Regierungstaugliches Kabarett Light

Nur noch Nuhr - Resterampe des Regierungskabaretts bei Maischberger

von Gaia Louise Vonhof (Kommentare: 16)

Es ist surreal, als Kabarettist einen Witz, den man gemacht hat, zu verteidigen. Dass ist kabarettistisches Green-Washing.© Quelle: Youtube/ ZDF, Maischberger Screenshot

Nuhr hat bei Maischberger gezeigt, dass er selbst keine Benachteiligungen in Kauf nehmen will und dass er der beste Gast seiner eigenen Sendung bleibt in der Pole-Position am öffentlich-rechtlichen Futtertrog.

„Schauen wir mal, was er heute sagt“, begrüßt Sandra Maischberger den Kabarettisten Dieter Nuhr. Diese Anmoderation trifft die Gesamtsituation ganz gut, mit Betonung auf „heute“. Denn heute sagt Dieter Nuhr das Gegenteil von dem, was er noch vor einem Jahr vertreten hatte.

Im letzten Jahr war Dieter Nuhr noch einer der 26 Erst-Unterzeichner eines offenen Briefes an Kanzler Scholz, in dem er darum bat, keine schweren Waffen an die Ukraine zu liefern.

Die Initiative der Emma-Gründerin Alice Schwarze fürchtete, dass Deutschland dadurch selbst zur Kriegspartei würde, und dass „selbst der berechtigte Widerstand gegen einen Aggressor“ irgendwann in einem Missverhältnis zum „Maß an Zerstörung und menschlichem Leid unter der ukrainischen Zivilbevölkerung“ stehen würde.
Mittlerweile hat der Kabarettist seine Einstellung grundlegend geändert, hat Partei für die Kriegspartei ergriffen, und hält Forderungen nach Verhandlungen mit Putin für „völlig unrealistisch“.

Das klingt dann so bei Sandra Maischberger:

„Es gab jetzt wieder einen Brief beziehungsweise ein Manifest von Alice Schwarzer. Da haben sie nicht unterschrieben. Warum nicht?“

Dieter Nuhr:

„Ja weil ich die Sache natürlich nach einem Jahr anders sehe. Weil, damals war es so, dass der Krieg gerade angefangen hatte und sich auch ernsthaft noch niemand vorstellen konnte, wie das gehen soll, diese russische Armee zu schlagen. Dann war ziemlich schnell klar, dass der Krieg nicht nur zwischen Russland und der Ukraine stattfindet, sondern dass sich da schon jemand eingemischt hat und dass es größer wird. Und ich glaube, dass damals, in diesen Anfangstagen des Krieges, einfach überhaupt nicht klar war, was könnte denn das Ziel eines Eingreifens sein, und auch die Eskalationsangst war natürlich erheblich höher als heute, wo ein Jahr der Auseinandersetzung mit diesem Krieg stattgefunden hat. Heute halte ich die Forderung nach Verhandlungen völlig irreal, weil mit wem soll man verhandeln?“

Diese 180-Grad-Wende, viele ehemalige oder Noch-Fans des Kabarettisten hätten sich vielleicht über eine 360-Grad-Wende gefreut, ist den systemtreuen Groß-Medien einige Artikel wert. Der Stern schreibt beifällig „Dieter Nuhr hat seine Meinung zu den Waffenlieferungen an die Ukraine geändert.“ Das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) zitiert den Meinungswandel des 62-Jährigen, es gebe „ganz, ganz viele Themen, zu denen Menschen ihre Haltung ändern mit der Zeit“.

OK, der Kopf ist rund, damit das Denken sein Richtung ändern kann. Aber geht es hier um Denken? Oder geht es darum, im System zu bleiben, seine Sendeplätze zu behalten und nicht durch Shitstorms aus der öffentlich-rechtlichen Komfortzone ins Abseits gespült zu werden?

Vielleicht bestenfalls auf Provinzbühnen – wenn‘s gut läuft und man überhaupt noch Locations bekommt, oder eben noch nicht einmal das. Wie Stand-Up-Comedian Nicolai Binner nicht nur die Kollegen-Keule durch Bashing und Auftrittsabsagen erfahren hat, sondern sogar wegen seiner Comedy angezeigt wurde.

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Oder aufrecht Konsequenzen für ihre Kunst in Kauf zu nehmen wie Kabarettistin Lisa Fitz, die sich statt auf der Mattscheibe plötzlich auf Provinz-Theater-Tour wiederfindet. Die vollen Häuser der ausverkauften Tour (https://www.lisa-fitz.de/termine/) zeigen zwar, dass Künstler ihres Kalibers mehr denn je gefragt sind oder sogar gebraucht werden. „Menschen schätzen Rückgrat“, erzählte Kabarettistin Fitz kürzlich im Epoch-Times-Interview.

„Besonders in diesen Zeiten, wo jeder gedisst wird, der das offizielle Narrativ nicht bedient.“

Soweit will Dieter Nuhr nicht gehen, und er weiß, dass er dafür bestimmt auch nicht eingebucht wurde von ARD und Co. Ein bisschen täuscht Nuhr aus dem gemütlichen Maischberger-Sessel heraus dann doch an, dass er vielleicht zum Hofnarr taugen könnte.

Der Hofnarr hat aus seiner Historie heraus per Definition die Aufgabe als eine „Institution zulässiger Kritik“ zu wirken, und nicht in erster Linie das Publikum zu belustigen oder unterhalten. Der Hofnarr sagt einfach, was ist. Wie das Kind in „Des Kaisers neue Kleider“.

Nuhr schafft leider noch nicht einmal die Rolle vom „Hofnarr light“, als er vor Maischberger einen Witz verteidigt darüber, dass Grünen-Chefin Ricarda Lang als personifizierte Anti-Kalorien-Bombe all ihre Ausmaße in die Waagschale wirft, und so Nuhr, „uns versucht, als Volk in Ernährungsfragen pädagogisch zu betreuen“.

Weder ihm, noch sonst jemanden scheint aufzufallen, dass es schon surreal ist, als Kabarettist auf die Idee zu kommen, überhaupt einen Witz, den man gemacht hat, zu verteidigen. Dass ist kabarettistisches Green-Washing.

Aber dann kommt doch noch ein bisschen Ungehorsam – ganz im vertretbaren Maischberger-Maße natürlich. Kritik light vom Hofnarr light an den Grünen, von denen er einst selbst Gründungsmitglied gewesen sein soll.

Auf die Fragen der Moderatorin, was ihn an den Grünen von heute störe, entgegnete er: „Diese Verbotskultur, dieses Patriarchalische, was sie bei anderen Leuten anprangern, haben sie ja selber.“ Die Partei wolle „wie strenge Eltern von früher“ den Staatsbürgern erklären, was zu tun sei. „Und jemand, der das anders sieht, hat keine andere Meinung, sondern liegt falsch. Das hat so was von religiöser Wahrheitssicherheit, die ich überhaupt nicht teile.“

Nun mag das Zustimmung finden und viele, die die Entwicklung der Grünen verfolgt haben, reiben sich in der Tat inzwischen verwundert die Augen, wie eine Metamorphose von Frieden schaffen ohne Waffen zur autoritären Kriegsfetischisten-Partei so vielfach beklatscht und fast reibungslos ablaufen konnte.

Dieter Nuhr scheint bei seiner Kritik gar nicht zu merken, wie gut er eigentlich zu den Grünen und ihrer Entwicklung als Partei passt. Nur dass Nuhr in seiner Kehrwende wesentlich schneller war als die Partei. Die Grünen brauchten seit ihrem Einzug in den Bundestag dreißig Jahre, um von Pazifisten zu Panzerfans zu werden - Dieter Nuhr brauchte nicht einmal ein Jahr, sein Engagement für Friedensverhandlungen in der Ukraine an den Nagel zu hängen und zur Fraktion „Pflugscharen zu Schwertern“ überzulaufen.

Eigentlich passen sie damit gut zusammen und spiegeln sich gegenseitig wider. Mit dieser Grünenkritik kritisiert Nuhr im Grunde seinen eigenen blinden Fleck, ohne es zu merken.

Er selber scheint sich und seine Rolle ganz anders zu sehen. Im Vorwort zu Ralf Schulers Buch „Generation Gleichschritt“ schreibt er:

„Gerade die Blase meiner Berufskollegen beweist, dass daraus teilweise eine Art Gleichschaltung folgt, die kaum noch zu durchbrechen ist: Es werden Meinungskorridore festgelegt, deren Verlassen sofortigen Ausschluss bedeutet. Ich gelte unter den klassisch linken Kabarettisten als schwarzes Schaf.(…) Wer in meiner Sendung zu Gast war, hat mit beruflichen Benachteiligungen woanders zu rechnen.“

Nuhr hat bei Maischberger wieder einmal gezeigt, dass er selbst keine Benachteiligungen bereit ist in Kauf zu nehmen und mit seinem Auftritt dafür gesorgt, dass er der beste Gast seiner eigenen Sendung bleibt in der Pole Position am öffentlich-rechtlichen Futtertrog.

Er wird aber auch durch solche Gefälligkeits-Auftritte immer mehr zum „Nur noch Nuhr“, der nicht mal mehr zum Hofnarren taugt. Und vielleicht wird sich irgendwann zeigen, wie er sich stattdessen zum Narr gemacht hat. Bis dahin macht er regierungstaugliches Kabarett light und verkauft als Künstler seine großflächigen Bilder, die ihm Maischberger dann zum Ende des Interviews als Dankeschön noch einmal ordentlich bewirbt. Eine Hand wäscht die andere. Manchmal möchte man meinen: Auch ein Gehirn wäscht das andere.

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