Von RA Dirk Schmitz
Wenn die viel gelesene juristische Online-Plattform Legal Tribune Online (lto) die Verfolgung von Norbert Bolz unkritisch rechtfertigt, bedarf das einer scharfen Replik.
Insbesondere dann, wenn der dort festangestellte Autor ein reinrassiges wokes Gewächs ist: - direkt nach dem Referendariat als „Volljurist“ in die lto-Redaktion ging, ohne Erfahrungen als Anwalt oder in Unternehmen. Dazu dann Referendar-Stationen, die wie ein Geständnis wirken: Migrationsrecht, ZDF und Habeck-Ministerium, studiert natürlich reinrassig in Berlin. Der Schwerpunkt von Max Kolter, so heißt der Redakteur und Verteidiger des Staatsanwaltes und Richter im Fall Bolz: „Nachhaltigkeit durch Transparenz - nichtfinanzielle Berichtspflichten (CSR-Richtlinie) als Instrument der Unternehmensregulierung“. Steht alles nicht für liberale Freiheit.
Dessen Artikel auf „lto“ über das Verfahren gegen Prof. Norbert Bolz fügt sich makellos in eine Justiz-Folklore, die mehr Schutzschild für etablierte Deutungsinstanzen ist als Rückgrat eines rechtsstaatlichen Umgangs mit Meinungsfreiheit. Er schildert, wie die Berliner Staatsanwaltschaft wegen des Kommentars „Deutschland erwache“ tätig wurde – mit Hausdurchsuchungsanordnung, Profil-Einblick und Ermittlungen wegen § 86a StGB.
Die Darstellung erweckt den Eindruck, das Verfahren sei technisch juristisch sauber – auf Linie der Rechtsprechung: „Ironie und Sarkasmus schützen also nicht vor Strafe“, heißt es dort pauschal.
Doch drei Dinge stehen im krassen Widerspruch zur dogmatischen Gleichgewichtung des deutschen Rechts:
Erstens: Der Gleichheitsgrundsatz wird faktisch ausgehebelt. Wenn eine Parole wie „Deutschland erwache“ als strafbar gilt, weil sie einer NS-Parole zum Verwechseln ähnlich sei. § 86a Abs. 2 Satz 2 StGB: „zum Verwechseln ähnlich“. Dann muss dasselbe auch für den identischen Slogan-Typus gelten, wenn er in Medien links-öffentlich verwendet wird – z. B. in einem Artikel der taz, Überschrift „Deutschland erwache!“. Doch dort: keine Staatsanwaltschaft, kein Verfahren, keine Hausdurchsuchung. Das Gesetz wird selektiv angewendet – nicht nach Tat, sondern nach politischer Herkunft des Täters. Dieses Schweigen der Justiz über linke Verwendung spricht lauter als jeder juristische Kommentar.
Zweitens: Die Sozialadäquanzklausel des Gesetzes (§ 86 Abs. 4 iVm. § 86a Abs. 3 StGB) wird zur Farce. Nach dieser Klausel ist die Verwendung von NS-Kennzeichen straflos, wenn sie der staatsbürgerlichen Aufklärung, Kunst, Wissenschaft, Berichterstattung oder ähnlichen Zwecken dient.
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Wenn Satire, Kunst oder Kritik benutzt wird – dann darf das nach Wort und Sinn des Gesetzes nicht verfolgt werden. Doch die Rechtsprechung wird streng dort, wo der Urheber „rechts“ steht, und lax dort, wo er „links“ steht. Ein typisches Beispiel: Beim sogenannten Wagenbau im Karneval in Düsseldorf präsentierte der Wagenbauer Jacques Tilly einen Motivwagen mit einem Hakenkreuz als Satire auf die Alice Weidel-Darstellung. 25 Strafanzeigen wurden gestellt – aber: eben öffentlich als „karnevalistische Satire“ deklariert und von der Staatsanwaltschaft weggewischt: „Wenn die Richtigen lustig sind …“.
Wenn aber ein „rechter“ Intellektueller ironisch den Satz „Deutschland erwache“ verwendet und dafür eine Staatsanwaltschaft das Rollkommando schickt, dann kann man das nur als symbolisches Exempel werten – eine grell beleuchtete Botschaft: Wer nicht der öffentlich-rechtlich akzeptierten Deutungslinie folgt, wird geahndet. Das macht aus dem Rechtsstaat eine politische SED-Justiz.
Drittens: Das Schutzkonzept des Gesetzes – nämlich Verhinderung eines Wiedererstarkens nationalsozialistischer Organisationen – wird systematisch entleert. § 86 StGB verlangt in Abs. 1 Nr. 4 etwa, dass es um solche Propagandamittel geht, die „nach ihrem Inhalt dazu bestimmt sind, Bestrebungen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation fortzusetzen“.
Das heißt: Der „objekthandschriftliche“ Bezug muss erkennbar sein auf ideologische Inhalte, Wiederbelebung, Fortsetzung. Wenn jedoch allein schon eine ironische oder provokative Verwendung zur Strafverfolgung führt – obwohl keine tatsächliche Unterstützung, keine Zielrichtung zur nationalsozialistischen Wiederbelebung vorliegt – dann verschiebt sich das Gesetz vom Schutzrecht in Richtung Gesinnungskontrolle. Die Folge: Aus dem Verbot legitimen Schutzes wird ein Werkzeug der kulturellen Formierung.
Wenn heute ein Motivwagen beim Karneval mit Hakenkreuz durchgeht und öffentlich als Satire anerkannt wird – während andererseits akademische Ironie gegen Woke-Slogans mit gleicher Logik eine Hausdurchsuchung provoziert – dann ist die normative Logik lachhaft:
Entweder soll Hakenkreuz-Darstellung grundsätzlich strafbar sein – oder nur dann, wenn sie tatsächlich NS-Zielrichtungen verfolgt. Die aktuelle Praxis aber lautet: Hakenkreuz geht, wenn links, da deshalb gegen NS; gleiche Symbolik bei Rechtsverdacht: Verfahren. Das ist keine bloße Rechtsanwendung, das ist böse Folklore-Justiz.
Im Ergebnis lautet die Forderung: Entweder man führt die Norm konsequent durch – also jede Verwendung von NS-Kennzeichen unter Strafe, unabhängig von Adressat und politischer Einordnung – kaum durchsetzbar, oder man erklärt im Gesetz klar:
Nur solche Anwendungen sind strafbar, die wirklich der Fortsetzung oder Förderung nationalsozialistischer Bestrebungen dienen. So wäre wenigstens die normative Kohärenz wiederhergestellt. Alles andere ist selektives Verfahren, eine Bedrohung der Meinungs- und Kunstfreiheit und eine bewusst klassenkämpferische parteiliche Justizkultur.
Wenn die lto-Berichterstattung solche Strafaktionen positiv begleitet, ohne kritisch zu hinterfragen, inwiefern Gleichheitsgrundsatz, Sozialadäquanzklausel und Schutzkonzept tatsächlich geprüft wurden – dann wird sie zum Mittäter einer Gerichts- und Staatsanwaltschaftspraxis, die in Wahrheit nicht Straftaten ahndet, sondern woke Auswahl trifft. Und das ist in einem Rechtsstaat keine Randnotiz, sondern ein Warnsignal.
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Kommentar von Sara Stern
Der Gesinnungsstaat schlägt zu und jene die ewiggestrig von Deutschland als Rechtsstaat denken, werden mal wieder eines besseren belehrt. In Gesinnungstaaten kann man kriminell werden, solange man die richtige Gesinnung hat und wird nicht verfolgt. Hat man die falsche wird man verfolgt ohne kriminell werden zu müssen.
Es ist wichtig, dass die Mehrheit der deutschen erkennt, dass es sich bei Deutschland um einen UNrechtsstaat und keine richtige Demokratie handelt. Wie sonst soll man einen rechtstaat und eine Demokratie aufbauen, wenn man noch nicht mal deren Abwesenheit in der Lage ist zu erkennen?
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Kommentar von Südfee Müller
Zu dieser Causa Bolz/Kolter/lto hatte auch Hadmut Danisch einen sehr langen und noch süffigeren Artikel geschrieben. Kolter kommt nicht wirklich gut dabei weg. lto schon gar nicht.
Der Artikel beginnt mit den Worten "Was für einen Blödsinn uns die Legal Tribune Online auftischt, um die Hausdurchsuchung bei Norbert Bolz zu rechtfertigen."
Kolter hatte in seinem lto-Artikel sogar etwas erfunden, das es in der Juristerei überhaupt nicht gibt, nämlich eine sogenannte "Abwendungsbefugnis".
Diese "Abwendungsbefugnis", die es nicht gibt, läuft auf "(...) einen unzulässigen Zwang „Gib das Ding raus, oder wir stellen Dir die Bude auf den Kopf!“ hinaus, und damit eine Durchbrechung des Grundsatzes, dass ein Angeklagter sich nicht selbst belasten muss und ihm aus Schweigen kein Nachteil entstehen darf."
Wobei Norbert Bolz ja überhaupt nicht angeklagt war. Er hatte ja gegen kein einziges Gesetz verstoßen.
Und dann kommt Danischs entscheidende Kritik:
"Eigentlich heißt das nur, dass der Richter wusste, dass er Unrecht beschließt, das Recht bricht, und wollte ein Schlupfloch lassen."
Ein Recht brechender Richter. In einem Noch-Rechtsstaat.
Danischs Ergebnis:
"Völliger Quatsch was Kolter da in der LTO schreibt. Laienhaft. Naiv. Falsch.
Schon an den allgemeinen Kenntnissen über das Recht bei Beschlagnahmen und Durchsuchungen fehlt es ihm. Und zu behaupten, es habe keine Durchsuchung stattgefunden, weil Bolz kooperiert habe, ist noch unterhalb von Gaga. Schon das ist Humboldt-Niveau."
https://www.danisch.de/blog/2025/10/25/das-geschwaetz-des-dr-max-kolter-jurist-dozent/
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Kommentar von Rainer Möller
Herr Schmitz, ich gebe Ihnen in der Sache vollkommen recht. Aber: Hier kann nur der Gesetzgeber durch eine Klarstellung eingreifen. Es ist sinnlos, an die Juristen zu appellieren und auf eine "Selbstheilung" der Justiz zu hoffen. Die meisten Juraprofessoren und die von ihnen ausgebildeten Juristen sind Teil der durch Schelsky beschriebenen "neuen Klasse", die einen Machtanspruch erhebt mit der Begründung, dass ihnen eine moralische Wahrheit geoffenbart ist (Ethokratie). Die Minderheit der klassischen, bescheideneren Juristen kommt gegen diese Verführung zur Selbstüberhöhung nicht an. Kolter ist ja auch schon Dozent und wird es noch zum Professor bringen.
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Kommentar von F. Lo
Ein wichtiger und richtiger Text, m. E.
Die Lösung wäre in der Tat, wie vorgeschlagen, den § 86 StGB (4 = Ausnahmen) zu verallgemeinern zu „Nur solche Anwendungen sind strafbar, die wirklich der Fortsetzung oder Förderung nationalsozialistischer Bestrebungen dienen.“
Gute, so einfache Idee! Eigentlich dürfte das ja auch der tiefere Sinn von (4) sein. Wer etwa im Rahmen der Berichterstattung über Vorgänge des Zeitgeschehens oder der Geschichte Verbotenes zitiert, macht das in der Regel nicht, um den Nationalsozialismus zu feiern, er referiert, dokumentiert sachlich.
Bolz hatte dies (das Feiern der NS-Zeit) erkennbar mit der polemischen Replik auf die taz auch nicht im Sinn. Es kann eben eigentlich nicht nur darum gehen, bestimmte Worte und Wörter mehr oder weniger originalgetreu wiederzugeben, sondern die Gretchenfrage wäre: Meint der sich Äußernde das ernst, steht hinter dem Inhalt, oder nicht? [Ggf.: Ist er sich überhaupt bewusst, etwas aus der NS-Zeit zu zitieren?]
Ich empfehle einen Beitrag in der WELT von Matthias Heine, 26.10.: „Der Fall Bolz, das Woke und die Gefahren des Zusammenhangs-Analphabetismus“. Heine erinnert dankenswerter Weise mal daran, dass Sprache/ein Wort nicht nur aus einer Anhäufung von Buchstaben besteht, sondern Wörter immer im Kontext interpretiert und verstanden werden (sollten). Der Autor meint, dass die Fähigkeit des sinnhaften Lesens und Verstehens in der „illiteraten Gesellschaft“ verloren gehe. „Warum das ein Grund zum Gruseln ist.“ Zumindest Juristen sollten dazu aber hundertprozentig in der Lage sein, um angemessen zu urteilen. Bei jedem Gerichtsverfahren spielen ja auch MOTIVE des Angeklagten eine Rolle.
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Kommentar von Schwar Zi
Ich kann über die Causa Bolz nur den Kopf schütteln...jetzt wundern sich alle...selbst Teile der linken Mainstream Journaille...wie kann das denn sein?
Ja bitte was erzählen wir Ostdeutschen Euch seit 10 Jahren oder mehr? Wovor warnen wir? Allein man nimmt uns nicht ernst...die sehen Gespenster ihrer DDR Vergangenheit...bla, bla, bla...