Wie schön: Das nächtliche „Uh“ der Eule in Nachbars hoher Kiefer

Kleines Glaubensbekenntnis eines Ü-50-Allergikers mit Frühlingsgefühlen

von Jan-Heie Erchinger (Kommentare: 3)

Heute morgen wachte ich durch emsiges und fröhliches Vogelgezwitscher auf© Quelle: Pixabay / Gerhard

Frühlingsgefühle. Ich schlafe gern bei offenem Fenster. Seit einigen Nächten sitzt vermutlich eine Waldohreule in der großen Fichte der Nachbarin und tönt beruhigend und stundenlang: „Uh ... Uh ... Uh ...“

Heute morgen wachte ich durch emsiges und fröhliches Vogelgezwitscher auf. Tirilieren für Fortgeschrittene; und dann hörte ich die lebhaften Stimmen von Kindern, die an unserem Haus vorbei zur Grundschule gehen.

Als Ü-50-Allergiker nehme ich das erste stärkere Augenjucken durch Frühblüher dankbar und positiv an und wahr. Ich lebe offenbar, da geht noch einiges! Außerdem ist dieses Augenjucken ein untrügliches Zeichen, dass der Frühling nicht mehr weit entfernt ist. Und eine Erinnerung an früheste Kindheit.

Ich hatte das immer schon. Als wir ca. 1972 auf einem bayerischen Bauernhof bei Füssen urlaubten, ich war um die fünf Jahre alt, bekam ich im Heu auf einmal Atemnot. Meine Eltern wussten sich nicht zu helfen und holten den Arzt. Der war erfahren und sagte, dass der Junge sich mal einfach ins Zimmer legen und entspannen soll. Dann ging es auch schnell besser.

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In meiner Kindheit versuchten meine Eltern immer wieder, mir mit jahrelangen Desensibilisierungsspritzen (immer wöchentlich linker Arm, rechter Arm, Messen der Rötung) diesen nervigen Heuschnupfen und das Asthma wegzuzaubern. Und ich würde nicht behaupten, dass es nichts gebracht hat, da ich nicht weiß, wie es mir ginge, wenn gar nichts in diese Richtung gelaufen wäre.

Trotzdem habe ich das heute immer noch. Früher hieß es von der Ärztin, es könne sein, dass sich das im Erwachsenenalter verwächst bzw. verflüchtigt. War aber nichts. Ich habe immer weniger Drang, Cortison und Antihistamine oder andere Medikamente einzuwerfen oder in meine Nase zu sprühen.

Mein Hausarzt sagte mir allerdings, ich solle lieber Medikamente nehmen, es könne sonst sein, dass ich mein Herz überstrapaziere. Also versuche ich, diesbezüglich einen für mich machbaren Kompromiss zu praktizieren.

Läuft. Ich bin echte 55 Jahre alt und fühle mich immer noch gut. Ich freue mich fast über jeden Tag und kann mich wunderbar politisch ereifern. Und auch, wenn meine Frau sagt, das sei doch Energieverschwendung und immer wieder das Gleiche – etwa meine wütenden Kommentare zu Tagesschau oder Markus Lanz – entgegne ich stur: „Nix – das ist alles Gehirnjogging.“

Vorhin war ich langsam und entspannt joggen. Ich sah Schneeglöckchen und irgendwelche rosaroten Blümchen, vielleicht Frühlingssterne? Im Naturschutzgebiet bei uns kommen mir halb so alte Schnell-Joggerinnen entgegen, ich nicke immer freundlich und bilde mir ein, sie nicken zurück. Vielleicht aus so einer Art Mitleidsgefühlsregung heraus. Ja, ich sehe vielleicht etwas speziell aus beim Laufen.

Im Gegensatz zu diesen Profi-Joggern in dünnem und enganliegenden schwarzen Sportstil, habe ich gerne meine etwas in die Jahre gekommene warme und gefütterte grüne Jacke an. Darunter zwingend einen meiner Adidas-Jogginganzüge und ich habe fast immer eine Mütze auf. Für mich hat Joggen etwas von Sauna. Ich möchte schwitzen. Für mich ein körperliches Symbol, dass ich wirklich was Sportliches hinbekomme, dass ich mich echt anstrenge.

Schon von klein auf haben meine Eltern mir mitgegeben, Bewegung sei immer gut. Draußen sein. Sich spüren. Ich freue mich, wenn im Info-Radio ein Bericht kommt, dass dieses oder jenes mit Bewegung besser wird oder idealerweise herausgezögert werden kann. Ich sehe zu, dass ich mich viel bewege.

Älter werden ist nichts für Weicheier. Und ich gebe zu, das Älterwerden scheint eine wirkliche Herausforderung zu sein. Und es mag lächerlich wirken, dass ich mit Mitte fünfzig solche Gedanken formuliere. Aber es ist nun mal so. Ich denke fast täglich darüber nach, dass wir altern. Dass wir abbauen.

Mir ist bewusst, dass in meinem Alter vielleicht noch zwanzig aktive Jahre kommen, wenn man Glück hat. Das ist wirklich ein Auftrag und eine heftige Herausforderung. So war es und so ist es. Da kann die Medizin noch so modern und ausgefuchst sein, es kommt die Zeit, wo Du abbaust.

Das ist so sicher wie das Amen in der Kirche. Eine Gelassenheit dabei, das wäre ein tiefer Wunsch. Ob ich es schaffe, beispielsweise irgendwie fromm zu werden und wirklich zu glauben? Dieses Glauben, so es Menschen wirklich schaffen, zu vertrauen und sich fallen zu lassen, ist für viele etwas Großes, ist Aufgabe und Trost zugleich.

Glauben kann etwas Schönes sein. An Gott glauben. An Manitou glauben. An Walhalla glauben. Wer wirklich glaubt, wer sich wirklich fallen lassen kann, den beneide ich heute.

Da höre ich das Rauschen des Windes in Nachbars Kiefer. Der Wind, der Wind, das himmlische Kind. Der kleine Häwelmann. Der Schimmelreiter auf dem Hauke-Haien-Deich. Theodor Storm, was für ein abgefahrener Nordname.
Wirklich göttlich. Und ob ich schon wanderte, ich im finstern Tal, fürchte ich kein Unglück. Denn Du bist bei mir. Danke, dass ich leben darf.

(Quelle: privat)

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