Vorab gesagt: Ich bin kein Russland-Experte. Historiker und Wirtschaftsfachleute sind sicher in der Lage, die folgenden Thesen, Fakten und Blickwinkel einzuordnen, aufzeigen und zu beschreiben. Ich will lediglich versuchen, zusammenzutragen, was ebenfalls mit zur Entstehungsgeschichte des Ukrainekrieges gehört, gehören sollte oder gehören könnte.
Echte Fachleute sind aufgefordert, meine lose Sammlung in den Kommentaren bitte zu ergänzen und sonstige Hinweise zu geben.
Das Engagement der USA in der Ukraine seit der russischen Invasion 2022 wird oft als reine Verteidigung der ukrainischen Souveränität und internationaler Normen dargestellt. Doch ein Blick auf die historischen Verbindungen der USA zu Russland in den 1990er Jahren enthüllt ein komplexeres Muster geopolitischer, wirtschaftlicher und strategischer Interessen.
Damals wie heute geht es um den Einfluss auf Ressourcen, Märkte und politische Strukturen in Osteuropa. Die Parallelen zwischen der US-Beteiligung an der russischen Wirtschaftstransformation und der aktuellen Unterstützung der Ukraine zeigen, dass der Konflikt um mehr geht als nur militärische Abschreckung: Es handelt sich um einen Kampf um langfristige Dominanz in einer Region, die reich an Ressourcen und strategisch entscheidend ist.
Unzweifelhaft unternahmen die Supermächte während des Kalten Krieges alles, sich gegenseitig zu schwächen. Nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 sahen die USA in Russland eine einzigartige Chance, ihre globalen Interessen voranzutreiben. Primär – oder muss man „offiziell“ sagen? – ging es um geopolitische Stabilität: Die USA wollten einen Rückfall zum Kommunismus verhindern und Russland in das westliche Wirtschaftssystem integrieren, um es als potenziellen Verbündeten zu gewinnen.
Dies manifestierte sich in der Förderung der „Schocktherapie“ – einer rapiden Privatisierung staatlicher Vermögenswerte unter Präsident Boris Jelzin. Der Begriff wurde erstmals im Zusammenhang mit den Wirtschaftsreformen in Polen unter Leszek Balcerowicz(1989-1991) verwendet, die bereits vom US-Ökonomen Jeffrey Sachs beraten wurden. Sachs, der später auch Russland beriet, prägte den Begriff mit, indem er die schnelle Umstellung als notwendigen „Schock“ beschrieb, um stagnierende sozialistische Wirtschaften zu revitalisieren.
Die USA unterstützten dies, weil es nicht nur wirtschaftliche Reformen versprach, sondern auch den Zugriff auf russische Ressourcen wie Öl, Gas und Metalle eröffnete, die zuvor staatlich kontrolliert waren. Durch die Privatisierung sollten westliche Investoren und Unternehmen profitieren, was die russische Wirtschaft abhängig von globalen Märkten machen würde.
Wirtschaftlich zielten die USA auf eine Öffnung des russischen Marktes ab. Berater wie der genannte Jeffrey Sachs und das Harvard-Team empfahlen schnelle Privatisierungen, um Inflation zu bekämpfen und Wachstum zu fördern. Dahinter stand der Kalkül, dass ein marktwirtschaftliches Russland langfristig US-Interessen dienen würde: Es würde Abhängigkeit von westlichen Krediten schaffen und den Einfluss der USA in Eurasien stärken.
Interessant in dem Kontext: Jeffrey Sachs ist immer noch im Geschäft: Aber heute bewertet er gegen den Mainstream den Ukrainekrieg nicht als rein russische Aggression, sondern als Ergebnis langfristiger geopolitischer Provokationen des Westens, insbesondere der USA. Seine Analysen, die er immer wieder prominent in Interviews, Reden und Artikel äußert, fordern Verhandlungen, Neutralität für die Ukraine und eine Abkehr von der Eskalation.
Aber zurück nach Russland nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion: Die in der zweiten Amtszeit von Trump beendeten „USAID“-Programme finanzierten den Umbau der Sowjetwirtschaft mit Millionen Dollar, und der Internationale Währungsfonds (IMF) gewährte Milliardenkredite, die oft an bestimmte „Reformbedingungen“ geknüpft waren.
Politisch unterstützten die USA Jelzin – vordergründig um Stabilität zu gewährleisten – etwa durch Wahlhilfe 1996, die vor einem kommunistischen Comeback schützen sollte. Was etwa der "Spiegel" damals zusammengetragen hatte, bleibt auch dreißig Jahre später atemberaubend entlarvend.
Mit dem Bemühen es versachlicht auszudrücken: Diese US Interessen waren nicht altruistisch: Sie dienten der Absicherung US-dominierter globaler Strukturen, einschließlich des Zugriffs auf russische Rohstoffe, die für die Weltwirtschaft entscheidend sind.
Die US-Beteiligung war hochgradig verflochten, mit engen Verbindungen zwischen Regierung, Beratern und Oligarchen. Das Harvard Institute for International Development (HIID) beriet die russische Regierung direkt, finanziert durch USAID-Mittel in Höhe von über 40 Millionen Dollar.
Figuren wie Andrei Shleifer und Jonathan Hay arbeiteten eng mit russischen Reformerern wie Anatoli Tschubais zusammen, der die Privatisierung leitete. Allein Tschubais Leben und Wirken gehört ganz sicher zu den spannendsten Biografien der letzten Jahrzehnte.
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Diese Netzwerke waren so verzahnt, dass Korruptionsvorwürfe aufkamen: Berater investierten privat in russische Assets, was zu Skandalen führte und HIID zur Jahrtausendwende auflöste. Die Oligarchen – darunter viele mit Verbindungen zu westlichen Investoren – profitierten von „Loans-for-Shares“-Deals, bei denen Staatsfirmen zu Niedrigpreisen übernommen wurden. Etwa "Handelsblatt" schrieb 2022 von mit der Regierung von Boris Jelzin Mitte der 1990er-Jahre ausgehandelten „schmutzigen ‚Loans for Shares‘-Deal“.
US-Interessen verknüpften sich hier mit privaten Gewinnen: Westliche Banken und Fonds wie Goldman Sachs engagierten sich, um von der Öffnung zu profitieren. Beispielsweise George Soros, der in Russland investierte, wird oft als Symbol für diese Verflechtung gesehen – seine Stiftungen unterstützten Reformen, während er wirtschaftlich nutzte. Diese Verbindungen waren nicht nur wirtschaftlich, sondern auch geopolitisch: Die USA wollten Russland schwächen, um ihren Einfluss in Osteuropa zu festigen.
Die Parallelen zum aktuellen Konflikt in der Ukraine sind auffällig und deuten darauf hin, dass es um mehr geht als nur die Verteidigung gegen russische Aggression. Schon in den 1990er Jahren unterstützten die USA die Unabhängigkeit der Ukraine, um Russlands Einfluss zu begrenzen – ähnlich wie bei der russischen Privatisierung, wo der Fokus auf Integration und Abhängigkeit lag.
Heute fließen Milliarden an militärischer und wirtschaftlicher Hilfe in die Ukraine (über 66 Mrd. USD seit 2022), die nicht nur defensiv ist, sondern auch wirtschaftliche Chancen schafft. US-Rüstungsfirmen profitieren, und die Ukraine wird als Tor zu europäischen Märkten positioniert.
Verflochtene Netzwerke wiederholen sich: In der Ukraine beeinflussen US-Berater Reformen, etwa durch Bedingungen an Hilfen, die Oligarchenstrukturen (z. B. um Ihor Kolomojskyj) schwächen und westliche Investitionen fördern. Hatten die USA in den 1990er Jahren in Russland durch ihre Beratung und Unterstützung der „Schocktherapie“ zur Entstehung der Oligarchen beigetragen, versuchen sie in der Ukraine eine neue Strategie. Beide Fälle dienen US-Interessen an Einfluss und wirtschaftlicher Öffnung, aber die Methoden haben sich verändert.
Die Sichtweise der ukrainischen Bevölkerung ist vielfältig, doch für viele Bürger steht seit der Unabhängigkeit 1991 der Wunsch nach einer eigenständigen Entwicklung im Vordergrund, frei von russischer Dominanz. Besonders nach der Annexion der Krim 2014 und dem Krieg im Donbass verstärkte sich in weiten Teilen der Bevölkerung, vor allem im Westen und Zentrum des Landes, der Drang nach Sicherheit und wirtschaftlicher Perspektive durch engere Bindungen an EU und NATO. Für viele Ukrainer ist westliche Unterstützung ein Schutz vor russischer Aggression, auch wenn dieser Wunsch von regionalen Unterschieden und politischen Einflüssen geprägt ist. Die Ablehnung russischer Vorherrschaft bleibt für viele Bürger ein zentraler Antrieb, trotz unterschiedlicher Vorstellungen über den Weg zur Souveränität.
Erwähnenswert in dem Kontext: Noch vor Beginn des Krieges hatte Präsident Selenskyj 2021 ein „De-Oligarchisierungsgesetz“ eingeführt, welches Oligarchen von politischem Einfluss ausschließt (z. B. Medienbesitz, Finanzierung von Parteien). Was das mit den US zu tun hat? US-Hilfen (USAID, IMF-Kredite) sind an solche Reformen geknüpft, um EU-Beitritt und Korruptionsbekämpfung zu fördern. Die USA sind hier demnach auch Antreiber einer EU-Öffnung Richtung Ukraine.
Parallelen zu Afghanistan oder Irak zeigen, wie US-Engagement oft wirtschaftliche Ziele verfolgt: In der Ukraine geht es um Gasvorkommen, Ackerland und den Schwarzen Meer-Zugang. Die NATO-Erweiterung, die Putin als Bedrohung sieht, dient US-Interessen an einer Pufferzone, ähnlich wie die Privatisierung Russlands Einfluss brach.
Aktuelle Diskussionen um Sicherheitsgarantien für die Ukraine 2025 unterstreichen, dass es um langfristige Abhängigkeit geht. Die US-Interessen in Russland damals – Stabilität, Marktöffnung, Ressourcenzugriff – spiegeln sich in der Ukraine wider, wo es um Geopolitik, Energie und Einfluss geht.
Verflochtene Netzwerke von Beratern und Hilfen zeigen, dass Konflikte wie dieser nicht nur tiefe wirtschaftliche Dimensionen haben, sondern vielfach einem ähnlichen Muster folgen, das linke Denkmuster sicherlich antikapitalistisch einordnen. Nein, der Ukraine-Krieg ist kein reiner Verteidigungskampf, sondern Teil eines Kampfes um globale Dominanz, Ressourcen und Märkte – mehr, als viele denken.
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Kommentar von T S
Es geht immer nur um Einfluß um Profit, nichts anderes.
Was noch in Bezug auf die Ukraine zu ergänzen ist: Auch deren geostrategische Lage ist im Zentrum der Begehrlichkeit. Nicht nur die Krim als Flugzeugträger am Schwarzen Meer sowie deren Erreichbarkeit ist da relevant, sondern auch deren prädestinierte Lage als Drehscheibe des eurasischen Handels Richtung Westeuropa, Kernrußland, Nahost und Zentralasien - das vor allem auch in Hinsicht auf Pekings Vorrangprojekt "Neue Seidenstraße" welches das Zeug hat die US-amerikanische Dominanz zu brechen.
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Kommentar von Rainer Möller
Ich empfehle einen Geheimtipp, auf den Beobachter wie Steve Sailer immer wieder hingewiesen haben:
https://solari.com/anne-williamson-and-the-rape-of-russia-testimony-before-committee-on-banking-and-financial-services/
The Rape of Russia meint, dass es den Russen unter Jelzin wirklich dreckig ging (jeder Fernsehzuschauer konnte das damals sehen), während sich nicht nur einige russische Oligarchen, sondern auch viele westlichen Institutionen bereicherten (Steve Sailer hat immer wieder auf Harvard hingewiesen, dass durch mysteriöse Holzspekulationen sehr reich wurde und anschließend den Jelzin-Berater Lawrence Summers zum Präsidenten machte). Der Höhe- und Wendepunkt war, als der Oligarch Chodorkowsky seinen Besitz (etwa ein Fünftel der russischen Öl- und Gasvorräte) in ein westliches Konsortium einbringen wollte.
Die Bindung der Russen an Putin erklärt sich einfach dadurch, dass er dieser Ausplünderung Russlands ein Ende gemacht hat, die Oligarchen zurückgedrängt und dem russischen Volk wenigstens ein bescheidenes und sicheres Auskommen verschafft hat. Umgekehrt ist das Desinteresse der Russen an den Liberalen damit zu erklären, dass diese von dem ehemaligen "Mann hinter Jelzin" (Nemzow, in der Folge seine Tochter) geleitet wurden und sich niemals klar von dieser Ausplünderungspolitik abgesetzt haben, sie gelten bis heute als Vertreter des westlichen Großkapitals und sind es vielleicht auch.
Mit Chodorkowsky und mit dem Scheitern von Bill Browder beginnt dann die massive "neokonservative" Kampagne gegen Putin, deren Auswirkungen wir heute beobachten können.
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Kommentar von Josef Konrad
Oops! They Did It Too: EU-Kampf um Macht und Ressourcen in Russland und Ukraine.
Leider fehlt im Artikel jedes Wort über das Mitmachen der europäischen und speziell deutschen Regierungen bei der beschriebenen Politik der vom pseudolinken "tiefen US-Staat" gesteuerten Obama- und Biden-Regierungen der "US-Democrats".
"Unsere" EU-Regierungen und insbesondere "Führungskanzler" Scholz haben jedoch mitgemacht.
Jetzt haben sie den Salat; sie dürfen — und wollen, sogar "willig" — die rot-grüne US-Suppe bis zum bitteren Ende auslöffeln!
Kostenpunkt: Laut Trump täglich 700 - 1000 tote Soldaten beider Seiten, dazu viele europäische, hauptsächlich deutsche, hunderte Milliarden Euro.
(Hypothetische Frage: Hätte ein Kanzler Helmut Schmidt 2022 an der Stelle von Scholz mitgemacht?
- Höchstwahrscheinlich nicht; der hätte sich einfach geweigert zu zahlen und die in erster Linie Deutschland schadenden Sanktionen mitzutragen. Dann wäre aus dem bestialischen Krieg schon mal nichts geworden.)