Fernsehreporterin auf der Suche nach Rechten bekommt von Passantin einen eingeschenkt

Lehrstunde für Stern-TV auf Montagsdemo: Dem Volk versehentlich aufs Maul gefilmt

von Gaia Louise Vonhof (Kommentare: 2)

„Und ich halte es mit Voltaire: Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst.“© Quelle: Screen aus https://www.youtube.com/watch?v=eQm3TPdgnAE&t=8716s

Ein kurzes Gespräch am Rande eines Montagspaziergangs. Ein Kamerateam von Stern-TV am Wegesrand. Und eine Lehrstunde in Demokratie für das Filmteam.

Der heiße Herbst hat vorgeglüht und nimmt Fahrt auf. Neben den Wochenenden haben sich vor allem die Montagabende bei Spazierprotestlern etabliert. Jede Woche spazieren mehr.

Diametral dazu geht die Berichterstattung in den Mainstream-Medien zurück, als fürchte der Teufel das Weihwasser. Die wenigen, die noch berichten, agieren zielgerichteter, diffamieren die Demonstranten, stecken sie in einen braunen Sack und hauen medial drauf. Nicht immer gelingt das, wie gestern auf der Montagsdemo in Leipzig. Dazu später mehr, aber hier schonmal versprochen: Es lohnt sich!

Was als Protestspaziergänge gegen die Coronamaßnahmen begann, der Tradition der Montagsspaziergänge folgend, die zur friedlichen Revolution in der DDR maßgeblich beitrugen, hat sich ausgewachsen zu deftigen Protestaufläufen gegen die Energiepolitik, "Gasliefer-Lüge“, Inflation und gegen Waffenlieferungen in die Ukraine und Kriegstreiberei sowie für die Aufnahme von Friedensverhandlungen. Kurz, gegen die aktuelle Regierungspolitik.

Protestiert wird am Montagabend deutschlandweit, wobei Ost- und Mitteldeutschland sich zum Mittelpunkt entwickelt haben. Besonders hohes Wachstum verzeichnen hier die Proteste in Leipzig. Genau von hier aus nahmen 1989 die Montagsdemonstrationen ihren Weg und lösten gemeinsame Proteste verschiedener Oppositionsgruppen aus, die sich wie eine Lawine durch die damalige DDR ausbreiteten.

Wer heute in den Medien etwas über diese Demonstrationen erfahren will, beißt auf Granit. Einen Überblick über Größe und Umfang der Proteste gibt es nicht, auch das Innenministerium schweigt dazu. Hier müssten die Daten eigentlich zusammenlaufen und abrufbar sein.

Medial entsteht der Eindruck versprengter Einzel-Protest-Grüppchen. Alexander-wallasch.de berichtete. Wer sich informieren will, geht aber deshalb nicht leer aus: Heute sind umfangreiche Informationen zum tatsächlichen Demonstrationsgeschehen in Echtzeit in den Neuen Medien zu finden, auf Twitter, Facebook, in Demonstrations-Livestreams auf Youtube und anderen Portalen.

Immerhin hatte die Junge Freiheit nach Protesten am Montag, 10. Oktober, Fleißarbeit geleistet, und bei den Innenministerien und Polizeistellen der einzelnen Bundesländer die Teilnehmerzahlen der Montagsdemonstrationen abgefragt und deutschlandweit immerhin 90.000 Protestler zusammengerechnet.

Ein Fazit: Im Westen ist nur wenig Lust am Demonstrieren zu verspüren, während es im Osten mächtig brodelt. Ein Hotspot bleibt Leipzig. Dort war neben einigen Streamern am gestrigen Montag auch Stern TV am Start und befragte Demonstranten. Die Fragen spiegelten den Auftrag, es ging darum, die Teilnehmer in die rechte Ecke zu stellen.

Das wiederrum wurde durch einen Streamenden dokumentiert und live auf Youtube übertragen und gleich über mehrere Profile geteilt.

So ist auch die Reaktion einer Bürgerin dokumentiert, die sich nicht in die rechte Ecke schieben ließ und freundlich aber bestimmt der Sternreporterin mal eben im Vorübergehen eine Lektion in Demokratieverständnis mit auf den Weg gab.

Man darf gespannt sein, was der Stern aus dieser Befragung machen wird, ob sie es senden oder Teile daraus so zusammenschneiden, bis es zum erwünschten Narrativ passt.

Hier die Transkription des kurzen Dialoges zwischen Demonstrantin und Stern-TV-Redakteurin:

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Demonstrantin: Wir sind zum Beispiel hier eine Gruppe, die montags gehen, die die Spaltung überwunden haben, und das sollten wir eigentlich alle versuchen. Wir sollten wieder versuchen, eine Debattenkultur zu haben und dann wäre auch alles möglich. Wir haben hier Leute aus der Mitte, wir haben Leute von rechts, auch von links, wir haben alles. Und ich finde diese Stigmatisierung, die muss endlich aufhören. Und das müssen auch die privaten Medien wahrnehmen, aber es (müssen) auch die Öffentlich-Rechtlichen wahrnehmen.

Stern-Reporterin: Ich habe eine Frage an Sie. Hier laufen ja viele Menschen aus der bürgerlichen Mitte, die wichtige demokratische Anliegen auf die Straße bringen, die unzufrieden sind mit der Politik und auch aus guten Gründen. Es gibt legitime politische Kritik, es gibt legitime Medienkritik. Gleichermaßen habe ich heute bei der Demonstration Flaggen der rechtsextremen Freien Sachsen zu sehen. Empfinden Sie das nicht als problematisch?

Demonstrantin: Ich finde es überhaupt nicht problematisch. Ich will Ihnen auch sagen, warum. Wir gehen hier mit der freien Linken und wir gehen hier mit den freien Sachsen. Und ich bin zum Beispiel parteilos, aber ich gehe! Für gleiche Interessen gehe ich mit jedem und ich unterstelle nicht jedem immer gleich etwas Schlechtes, nur weil er politisch eine andere Ausrichtung hat, sondern ich debattiere mit demjenigen hier. Alle sind in anderen Dingen oft unterschiedlicher Meinung – aber wir gehen montags gemeinsam auf die Straße, weil wir die Spaltung überwinden wollen.

Und es wäre schön, wenn Ihre Formate darüber auch mal berichten würden und vielleicht auch mal eine Selbstreflexion versuchen würden, weil, ich denke meinen blinden Fleck immer mit. Und deshalb brauchen wir auch eine Debattenkultur, weil, nur so kann über den anderen reflektiert werden, außer dass ich lese, dass ich Vorträge höre oder sonst wie. Und wir sollten uns eigentlich nicht gegenseitig als Feinde sehen, sondern wir sollten eigentlich in dem anderen Teil einen Teil der Schöpfung sehen. Und dann ist auch Wertschätzung dabei. Das ist mein Statement.

Stern Reporterin: Dazu noch eine Frage: Gleichermaßen leben wir in einer Demokratie und einem Rechtsstaat. Und eines dieser Organe ist der Verfassungsschutz. Ich weiß nicht, ob Sie ihn anerkennen oder nicht. Der sagt, die freien Sachsen sind eindeutig rechtsextrem und stehen unter Beobachtung. Finden Sie das dann nicht problematisch, wenn so was erkannt wird?

Antwort Demonstrantin: Ich würde sagen, dass wir im Moment in einer Zeit leben, wo man sich fragen muss ‚Wer sagt was, wer behauptet was?‘. Und ich glaube, wir alle als Bürger sollten das sehr genau kontrollieren. Und ich bin der Meinung, dass wir durchaus auch radikale, und ich würde sogar sagen Rechtsradikale, unter den sogenannten Grünen und auch von den Linken und von den Rechten haben.

Ich glaube einfach, wir leben in einer Zeit eines solchen Umbruchs, wo diese Dinge alle nicht mehr funktionieren. Ich bin der Meinung, dass der Rechtsstaat das Allerwichtigste ist, aber es wäre auch wichtig, dass die Öffentlich-Rechtlichen zum Beispiel überhaupt die Medien wieder zur vierten Säule werden, dass man wieder regierungsfern berichtet.

Und ich glaube, dann wird sich das auch mit dem Verfassungsschutz erledigen, weil dann werden schon die Leute, die unserem Staat wirklich schaden, auch gefunden werden. Die wird man vor Gericht stellen und dann wird auch der Rechtsstaat wieder funktionieren.

Aber ich habe mal eine Gegenfrage an Sie: Glauben Sie, dass die Exekutive, Legislative und Judikative, glauben Sie, dass im Moment unsere Gewaltenteilung funktioniert? Das würde ich infrage stellen. Aber darüber müsste man im Grunde genommen debattieren. …

Wir haben ja jetzt den verschärften Paragraf 130, und ich bin der Meinung, wenn man im Moment alles verschärft, dann werden die Leute es nur noch denken und nicht mehr aussprechen. Und wir müssen die Meinung eines anderen aushalten. Und ich halte es mit Voltaire. Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. Und das ist es für mich.

So bin ich groß geworden, und so möchte ich auch leben. Und ich werde jeden wertschätzen für seine Meinung. Jeder ist anders sozialisiert und vielleicht trägt nicht immer jeder konform, (…) nicht regierungskonform, aber rechtskonform seine Meinung vor. Das ist auch heute sehr schwierig. Man weiß heute nicht mehr, was man sagen darf und was nicht. Aber ich wäre für eine gute Debattenkultur. Und wenn Sie das in Ihren Medien mal transportieren würden ohne Stigmatisierung, das wäre uns hier allen ein tiefes Anliegen. Ich danke Ihnen herzlich …. Danke schön.

Hier gehts zum YouTube-Video, Das Interview ab Minute 02:19:25: https://www.youtube.com/watch?v=eQm3TPdgnAE&t=8716s

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