Warum Justiz und Medien den Angriff auf Menschen verharmlosen

Lina Engel – Legendenbildung und Vorzugsbehandlung

von RA Dirk Schmitz (Kommentare: 6)

Damit ist sie „relative Person der Zeitgeschichte“ und kann identifizierend namentlich und bildlich veröffentlicht werden.© Quelle: Youtube/ ZDF

Ist es Ihnen aufgefallen? Bei Vergewaltigungen heißt der Täter „Einmann“ und beim Kampf gegen die Rechten „Lina E.“. Bei „Einmann“ ist das dem kundigen Leser klar: Ein Syrer oder Afghane.

Nicht weil der es zwingend wäre, sondern weil ein bio-deutscher Täter als solcher sofort klar benannt worden wäre. So liest man heute die „Qualitätsmedien“ – so wie früher das sowjetische KPDSU-Zentralorgan Правда (russisch, „Wahrheit“) oder SED-„Neues Deutschland“.

Von RA Dirk Schmitz

Aber „Lina E.“? Die Straftäterin heißt schlicht Lina Engel. Sie wurde wegen mitgliedschaftlicher Beteiligung an einer kriminellen Vereinigung, mehrfacher gefährlicher Körperverletzung, Sachbeschädigung, Urkundenfälschung, Diebstahl und Nötigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und drei Monaten verurteilt.

Damit ist sie „relative Person der Zeitgeschichte“ und kann identifizierend namentlich und bildlich veröffentlicht werden.
Die namentliche Nennung stellt einen Eingriff in das Allgemeine Persönlichkeitsrecht dar. Abzuwägen ist dieses gegenüber dem öffentlichen Interesse an umfassender Berichterstattung. Ein Straftäter wird von der Rechtsprechung regelmäßig als Relative Person der Zeitgeschichte eingestuft, da die Bedeutung des Straftäters für die Öffentlichkeit untrennbar mit seinen Straftaten verknüpft ist.
Maßgeblich für die Zulässigkeit ist auch der Zeitpunkt der Berichterstattung über die Straftat. Bei einer wahrscheinlich verübten Straftat und einem Tatverdacht besteht ein anzuerkennendes öffentliches Interesse an umfassender Information.

Es muss den Medien möglich sein, begleitend zu Ermittlungen über bestehende (Verdachts-)Momente zu berichten. Dabei sind die Anforderungen an die journalistische Sorgfaltspflicht umso größer, je unsicherer der Verdacht ist und je schwerer die erhobenen Vorwürfe gegen die Person ist.

Insbesondere ist im Fall der Verdachtsberichterstattung auf Grund des Grundsatzes der Unschuldsvermutung darauf hinzuweisen, dass es sich um einen Verdacht handelt. Es darf nicht der Eindruck feststehender Tatsachen erweckt werden. Grundsatz der Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 EMRK). Das Interesse der Öffentlichkeit an namentlicher Information ist umso höher zu bewerten, je schwerer die im Raum stehenden Vorwürfe sind.

Hauptverhandlung und Urteilsverkündung finden öffentlich statt. Auch lange zurückliegende Straftaten können für die Öffentlichkeit von Interesse bleiben. Selbst die Verbüßung einer Haftstrafe führt nicht dazu, dass über den Betroffenen nicht mehr berichtet werden darf.
Der BGH hat sogar für eine Berichterstattung über die bloß berufliche Sphäre eines Betroffenen klargestellt, dass der Einzelne sich in diesem Bereich von vornherein auf die Beobachtung seines Verhaltens durch eine breitere Öffentlichkeit wegen der Wirkungen, die seine Tätigkeit hier für andere hat, einstellen muss (vgl. BGH vom 20. Januar 1981 - VI ZR 163/79 - VersR 1981, 384, 385).

Wer sich im Wirtschaftsleben betätigt, setzt sich in erheblichem Umfang der Kritik an seinen Leistungen aus (vgl. BGH, Urteil vom 10. November 1994 - I ZR 216/92 - AfP 1995, 404, 407 f. - Dubioses Geschäftsgebaren - und Senatsurteil BGHZ 138, 311, 320 m.w.N.).
Zu einer solchen Kritik gehört auch die Namensnennung. Die Öffentlichkeit hat in solchen Fällen ein legitimes Interesse zu erfahren, um wen es geht und die Presse kann durch eine anonymisierte Berichterstattung ihre meinungsbildenden Aufgaben nicht erfüllen.

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Insoweit drückt sich die Sozialbindung des Individuums in Beschränkungen seines Persönlichkeitsschutzes aus. Denn dieser darf nicht dazu führen, Bereiche des Gemeinschaftslebens von öffentlicher Kritik und Kommunikation allein deshalb auszusperren, weil damit beteiligte Personen gegen ihren Willen ins Licht der Öffentlichkeit geraten (vgl. BGH vom 20. Januar 1981 - VI ZR 163/79). Das gilt umso mehr für Straftäter gegen Leib und Leben (vgl. BGH VI ZR 259/05).

Hier hat eine linkswoke kontaminierte Presse und eine schwächelnde Justiz schon lange die Maßstäbe verloren.
Besonders sichtbar in Leipzig mit der Leipziger Volkszeitung (LVZ). Dort wird die Straftäterin Linda Engel nur anonymisiert genannt – während das rechte Opfer („Enrico Böhm, 38, Familienvater“) medial exekutiert wird.

Schon im Vorfeld erfolgte dessen volle Namensnennung im Rahmen von Kleinkriminalität („Falsche Eidesstattliche Versicherung“).

Apropos Leipziger Volkszeitung: Ihr Gelände gehörte bis 1945 dem Zeitungsverleger Edgar Herfurth, der von den Kommunisten als „Kriegsverbrecher“ enteignet - und das Weitererscheinen seiner Zeitung mit Verweis auf seine „profaschistische Haltung“ verboten wurde.
Ab 19. Mai 1946 war die LVZ Parteiorgan und bis 1989 Organ der SED-BezirksleitungLeipzig. Auf diesem geistigen Boden lebt die LVZ.

Wir bleiben in Leipzig bei Frau Engel: Sodann begibt sich die desorientierte Justiz auf die Suche nach dem „edlen Moment“ der Tat. Was war da mit dem Vorsitzenden Richter Hans Schlüter-Staats los, als er sich in seiner Urteilsbegründung entblödete festzustellen, er halte Rechtsextremismus für die „derzeit größte Gefahr“ in Deutschland und erkenne in dessen Bekämpfung ein „achtenswertes Motiv“

Dann ist das Urteil in der Tat übertrieben, zu hart, praktisch eine Geschwindig­keits­übertretung bei Kampf um die gute Sache.

Schon der Typ Großdeutscher Rundfunk jammert: „Die Linksextremistin Lina E. ist zu einer Märtyrerin der Szene geworden.“

Diese Urteile in der Relativierung von Unrecht erinnern fatal an die Weimarer Republik. Im Urteil gegen Hitler 1924 wegen des blutigen Putschversuchs in München bestätigte die Urteilsbegründung, dass Hitler zwar eine „gewaltsame Verfassungsänderung“ beabsichtigt hatte.

Gleichwohl schloss der Vorsitzende Richter Neithardt an das an, was die „Staatsanwaltschaft zu Gunsten der Angeklagten hervorgehoben hatte. Alle Angeklagten seien bei ihrem Tun von “rein vaterländischem Geiste” und dem “edelsten selbstlosen Willen” geleitet worden.
Allerdings erklärte Herr Hitler, der damalige Vertreter der „rechtsautonomen Szene“ einer Kleinstpartei: „Ich trage die Verantwortung ganz allein, erkläre aber eines: Verbrecher bin ich deshalb nicht, und als Verbrecher fühle ich mich nicht. Ich kann mich nicht schuldig bekennen, aber ich bekenne mich zur Tat. Es gibt keinen Hochverrat gegen die Landesverräter von 1918. […]”

Kommt einem bekannt vor …

Weitere Parallele: Am 1. April 1924 fällte das Gericht das Urteil. Schon am 20. Dezember 1924 wurde Hitler aus der Festungshaft entlassen. Die Haftzeit in Landsberg hatte sich für Hitler außerdem recht angenehm gestaltet. Er durfte unzensiert Post verschicken und ungehindert zahlreiche Besucher empfangen. Die Zeit nutzte er um eine erste Version seines Buches „Mein Kampf“ zu verfassen.

Die autonome Szene wertete das Urteil gegen Lina Engel als Skandal. Die gewaltsamen Proteste wurden angekündigt zu einem „Tag X“. Für jedes verhängte Jahr Haft wurde ein Sachschaden von einer Million Euro entstehen.

Lina Engels Verteidiger Ulrich von Klinggräff kündigt Revision gegen das Urteil an. Es sei ein „eklatantes Fehlurteil“. Die Haftentlassung von Lina Engel sei „ein guter Punkt“. Aber die gut 5 Jahre Haft blieben angesichts der bloßen Indizien und einseitigen Ermittlungen „in keiner Weise akzeptabel“.


Lina Engel bekommt das nicht mehr mit. Sie ist da bereits im Auto ihres zweiten Anwalts in die wohl endgültige Freiheit davongedüst. Die Studentin hat bereits 30 Monate in U-Haft gesessen. Bekommt sie dann noch Knast-Rabatt wegen guter Führung („Zwei-Drittel-Strafe“), bleiben von den ursprünglich 63 nur noch 12 Monate Haft übrig.

Es folgt das Revisionsverfahren. Was ebenfalls für die Leipzigerin spricht: Sie führte sich im Chemnitzer Knast geradezu mustergültig, machte dort eine Tischlerlehre, galt als unkomplizierte Gefangene. Zudem hat sie angekündigt, nach der Haft ihr Studium (Sozialpädagogik in Halle) wieder aufzunehmen. Fehlt nur noch ein Buch.

Der Rechtsstaat zerstört sich selbst an der urteilstechnisch dokumentierten Relativierung der Tat und dem medialen Verständnis für „gute Straftaten“.

Der intellektuelle Lackmustest: Stellen Sie sich vor, der rechtsradikale „Enrico B.“ hätte exakt die gleichen Taten gegen links begangen. Vorzeitig aus der Haft entlassen – wohl kaum.

 

Dirk Schmitz M.A., seit 1991 Rechtsanwalt, langjähriger ehrenamtlicher Richter, Kommunikationswissenschafter, engagierter Verteidiger, derzeit im Kryptowährungsprozess “Onecoin” vor dem Landgericht Münster. Schmitz sieht durch den Zeitgeist Meinungsfreiheit und körperliche Unversehrtheit gerade in Masken- und Impfzeiten in Gefahr. Als “alter Liberaler” ohne FDP-Hintergrund steht Schmitz für Bürgerrechte und “die Freiheit des Andersdenkenden”. Sein dem Philosophen Voltaire zugeschriebener Leitspruch lautet: „Obwohl ich völlig anderer Meinung bin als Sie, würde ich mein Leben dafür geben, dass Sie Ihre Meinung frei aussprechen dürfen.“ Lieblingsautoren: Ernst Jünger und Nicolás Gómez Dávila (“Das Leben ist die Guillotine der Wahrheiten”), aktuelles Buch: Giorgio Agamben, Homo sacer – Die souveräne Macht und das nackte Leben.

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