Urteil. Denn mit ihm stellt der BGH der Staatsgewalt eine schrankenlose Lizenz zum Übergriff in verfassungsrechtlich gewährleistete bürgerliche Freiheiten aus.
Das Urteil des BGH atmet nicht den Geist eines liberalen Rechtsstaats, sondern den Ungeist eines autoritären Obrigkeitsstaats.
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Kommentar von Martin
Habe ich etwas verpaßt, oder weshalb wurde der Spruch "Ungeimpfte in Gas" (Graffitto) im Jahre 2021/22 nicht vom Staatsschutz und der einheimischen Justiz verfolgt?
Graffito "Ungeimpfte ins Gas"
https://ibb.co/8nCNhJf
"Ungeimpfte ins Gas" - Debatte im österr. Parlament, 2.12.2021
https://www.parlament.gv.at/dokument/BR/BRSITZ/934/fnameorig_1438612.html
Interessanterweise müssen es gar keine Querdenker sein, die den Vergleich von Juden, 1933 und dem Corona-Regime ziehen. Denn Antifa und Hamas haben es bereits, öffentlich sichtbar und bekannt, getan schon 2014 mit dem Schlachtruf "Hamas, Hamas, Juden ins Gas".
Und wo bitte blieben die Konsequenzen solcher Parolen für die Verbreiter?
Bei "Hamas, Hamas, Juden ins Gas" entschied die BRD-Justiz:
"dass der Straftatbestand der Volksverhetzung nicht erfüllt ist."
https://pardok.parlament-berlin.de/starweb/adis/citat/VT/18/SchrAnfr/s18-12272.pdf , S.19
Wo ist nun der Unterschied einer Gesinnungsjustiz 1933 oder 2014 ff., wie soll der einfache Bürger das unterscheiden und verstehen können? Die Parallelen von Rassenhygienegesetz ("Gesetz zur Verhütung erbkranken Nachwuchses") damals und Infektionsschutzgesetz 2019 ff. sind meines Wissens nie wirklich juristisch gewürdigt worden, oder?
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Kommentar von Winfried Bähring
Besonders die zweite Argumenationslinie (Zitat): „Der Darstellung sei Appellcharakter dahin beizumessen, „sich gegen staatliche Maßnahmen rechtzeitig zur Wehr zu setzen, bevor es zu einem staatlichen Impfzwang komme“, ist in ihrem Versuch der Kriminalisierung derjenigen, die sich auf das GG berufen, in Wirklichkeit eine Verhöhnung des Grundgesetzes der Bundesrepublik Deutschland, hier insbesondere Art 2 Absatz 2 (Zitat): „Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich.
In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden“.
Das Letztere wiederum muß nach Art 19 Absatz 2 allerdings sicherstellen (Zitat): „dass in keinem Falle ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden darf“.
Ein Impfzwang oder eine Impfpflicht mit der Androhung von Strafe oder/und Vernichtung der materiellen Lebensgrundlage, z.B. durch Berufsverbot bei Nichterfüllung, erfüllt erstens zweifelsfrei die Verletzung des Rechtes auf körperliche Unversehrtheit nach Art 2 (2) GG und es wäre zweitens auch dann eine Rechtsverletzung, wenn dies durch ein entsprechendes Gesetz autorisiert wäre, weil mit einem Impfzwang oder einer Impfpflicht nach Art 19 (2) nämlich der Wesensgehalt von Art 2 (2) angetastet worden wäre.
Was also ist rechtswidrig (oder strafbewehrt) daran (Zitat), „der Darstellung sei Appellcharakter dahin beizumessen, „sich gegen staatliche Maßnahmen rechtzeitig zur Wehr zu setzen, bevor es zu einem staatlichen Impfzwang komme“? oder mit anderen Worten:
Was also ist rechtswidrig (oder strafbewehrt) daran, sich gegen eine zwar demokratisch gewählte, aber in der Legislaturperiode übergriffig/totalitär und damit grundrechtsverletzend agierende Regierung (nicht gegen den Staat!) zur Wehr zu setzen?
NICHTS! Ganz im Gegenteil:
Nach Art 20 (4) haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand gegen jeden (auch gegen die Regierung), der es unternimmt, diese Ordnung [die auf der Einhaltung des GG basiert] zu beseitigen, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
Das Bundesverfassungsgericht *) sollte nun endlich mal seine Arbeit richtig herum machen, indem es die Bürger und ihr Grundgesetz vor einer übergriffig/totalitär und damit grundrechtsverletzend agierenden Regierung (einschließlich ihrer Justizorgane) schützt (dafür ist es nämlich da) und nicht eine derart agierende Regierung vor den Bürgern und ihrem Grundgesetz.
*) Das Bundesverfassungsgericht über seine Aufgaben (Zitat):
„Das Bundesverfassungsgericht wacht über die Einhaltung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland…Das gilt vor allem für die Durchsetzung der Grundrechte. Zur Beachtung des Grundgesetzes sind alle staatlichen Stellen verpflichtet…Das Gericht ist aber kein politisches Organ. Sein Maßstab ist allein die Verfassung. Fragen der politischen Zweckmäßigkeit dürfen für das Gericht keine Rolle spielen…Die Begrenzung staatlicher Macht ist ein Kennzeichen des modernen demokratischen Verfassungsstaates.
In diesem Sinne - Frisch ans Werk, und gutes Gelingen.
In den letzten fünf Jahren dürfte da ja so Einiges liegen geblieben sein (z.B. bei den grundgesetzwidrigen Zwangsmaßnahmen im Rahmen der menschengemachten Corona-Krise oder der grundgesetzwidrigen Kriegstreiberei einiger deutscher Politiker im Rahmen des bilateralen Rußland-Ukraine-Konfliktes)
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Kommentar von Joly Joker
Es scheint höchste zeit zu sein, dass uns die Amis... baldmöglichst mal wieder befreien. Es wird interessant sein zu sehen wie sich diese Juristen vor einem internationalen Sondergerichtshof verteidigen werden. Eine Frage noch: Unsere Innenministerin hat doch die Beweislast bei Verstößen für Beamte eingeführt. Gilt das auch für Richter?
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Kommentar von Torsten Kandziora
Meine Güte. ich kann das alles nicht mehr hören oder lesen. Ihre Demokratie hat gewonnen. Ihre Demokratie kann tun und lassen wie sie will. Basta.
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Kommentar von HP
Die tägliche und damit schon gewohnheitsmäßige 'Bagatellisierung des NS-Unrechts in seinem wahren Gewicht' über die Etikettierung des politischen Gegners AfD und unliebsamer kritischer Bürger, wie auch Journalisten als 'Nazis' wird dagegen nicht (höchst)richterlich geahndet.
Hier offenbart sich nicht nur eine unerträgliche Doppelmoral, sondern eine Gesinnungsjustiz, die der Macht folgt oder mit ihr entgegen der postulierten Gewaltenteilung eng verbandelt ist. Damit sind einem Willkür- und Unrechtsdstaat Tür und Tor geöffnet.
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Kommentar von Marcus Thiemann
Eine sehr kluge und plausible Argumentation. Führt sich der BGH selbst ad absurdum? Was ist von einem Gericht zu halten, dass diese Argument übersieht oder ignoriert? Ich erinnere, dass Markus Hainz auf den §20 Widerstandsrecht hingewiesen hat. Aus meiner Laiensicht handelt der "Täter" auf dieser Grundlage mehr als rechtens.