Hiroshima – Warum jeder Kriegstreiber einmal das Friedensmuseum besuchen sollte

Japan, Deutschland - und das Problem mit der kulturellen Vielfalt

von Corinne Henker (Kommentare: 3)

Zwischen Größenwahn und Aufschwung – Was Deutschland und Japan historisch verbindet© Quelle: Foto Corinne Henker

Was uns Deutsche und Japaner verbindet, trennt uns zugleich, findet Autorin Corinne Henker. Ein persönlicher Erfahrungsbericht über Werte, Kollektivismus, individuelle Freiheit – und den bleibenden Eindruck des Friedensmuseums von Hiroshima.

Seit meiner „Republikflucht“ im Mai 1989 konnte ich mehr als fünfzig Staaten auf allen Kontinenten bereisen - und feststellen, dass es ganz erhebliche kulturelle Unterschiede zwischen den Völkern gibt. Natürlich gibt es nirgendwo DIE homogene „Volksgemeinschaft“, sondern überall regionale und individuelle Unterschiede, beispielsweise habe ich (abgesehen von der Optik) erheblich mehr Gemeinsamkeiten mit meiner chinesisch-stämmigen Freundin als mit gebürtigen Ostdeutschen wie Angela Merkel oder Katrin Göring-Eckardt. Aber ein paar Tausend Jahre gemeinsamer Geschichte, Werte und Traditionen prägen die Bevölkerung einer Region eben doch - und unterscheiden sie von anderen.

Schon in meiner eingeengten DDR-Jugend sah ich mich dabei weniger als Deutsche, sondern mehr als Europäerin. Die Antike, die Völkerwanderungen, die Wikinger, das Christentum (einschließlich seiner Kriege, Inquisition und Ketzerverbrennungen), die Invasionen der Araber, Mongolen und Türken, die Aufklärung, die Napoleonischen Feldzüge und schließlich die beiden Weltkriege mit all ihrem Grauen hatten - mit regionalen Unterschieden - Einfluss auf ganz Europa und prägen unsere Kultur und Werte bis heute. Hierbei möchte ich allerdings ganz deutlich zwischen den Werten der europäischen Völker und den „Werten“ der EUrokratie in Brüssel unterscheiden. Und natürlich bedeuten gemeinsame Grundwerte nicht zwingend gleiche Interessen.

Man muss nicht selbst die ganze Welt bereisen, um zu verstehen, dass sich auf anderen Kontinenten mit anderer Geschichte und Kultur auch andere Werte entwickeln. Wenn man es tut, sieht man andere Kulturen immer durch die verzerrende Brille der eigenen Erziehung und der eigenen Werte. Schlimmstenfalls idealisierend oder herablassend, aber selbst, wenn man wie ich versucht, bei jeder größeren Reise möglichst offen in die Geschichte und Kultur einzutauchen, fühlt man sich in einigen Regionen der Welt einfach deutlich wohler als in anderen.

In diesem Jahr reiste ich zum zweiten Mal nach Japan, dessen Kultur zweifellos zu den ältesten und faszinierendsten der Welt gehört. Von allen nicht-europäischen Völkern sind die Japaner uns Deutschen vermutlich am ähnlichsten - und doch sind beide Kulturen grundverschieden.

Zunächst gibt es die historischen Parallelen. Man denkt hier sicher zuerst an Größenwahn, Untertanengeist und blinde „Vaterlandstreue“ die beide Völker im Zweiten Weltkrieg zunächst zu unvorstellbaren Gräueltaten verleitete und dann in den Untergang führte.

Unterschiede gibt es im Umgang mit den Fehlern der Vergangenheit. Während Deutschland mit der öffentlichkeitswirksamen Anerkennung ewiger Schuld seinen neuen moralischen Größenwahn in der ganzen Welt verbreitet, scheint man in Japan diese Vergangenheit lieber verdrängen zu wollen: sowohl die eigenen Kriegsverbrechen (nicht nur) in Korea und China, als auch die Verbrechen der US-Amerikaner in Hiroshima und Nagasaki.

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In beiden Ländern verweigerte man eine echte Analyse, wie es überhaupt so weit kommen konnte. So teilt man im „besten Deutschland aller Zeiten“ erneut Menschen in Gruppen ein und diesen dann willkürlich einen höheren oder niedrigeren Wert zu, statt jeden Menschen als Individuum zu sehen und seine ganz persönlichen Fähigkeiten und Leistungen zu beurteilen. Und erneut glaubt man sich im Besitz der einzigen allgemein gültigen Wahrheit, natürlich auch diesmal wissenschaftlich fundiert - und diffamiert jeden Zweifel und jede Kritik daran als „Hass und Hetze“.

Die japanische Gesellschaft war schon immer durch einen hohen Grad an Konformismus gekennzeichnet, öffentliche Streitereien bedeuten wie in anderen ostasiatischen Kulturen einen unwiederbringlichen Gesichtsverlust. Dafür ist den Japanern moralischer Größenwahn fremd, der militärische wurde im August 1945 weggebombt.

Doch es gibt auch positive historische Parallelen zwischen Japan und Deutschland: Fleiß, Disziplin, Zuverlässigkeit und Kreativität ermöglichten beiden Völkern sowohl ab etwa 1870 als auch nach dem Zweiten Weltkrieg einen rasanten wirtschaftlichen Aufschwung. Reist man durch das heutige Japan, erinnert vieles an das Deutschland vor 20-30 Jahren: saubere Straßen, Plätze und öffentliche Einrichtungen, pünktliche Züge, eine funktionierende Infrastruktur, höfliche Menschen und vor allem öffentliche Sicherheit.

Und doch ist Japan kulturell ganz anders als Deutschland. Die traditionellen deutschen (und westlichen) Werte wurden durch das Christentum und insbesondere die Aufklärung geprägt: jeder Mensch ist ein Individuum mit gleichen Rechten. Das Recht auf individuelle Freiheit, gepaart mit Eigenverantwortung, schufen letztlich die Basis für freie Wissenschaft, technische Innovationen und die industrielle Revolution.

Die Geschichte zeigt recht deutlich, dass Staaten, die von Kollektivismus und Ideologie geprägt sind, in ihrer wirtschaftlichen Entwicklung nicht konkurrenzfähig sind. Man muss dabei gar nicht so weit in die Vergangenheit schweifen: seit sich Deutschland von individueller Freiheit ab- und dem pseudomoralischen Kollektivismus zugewandt hat, geht es wirtschaftlich bergab. Im Gegensatz dazu steht Argentinien: seit Javier Milei seine „Kettensäge“ angesetzt und dem ideologiegesteuerten Kollektivismus den Kampf angesagt hat, geht es wirtschaftlich bergauf, die Armut sinkt. Die OECD erwartet für Argentinien für 2025 ein Wirtschaftswachstum von 5,7 Prozent - für Deutschland 0,4 Prozent (für Japan immerhin 1,5 Prozent).

In Fernost gilt dieser Zusammenhang zwischen individueller Freiheit einerseits und Wirtschaftswachstum und Wohlstand andererseits jedoch nicht so eindeutig. Die Länder Ostasiens sind kulturell durch Konfuzianismus und Buddhismus (Japan auch durch Shintoismus) geprägt. Das gesellschaftliche Leben ist mehr oder weniger streng hierarchisch und kollektivistisch: Anpassung an die Gruppe ist von essenzieller Bedeutung, das Individuum spielt eine deutlich geringere Rolle als im Westen. Allerdings ist dieser Kollektivismus pragmatischer und weniger ideologisch geprägt als im christlichen Mittelalter, dem Islam oder bei der Klima-Sekte.  So unterwirft sich das Individuum in der asiatischen Welt nie völlig, sondern behält in seinem tiefsten Inneren immer noch seine Individualität - und verfolgt seine ganz eigenen Interessen. Die Asia-Saga von James Clavell (der erste Teil „Shogun“ wird als Serie bei Disney Plus ausgestrahlt) gibt einen ausgezeichneten Einblick in die fernöstliche Psyche. Hier heißt es, ein Japaner habe drei Herzen: eines für die Außenwelt, eines für den inneren Familien- und Freundeskreis und eines nur für sich selbst.

Es scheint, dass diese spezielle Art von Kollektivismus durchaus mit dem westlichen Individualismus mithalten - und diesen teilweise sogar übertreffen kann. Der rasante wirtschaftliche Aufschwung Japans während der Meiji-Restauration und nach dem Zweiten Weltkrieg oder auch die wirtschaftliche Entwicklung in China durch die Reform- und Öffnungspolitik von Deng Xiaoping (ab 1978) dienen als Beispiel dafür. Allerdings waren sie alle auch mit einem deutlichen Sprung zu mehr individueller Freiheit verbunden: der Abschaffung des strengen Klassensystems des Tokugawa-Shogunats (1868), die Abwendung vom japanischen Militarismus (1945) bzw. vom Mao-Kommunismus.

Offenbar spart der ostasiatische Anpassungsdruck Ressourcen, die in westlichen Gesellschaften oft für Selbstdarstellung und Konkurrenzkämpfe verschwendet werden. Wie in Clavells Asia-Saga eindrucksvoll beschrieben wird, sind Asiaten jedoch nicht weniger intrigant und egoistisch als wir Europäer - sie nutzen nur andere Wege, um ihre Interessen durchzusetzen. Und da sie eher pragmatisch als ideologisch-moralisierend agieren, sind sie dabei oft erfolgreicher - wie China gerade bei der Sicherung von Rohstoffvorkommen in Afrika und Lateinamerika beweist.

Auf das einzelne Individuum kann sich der soziale Anpassungsdruck und die Diskrepanz zwischen äußerer Darstellung und eigenem Empfinden jedoch fatal auswirken. So gehört Japan zu den Ländern mit den höchsten Selbstmordraten, insbesondere bei den Suiziden von Kindern und Jugendlichen Eine wichtige Rolle hierbei dürfte der oft schon in frühester Kindheit beginnende Leistungsdruck spielen. Japanische Kinder werden meist früh gedrillt, um die Aufnahmeprüfungen für die „richtigen“ Schulen zu bestehen. Mit dem Abschluss einer Elite-Universität ist eine steile Karriere praktisch vorprogrammiert. So entwickelt sich allerdings ein zunehmend starres System: Kinder werden gedrillt und nicht zum selbständigen Denken animiert, Elite-Universitäten leben von ihrem Ruf statt von der tatsächlichen Qualität ihrer Ausbildung, Absolventen machen Karriere durch Kontakte statt aufgrund individueller Leistung. Das ist allerdings kein spezifisch japanisches Problem.

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Es liegt in der Natur der meisten Menschen, dass sie sich nach getaner Arbeit etwas gönnen möchten, nur sehr wenige streben wie Elon Musk nach immer neuen Höchstleistungen. Das setzt sich bei größeren Menschenansammlungen fort: wenn ein Volk durch Innovation, Fleiß und Disziplin einen deutlichen wirtschaftlichen Aufschwung erreicht hat, möchte man die ganze Bevölkerung daran teilhaben lassen. Auch diejenigen, die keine eigene Leistung erbringen können, erhalten eine finanzielle und soziale Absicherung. Problematisch wird es, wenn man sich an die sozialen Wohltaten gewöhnt und diese immer weiter ausbaut - ohne gleichzeitig die Produktivität zu steigern oder zumindest aufrecht zu erhalten. Im Privatleben oder bei Kleinunternehmern führt das recht schnell zur Insolvenz, Staaten können deutlich länger von der Substanz leben, Schulden aufbauen und der Bevölkerung vorgaukeln, man wäre „ein reiches Land“. Wenn es darum geht, die Wähler zu manipulieren, gibt es vermutlich keine großen Unterschiede zwischen den Regierungen in Japan und Deutschland. Und es funktioniert: die verantwortlichen Parteien werden hier wie dort immer wieder gewählt.

Japan leidet ebenso wie die meisten westlichen Länder an der Demographie. Die Geburtenrate liegt in Japan bei 1,20 Kindern pro Frau (Deutschland: 1,35, USA: 1,66). Das durchschnittliche Alter der japanischen Bevölkerung (Altersmedian) lag 2024 bei 49,4 Jahren (Deutschland: 44,6, USA: 38,3 Jahre). Der Umgang damit ist jedoch ein anderer: während Westeuropa und Nordamerika auf Einwanderung aus Regionen mit höherer Geburtenrate setzen, arbeitet Japan an neuen Technologien, um menschliche Arbeitskraft zu ersetzen. Allerdings gibt es überall noch ausreichend Spielraum für einen effizienteren Einsatz vorhandener Arbeitskräfte. Die Situation in westlichen Staaten ist bekannt (Bürokratie, NGO-Unwesen). In Japan waren wir ziemlich verwundert, an mehreren Ampelkreuzungen in Tokio bis zu ACHT Ordnungshüter zu sehen, die die Einhaltung der Verkehrsregeln zusätzlich überwachten.

Ähnlich wie in Deutschland, den USA und anderen westlichen Ländern entwickelte sich in den letzten Jahrzehnten auch in Japan ein starres, ineffektives System, in dem die Präsentation wichtiger ist als die realen Ergebnisse. Wirtschaft und Lebensqualität stagnieren oder verfallen - nur die Ursachen und Wege dorthin unterscheiden sich, ebenso der Umgang damit. Im Unterschied zu den Amerikanern scheuen Deutsche und Japaner eine radikale Veränderung (wenn sie nicht von oben aufoktroyiert wird). Im Gegensatz zu Deutschland und den USA ist der Verfall in Japan nicht so offensichtlich: der öffentliche Raum ist sauber und sicher, man sieht keine Drogenzombies und kaum Obdachlose, die Infrastruktur funktioniert. Sehr vereinfacht ausgedrückt: Deutsche jammern, Amerikaner verändern, Japaner versuchen, sich anzupassen.

Bei allen kulturellen und individuellen Unterschieden haben die meisten Menschen in Ostasien, Europa und (Nord-)Amerika doch recht ähnliche Werte und Ziele. Wir möchten mit unserer Arbeit einen gewissen Wohlstand erlangen und eine sichere Zukunft für unsere Kinder. Wir möchten unser Leben selbst gestalten, respektieren unsere Mitmenschen und erwarten von ihnen Respekt für unsere Lebensgestaltung. Unter diesen Voraussetzungen kann auch ein Zusammenleben von Menschen aus unterschiedlichen Kulturkreisen funktionieren.

Und es funktioniert tatsächlich: Japaner, Chinesen, Koreaner und Vietnamesen tauchen in den deutschen Kriminalstatistiken praktisch nicht auf, dafür sind sie oft überdurchschnittlich erfolgreich im Bildungssystem und Wirtschaftsleben. In Düsseldorf gibt es mit 8.400 japanisch-stämmigen Einwohnern und 410 japanischen Unternehmen die drittgrößte japanische Community Europas (nach London und Paris). Diese Japaner brauchten keine teuren Integrationskurse, sie leben nicht auf unsere Kosten, sondern zahlen Steuern, sie achten unsere Werte und fordern keine Sonderrechte. Sie brauchen keine abgeschottete Parallelgesellschaft, wie Maximilian Krah sie sich vorstellt, sondern sind eine echte kulturelle (und insbesondere kulinarische) Bereicherung.

Auch Chinesen, Koreaner und Vietnamesen leben problemlos unter uns und fallen meist nur optisch auf. Die Söhne unserer chinesischen Freunde studierten beide mit Bestnoten Maschinenbau-Management an der RWTH Aachen und starteten ihre Karriere bei McKinsey. Auch sie wurden in ihrer Jugend rassistisch angefeindet: von einem (biodeutschen) Rentner aus der Nachbarschaft - und deutlich häufiger von gleichaltrigen türkischen und arabischen Muslimen. Doch sie inszenierten sich nie als Opfer, sondern überzeugten durch Leistung.

"Der Ansatz für Multikulti ist gescheitert, absolut gescheitert!“ - das verkündete Angela Merkel 2010 auf dem Deutschlandtag der Jungen Union. Und dennoch öffnete sie 2015 die deutschen Grenzen für Millionen Migranten aus meist muslimischen Kulturen, die unsere Wertvorstellungen nicht teilen, unser Sozialsystem zunehmend belasten und schleichend den öffentlichen Raum in Besitz nehmen.

Das Problem ist also nicht die Migration an sich. Die Migrationsbefürworter haben recht, wenn sie darauf hinweisen, dass es in der Geschichte der Menschheit schon immer größere Migrationsbewegungen gegeben hat. Sie verschweigen allerdings, dass diese für die ortsansässige Bevölkerung oft alles andere als „kulturell bereichernd“ waren.

Diese Migrationsbewegungen sind auch keine Naturgewalt, die man als Einheimischer widerstandslos hinnehmen muss. Man kann Migration steuern - und als souveräner Staat hat man nicht nur das Recht, sondern auch die Pflicht dazu. In Deutschland funktionierte das bis in die 1980er Jahre recht gut, in Japan und den meisten anderen Ländern der Welt funktioniert es bis heute.

Hierzulande sind es oft dieselben Politiker und Medienvertreter, die einerseits immer wieder das Recht der Ukraine (oder auch der Palästinenser und des Irans) auf Souveränität betonen - und andererseits unser Land und unser Sozialsystem für absolut jeden Migranten (inklusive Krimineller und Terroristen). Es ist an der Zeit, diesen Irrsinn zu beenden. Die USA, aber auch europäische Länder wie Ungarn und Dänemark zeigen, wie es geht.

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