Toddn Kandzioras Wochenrückblick 20/2021

Keine Zeit, um Träume zu begraben

von Toddn Kandziora

Toddn findet Alkohol eine korrekte Lösung, ein bisschen abzuschweifen vom Hier und Jetzt der ausklingenden Merkel-Ära am Vorabend des hundertjährigen Baerbock-Reichs.© Quelle: Pixabay

Gegen sechs Uhr in der Früh bin ich von einem wilden Rudel aufheulender Trecker vor dem Haus geweckt worden. Es waren ihrer fünf bis sechs, die sich lautstark aufmachten verschiedene Felder der Umgebung zu bewirtschaften. Die Nachbarin nutzte das frühzeitige Lärmkommando vom Großbauern, um sich auf ihren Aufsitzmäher zu setzen und bevor der große Regen an diesem Tag über das Land kommt ihren Rasen zu stutzen.

All das schon morgens kurz nach sechs. Das pralle Dorfleben. Ich versuchte derart offensiv geweckt meinen Oberkörper im Bett aufzurichten und den Kopf oben zu halten. Der war an diesem Morgen schwerer als sonst und kippt sogleich zur Seite weg. Mehrmals tat er das. Einmal nach rechts, einmal nach links, bevor ich ihn mit eisernem Willen arretieren konnte. Und er tat weh. Mein Kopf. Verdammt. Das letzte Bier am gestrigen Abend in der Feuerwehrgarage, das hätte wirklich nicht sein müssen.

In der letzten Zeit trinke ich öfter ein Bier mehr, als es mir guttut. Aber keinen Schnaps. Schnaps trinke ich schon viele Jahre nicht mehr. Schnaps macht Menschen komisch. Und ich bin fremdbestimmt nur ungern komisch. Besonders gegenüber anderen Menschen. Ich könnte euch auch aus meiner Zeit als Schankwirt berichten, erzählen, wie komisch Alkohol Menschen machen kann. Aber nun ja, Bier allein reicht ja auch schon zum komisch werden. Und komisch fühlen wir uns in dieser Zeit schon genug. Und manch einer mag sich in dieser komischen Zeit denken, na, wenn schon, denn schon, dann eben komisch mit Alkohol.

Wie ich darauf? Gestern wurde ich durch den Leitartikel meiner regionalen Tageszeitung darüber informiert, dass laut aktuellem OECD-Report Deutschland wieder einen Spitzenplatz beim Pro-Kopf-Verbrauch von Alkohol belegen würde: „Corona-Frust: Deutsche trinken sich den Lockdown schön.“ Obwohl wegen der Corona Verordnungen seit langer Zeit schon Feste verboten wurden, Weihnachten, Ostern und wohl auch das kommende Pfingstfest keine Bedeutung mehr haben dürfen, obwohl die Bars, Kneipen, Clubs und Gaststätten vielerorts geschlossen wurden, hat der Alkoholkonsum zugenommen.

Der Verkauf alkoholischer Getränke legte während des letzten Jahres sogar um 3,3 Prozent zu. Das wäre eines der Ergebnisse einer Europäischen Untersuchung zum Alkoholkonsum in mehr als dreißig Industrieländern. Tja. Die Menschen lassen sich das Trinken eben nicht verbieten. Und schon gar nicht in Krisenzeiten. Und getrunken, oder gesoffen wird dann eben auch allein daheim. Gegen den Corona-Blues. Gegen die Einsamkeit. Die Langeweile und den täglichen Frust. Es wird – schaut eh keiner mehr zu – gerne mehr als nur ein Bierchen und ein Kurzer hinter die Binde gekippt. Gegen die Scheiß Angst oder nur auf die allgemeine Verzweiflung schnell noch einer hinterher gekippt. Wohlsein.

Die Folgen werden schwer wiegen. Das ist klar. Laut der Studie verkürzt allein dieser Alkoholkonsum die durchschnittliche Lebenserwartung um mehr als ein Jahr. Nach den OECD-Berechnungen erhöht der derzeit überzogene Alkoholkonsum die Ausgaben für das Gesundheitswesen immens und mindert das Wirtschaftswachstum um fast 2 Prozent.

Doch ist es deshalb nicht gleich so, dass gewählte „Volksvertreter*innen“ das große Schluckproblem einer zutiefst verängstigten, demoralisierten wie herunter gekommenen Bevölkerung als psychologisches Problem annehmen und hinterfragen.

Nö, warum sollten sie auch selbst nachdenken oder hinterfragen, wenn es Experten gibt. Experten, die vorgeben wie eine Elite zu handeln hat, welche Gegenmaßnahmen unternommen werden sollen. Ihr Forderungskatalog reicht von verstärkten Alkoholkontrollen im Straßenverkehr und Innenstädten bis zu einer Mindestpreisfestsetzung und höherer Besteuerung auf Alkohol. Dem Verbot der Alkoholwerbung. Ja, sogar der Einschränkung der Verfügbarkeit von Alkohol. Zuerst einmal (natürlich) für sogenannte Risikogruppen, doch, sollte das Problem sich nicht kontrollieren lassen, dann (natürlich) auch für die Allgemeinheit. Da frage ich mich doch, hat der Teufel jetzt den Schnaps gemacht oder ist nicht eher der/die/das ein solcher, der ihn uns vorenthalten will. Diesen Alkohol, den nicht wenige von uns in dieser komischen Zeit brauchen. Brauchen, weil wir sie eben nüchtern nicht mehr ertragen können.

Um mich gegen ein mögliches Alkoholverbot (ich mache nur Spaß) zu wappnen fuhr ich nach dem Frühstück in die Kreisstadt. In einem dort ansässigen Getränkegroßhandel gab es ein Bierkisten-Sonderangebot ohne mich einer Doppel-Plus-Gut Impfpflicht und Testpflicht Untertan machen zu müssen. Dort durfte ich, nun ja, die Maskenpflicht einhaltend, noch König-Kunde sein.

Und wie manch verwirrter Zeitgeselle Familienpackungen Klopapier hamstert … (was ich nicht verstehe, denn ich besitze einen vollwertigen Waschlappen. Vor dem Haus stehen mehrere Regentonnen und ein Brunnen. Und ich habe eine gesunde Hand. Also was. Wozu soll ich Klopapier horten? Shit Happens.) … hamsterte ich Bierkästen. Wenn schon bald der Blackout kommt, die Klimakatastrophe naht, der Wirtschaftsgau grüßen lässt, ein Börsensturz droht oder das Land an sich untergeht, wenn die Grünen im Herbst das Ruder übernehmen, nun, dann will ich mir wenigstens und währenddessen noch ordentlich einen antüddeln können. Und bei 8,98 Euro die 30er Kiste Wolters, da schlag ich beherzt zu.

Was mir an diesem Tag während meiner kleinen Reise in die kleine Stadt hinter den kleinen Bergen auffiel, das waren die Menschen, denen ich begegnete, die ich auf den Straßen sah. Fast wähnte ich ich mich in einem anderen Land im Urlaub. An diesem Tag war ich sensibilisierter als sonst und betrachtete meine Umwelt genauer:

Ich sah mehr Frauen mit Kopftuch als ohne. Auch ein paar der voll verschleierten Damen (?) traf ich in der Innenstadt in dem türkischen Lebensmittelladen meines Vertrauens mit diesem wahnsinnsleckeren Käse. Ich sah viele farbige Menschen auf den Straßen. Sie lachten und scherzten miteinander und schienen recht glücklich zu sein. Stolz gingen kräftige Männer ihnen voraus. Die ihnen folgenden Frauen trugen farbenprächtige Gewänder, hielten an einer Hand ein Kleinkind, schoben mit der anderen einen Kinderwagen vor sich den Gehweg entlang, wurden von weiteren Kleinkindern begleitet.

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Ich war seit Jahren in keiner deutschen Großstadt mehr zu Besuch. Die Stadt, die ich kenne, hat wenig mehr als 50.000 Einwohner. Ich habe daher keine Ahnung über die Bevölkerungsstrukturen verschiedener Großstädte in diesem Land. Vielleicht leben in der von mir besuchten Kleinstadt überproportional mehr Menschen aus fremden Kulturkreisen und Ländern als anderswo. Doch ich schätze, dieses Land hat sein Gesicht auch in anderen Regionen sehr verändert. Deutschland ist flächendeckend zu einem anderen Land geworden.

Es ist nicht mehr das Land, in dem ich geboren wurde, in dem ich meine Jugend-, Lehr- und Arbeitsjahre verbrachte. Das heutige, das neue Deutschland ist nicht das Land, welches ich vor der Wiedervereinigung kannte und auch nicht mehr das vor 2015. Ich weiß nicht, wie dieses Land in fünf Jahren aussehen mag. Ich kann es jedoch erahnen, wenn ich heute durch die Kreisstadt fahre. Dieses Land wird sich sehr schnell und sehr verändern. Viele der regierenden *Politiker*innen* der Einheitspartei freuen sich ja darauf. Auf die große Veränderung, an der sie Anteil hatten und die Weichen stellten konnten. Soll ich mich auch darauf freuen. Dass es sich derart verändert? Dergestalt verändert, dass manch einer der hier Geborenen nicht mehr weiß, ob er noch ein Teil dieses Landes ist ... oder sein darf?

Vor ein paar Jahren reiste ein Bekannter von mir mit seinem Vater zu einer Feier in die Nähe Frankfurts. Seinem Vater ging es über Nacht sehr schlecht und mein Bekannter entschloss sich nicht den Notarztwagen zu rufen, sondern selbst seinem Vater in ein Krankenhaus bei Frankfurt in die Notaufnahme zu fahren. Sein Vater hatte in dieser Nacht eine Art Demenz-Schub und Probleme seine Umgebung und Sachverhalte richtig einzuordnen. Seinen Sohn erkannte er, nicht aber die Krankenhaussituation. In diesem Krankenhaus waren nicht nur die meisten der ebenfalls sich in der Notaufnahme befindenden Personen aus anderen Kulturkreisen stammend, auch das Krankenhaus Personal wie der diensthabende Arzt war eine, wie es heute heißt: „Person of Color “. Nein, das ist noch kein Grund, sich darüber aufregen zu müssen. Problem war aber, dass der Vater der Meinung war, sich mit seinem Sohn im Urlaub zu befinden. Er war aufgrund der Situation im Krankenhaus derart verwirrt, dass mein Bekannter und der Arzt sich dazu entschlossen ihm vorzumachen, das sie wirklich in einem Land in Nordafrika im Urlaub wären. Mit dieser Noterklärung kam der Vater dann gut zurande und der Ärztlichen Versorgung stand nichts mehr im Weg.

Vielleicht ist diese kleine Geschichte nicht viel mehr als eine unlustige Anekdote. Eine Ausnahmesituation in der Nacht. Geschehen in einer x-beliebigen deutschen Großstadt. Der beginnenden Altersdemenz eines alten, weißen Mannes geschuldet, der versucht seinen Augen zu trauen, da der eigene Verstand die Situation nicht zu klären vermag. Für die Jüngeren unter uns, für die kommenden Generationen ist es sicherlich viel einfacher sich mit dem neuen Deutschland zu arrangieren, sich zurecht zu finden. Für die Älteren von uns, die noch das Alte kennen, schätzen und vielleicht auch liebten, für diese wird das Leben in baldiger Zukunft nicht einfach sein. Überhaupt nicht einfach. Und erklärbar schon einmal gar nicht.

Dieser Tage versuchen in Marokko erneut viele Tausend Menschen auf das Gebiet der dortigen, spanischen Enklave zu kommen. In Erwartung von dieser ein Anrecht zu haben, nach Deutschland weiter reisen zu können. Dieser Tage verwahren sich verschiedene europäische Staaten gegen die Aufnahme weiterer Menschen. Sogar Dänemark und Schweden. Sollte das nicht aufhorchen lassen? Schweden und Dänemark! Wenn inzwischen selbst diese beiden traditionell fortschrittlichen und offenen geführten Staaten sich zu solchen Maßnahmen entschließen. Die dortige gesellschaftliche Situation gestattet eine weitere Aufnahme von Menschen aus anderen Kulturkreisen nicht mehr.

Wenn die Grünen im Herbst mit der deutschen Regierung stellt, dann wird es für die Menschen, die es aus vielen Ländern Afrikas und Nah-Ost nach Deutschland zieht, einfacher werden. Das bedeutet, dass es für die „hier schon länger lebenden“ schwerer werden könnte. Das ist fast ein natürliches Gesetz. So eine Art Yin und Yang.

Was ich davon halte? Tja, was soll ich davon halten. Wenn die hier Lebenden im Herbst eine Politik wählen, die den Zuzug weiterer Millionen von Menschen vereinfacht, dann wird es so sein. Dann werden sie wohl kommen. In ihr neues Deutschland. Ein Deutschland, in dem alle Menschen von nah und fern sicherlich sehr, sehr glücklich sein werden. Na, vielleicht nicht alle Menschen. Viele der hier „schon länger lebenden“ eher nicht. Aber die werden nicht laut, denn sie sind bald eine schweigende Minderheit. Diese alten, weißen Männer und Frauen. Die Tag zu Tag weniger werdenden Christen, Katholiken und Juden. Braucht die denn überhaupt noch jemand oder können die weg?

Werde ich überhaupt noch hier gebraucht? Diese Frage stelle ich mir in dieser Zeit oft. Ich glaube immer weniger. Jedenfalls nicht von denen, die heute das Land gestalten. Von denen werden „so welche wie ich“ nicht gebraucht. Eher in den Arsch getreten. Jeden Tag wieder aber dafür kräftiger. Für die heute verantwortlichen Umgestalter*innen gehöre ich zu einem alten, obsolet gewordenen Deutschland. Dem Deutschland der alten und weißen Männer. Den vermeintlich gestrigen und somit überflüssigen. Zu den Verweigerern und Miesepetern. Den unbequemen, auf lästige Grundrechte pochenden. Den hinterfragenden und kritischen Geistern. Den Altdeutschen eben.

Vielleicht aber sollte ich mir ihren viel zu eng gewordenen Schuh gar nicht mehr anziehen. Möglicherweise sind sie es ja, die nicht zu meinem Deutschland gehören sollten. Diesem alten Deutschland. Dem Land, das ich als Heimat betrachtet, dessen Werte ich schätzte und daher bereit war zu verteidigen. Das Land, in dem ich gerne lebte und arbeitete, weil ich seine Bewohner verstand, diese zu den meinen zählte. Das Land einer vergangenen Epoche. Der vergangenen Zeit, bevor sie Merkel zur Kanzlerin machten, um ihr Ding durchzuziehen.

Vielleicht aber, auch nur vielleicht sollte ich am Abend bevor ich eine Kolumne schreibe ein Bier weniger trinken. Könnte dann aber langweilig werden. Nicht nur für mich. Also dann. Bis nächste Woche. Dann und zur Abwechslung mal was Positives. Prost.

Ach ja. Bevor ich es vergesse. Die letzten Worte heute aus meinem Buch FRÜHSTÜCK MIT TEDDY. Sie stammen von Teddy selbst, zwischen zwei Matjesbrötchen mit Zwiebeln und starkem Kaffee am Frühstückstisch ihrer Berliner WG an Elwood gerichtet:

„Es wird der Tag kommen, an dem alles erlaubt sein wird. Alles, was ihrer neuen Normalität nicht in die Quere kommt. Alle anderen Dinge jedoch, die dem angestrebten Ablauf der Agende widersprechen, sie an der Verwirklichung ihrer Absichten hindern, werden verboten werden. Menschen, die sich ihnen verweigern und zu entziehen versuchen, diese Menschen werden kriminalisiert und verfolgt werden. Solange, bis alle ihren Wünschen entsprechen. Bis es nicht einen Menschen mehr gibt, der ihnen gefährlich werden kann. Gefährlich, weil er frei im Geist und guter Absicht ist.“

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