Mit Urteil vom 20. März 2024 verurteilte das Landgericht Wuppertal einen Corona-Maßnahmen-Kritiker wegen Volksverhetzung in der Variante der Verharmlosung des NS-Unrechts (§ 130 Abs. 3 StGB) zu einer Geldstrafe. Das Urteil wurde in der Revisionsinstanz mit Beschluss des OLG Düsseldorf vom 7.August 2025 bestätigt – mit einem nichtssagenden Dreizeiler, also ohne jede Auseinandersetzung mit den Revisionsrügen.
I. Folgendes war passiert: Der Angeklagte hatte eine Illustration mit zwei Bildern gepostet. Auf dem einen Bild befand sich das Eingangstor zum KZ Auschwitz mit der Aufschrift „Arbeit macht frei“. Auf dem anderen Bild befand sich das Eingangstor zu einer Klinik mit der Aufschrift „Impfen macht frei“. Unter dem ersten Bild stand die Jahreszahl 1933, unter dem zweiten die Jahreszahl 2021, und in der Mitte zwischen den Bildern stand geschrieben: „Geschichte wiederholt sich“.
II. Darin, so das LG Wuppertal, liege eine Verharmlosung des NS-Unrechts. Die Juden im Dritten Reich, so führt das Gericht aus, hätten sich der Verfolgung nicht entziehen können und ihnen sei kein Rechtsschutz gewährt worden. Dann fährt es wörtlich fort:
„Dagegen fanden sich die Kritiker der Corona-Schutzmaßnahmen und Impfgegner in einer schwierigen Situation, die alle Menschen der Gesellschaft ohne Rücksicht auf Herkunft, Religion etc. gleichermaßen betraf und in der die in einem Rechtsstaat demokratisch legitimierten Entscheidungsträger schließlich immer wieder Maßnahmen beschlossen haben, die einen angemessenen Ausgleich insbesondere zwischen den Rechtsgütern Gesundheit mit dem Schutz vor einer Ansteckung an dem Corona-Virus einerseits und den persönlichen Freiheitsrechten des einzelnen andererseits bezweckten.
Die Maßnahmen waren grundsätzlich justitiabel und bei den meisten einschränkenden Regelungen gab es eine Wahlmöglichkeit der Betroffenen, wie mit einer Situation subjektiv umgangen werden soll (z.B. Impfen oder Fernbleiben, Testen oder Fernbleiben). … Zu keinem Zeitpunkt wurden Menschen wegen einer kritischen Haltung zu Corona-Maßnahmen von den Staatsträgern willkürlich verfolgt, verschleppt oder ermordet. Unter Berücksichtigung dieser unterschiedlichen Ausgangssituationen liegt es auf der Hand, dass eine Vergleichbarkeit zwischen ihnen nicht hergestellt werden kann und nicht hergestellt werden darf. Denn die Annahme einer Vergleichbarkeit würde das erlittene Unrecht der Opfer von Auschwitz geradezu verhöhnen.“
Sucht man nach Einwänden gegen diesen Gedankengang, weiß man gar nicht, wo man anfangen soll:
1. Was ist es anderes als politische Verfolgung, wenn der Freistaat Bayern Prof. Dr. Michael Meyen per Disziplinarverfügung das Gehalt kürzt, weil er für die Zeitung „Demokratischer Widerstand“ tätig geworden ist? Und die Bayerische Landesanwaltschaft eben dies auch noch munter gegenüber der Presse ausplaudert?
2. Was ist es anderes als Willkür, wenn friedliche Demonstranten in Berlin (und andernorts) anlasslos von der Polizei verprügelt wurden – so schwer, dass sich sogar der damalige UN-Sonderberichterstatter für Folter, Nils Melzer, einschaltete?
3. Wo bleibt die Justiziabilität der Maßnahmen, wenn die Gerichte kritiklos die Verlautbarungen des RKI übernehmen ungeachtet dessen, dass es sich beim RKI um eine weisungsabhängige Behörde handelt? Im Zeitpunkt der Urteilsverkündung lagen zumindest die geschwärzten RKI-Protokolle bereits vor. Die Einflussnahme fachfremder Politiker war daraus bereits damals erkennbar.
4. Was bleibt von der Freiheit eines Menschen übrig, wenn er vor die Wahl gestellt wird „Impfen oder raus aus dem Job“ oder „Impfen oder raus aus dem gesellschaftlichen Leben“?
5. Wie sollen wir denn aus der Geschichte lernen, wenn wir nicht vergleichen dürfen? Vergleichen heißt nicht gleichsetzen – die NS-Zeit begann ja bekanntlich nicht mit Konzentrationslagern. Hat das LG Wuppertal die ergreifende Rede der Holocaust-Überlebenden Vera Sharav im August 2022 in Nürnberg zur Kenntnis genommen?
6. Es trifft auch nicht zu, wie aber das LG Wuppertal weiter meint, dass mit einer Aufwertung des Leids der Maßnahmengegner zwingend eine Abwertung des NS-Unrechts verbunden ist. Richtig ist vielmehr Folgendes: Unumstößliche Prämisse jeglicher Vergleiche der Corona-Politik mit der NS-Zeit ist die Annahme, dass es sich bei den NS-Verbrechen um bestialisches Unrecht handelt. Jede Abwertung des NS-Unrechts würde zugleich die argumentative Durchschlagskraft des vom Angeklagten gezogenen Vergleichs schwächen.
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III. Die vom Angeklagten gepostete Illustration sei, so das Gericht weiter, auch geeignet, den öffentlichen Frieden zu stören:
„Da die Gruppe, in der die Bildcollage gepostet wurde, überwiegend aus Impfgegnern und Kritikern der Corona-Maßnahmen bestand, sich selbst als ,,(…) Widerstand" bezeichnet und in diesem Sinne aus Protest zusammengeschlossen hat, lag eine aktive Reaktion, die geeignet war, den öffentlichen Frieden zu stören, besonders nahe. In diesem Zusammenhang ist auch gerichtsbekannt, dass sich die Gruppe des (…) Widerstandes – losgelöst von dem verfahrensrelevanten Post – zu Demonstrationen gegen Corona-Maßnahmen in Solingen versammelt hat und insoweit also auch bereit war, ihren Unmut aktiv zum Ausdruck zu bringen.
Dabei verkennt die Kammer nicht, dass es natürlich legal und in einem Rechtsstaat gewünscht ist, auf Versammlungen die eigene Meinung und Protest kund zu tun. Allerdings resultieren aus diesen Versammlungen gerichtsbekannt auch Strafverfahren von nicht mehr rechtstreuem, übergriffigem Verhalten einzelner. Auch die den Angeklagten unterstützenden Menschen, die als Teil der Öffentlichkeit die Berufungshauptverhandlung verfolgt haben, konnten sich vereinzelt nicht zurückhalten und haben ihren Unmut bei Äußerungen des Staatsanwalts oder der Vorsitzenden, die ihnen nicht gepasst haben, respektlos kundgetan.
Unter zusätzlicher Berücksichtigung der gerichtsbekannten aufgeheizten Stimmung in der Gesellschaft im tatrelevanten Jahr 2021 und den teilweise sehr konträren Auffassungen bezüglich der Corona-Schutzmaßnahmen besteht in der Gesamtschau dieser Aspekte kein Zweifel der Kammer daran, dass der Post mit dem genannten Inhalt geeignet war, friedensstörende Reaktionen hervorzurufen - und zwar nicht nur der Gegner der Impfpflicht, sondern auch der Befürworter. Denn auch unterdiesen gab es Personen, die aggressiv und aktiv auf eine andere Meinung reagiert haben und auch insoweit möglicherweise bereit waren, als Reaktion auf den Post den öffentlichen Frieden zu stören.
Zudem zeigen insbesondere die verlesenen, vom Verteidiger vorgelegten Zitate von Beschimpfungen gegen Impfgegner, dass es auf beiden Seiten der vertretenen Positionen Menschen gab, die in ihren Äußerungen rechtlich und menschlich Grenzen überschritten haben, so dass entsprechende Taten zu befürchten waren.“
Mit bleibt hier wirklich die Spucke weg: Nicht genug damit, dass sich „Impfverweigerer“ schlimmste Feindbild-Rhetorik anhören mussten – sie sollen jetzt auch noch selbst daran schuld sein, dass sie auf das Übelste beschimpft wurden?!? Dreister kann die Verkehrung von Ursache und Wirkung kaum ausfallen. Und was kam eigentlich bei den angeblichen Strafverfahren gegen die angeblich übergriffigen und nicht rechtstreuen Demo-Teilnehmer heraus?
Das Urteil aus Wuppertal ist ein absolutes Desaster.
P.S. Andere Gerichte haben in der jüngeren Vergangenheit bei vergleichbaren Fällen deutlich mehr Augenmaß bewiesen. Dazu werde ich noch einen separaten Text veröffentlichen.
Urteil 28 NBs 75/23 (50 Js 161/22) und Revision: III-3 ORs 22/25
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Kommentar von Edlosi
Danke für den Text und die unermüdliche Suche und Mühe
nach der Wahrheit.
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Kommentar von T S
Der größte Unfug und zugleich Offenbarung der totalitären Gesinnung ist die Aussage "daß Vergleichbarkeit [...] nicht hergestellt werden kann und nicht hergestellt werden darf", denn das ist effektiv nichts anderes als ein Denkverbot. Alles kann, ja sollte und muß sogar vergleichbar sein, denn ein Vergleichen ist nötig um Parallelen als auch Unterschiede zu erkennen, ist somit der Wahrheitsfindung dienlich. Ganz im Gegenteil zu einer Gleichsetzung, aber diesen Unterschied scheint im Gesinnungsungeist wohl fremd zu sein.
Die Behauptung "in einem Rechtsstaat demokratisch legitimierten Entscheidungsträger" "die einen angemessenen Ausgleich[...] bezweckten" ist der reinste Hohn, denn schon von Anfang an war offensichtlich daß die nächtlichen Ausgangssperren - man durfte nicht mal allein im Gartenhaus übernachten! - in keinster Weise wissenschaftlich berechtigt waren, und die Ministerpräsidentenkonferenz sowie weiteres grobes Hinwegsetzen über reguläre parlamentarische Wege und Kontrollmechanismen gleichen ebenfalls eher dem Vorgehen pseudodemokratischer Militärrepubliken denn einem echten demokratischen Rechtsstaat.
Noch dreister verhöhnen diese Rechtsverdreher die Betroffenen wenn sie von einer angeblichen "Wahlmöglichkeit" schwurbeln, denn die drohende Impfpflicht sowie die drakonischen bis existenzvernichtenden Benachteiligungen und Strafen war sehr real und in Nachbarländern z.T. mit schon weitreichenden Beschäftigungsverboten bereits umgesetzt.
Daß kein Kritiker "willkürlich verfolgt, verschleppt" kann man so sehen, denn es wurden und werden bis heute gezielt die reichweitenstärksten Kritiker - Ballweg ist da nur das bekannteste Beispiel - schikaniert und ohne Urteil eingeknastet.
Grotesk ist die Benennung daß es Fehlverhalten Dritter gegeben hat - das ist nichts anderes als Sippenhaft.
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Kommentar von Adrian Kempf
Wenn Justiz zur Gesinnungsmaschine wird
Ein Bürger, der öffentlich Kritik an den Corona-Maßnahmen äußert, wird wegen Volksverhetzung verurteilt – mit der Begründung, er habe das NS-Unrecht verharmlost, weil er Parallelen zur heutigen Zeit zog?
Was hier geschieht, ist keine Rechtsstaatlichkeit – das ist politische Verfolgung im Mantel der Justiz.
Denn was wird dem Angeklagten konkret zur Last gelegt?
Dass er eine historische Analogie wagt. Dass er bildlich zum Ausdruck bringt, was Millionen Menschen empfunden haben: einen beispiellosen Angriff auf Grundrechte, auf körperliche Selbstbestimmung, auf medizinische Freiheit.
Dafür wird er kriminalisiert.
Und ausgerechnet das Gericht, das sich selbst zum moralischen Richter über historische Vergleiche aufschwingt, verkennt dabei fundamental, was Erinnerungskultur eigentlich bedeutet:
Nämlich die Pflicht, aus der Geschichte Schlüsse zu ziehen – gerade in ihren frühen Stadien. Die NS-Zeit begann nicht mit Auschwitz. Sie begann mit Diffamierung, Ausgrenzung, Berufsverboten, Entrechtung, Propaganda, Angst.
Wer meint, Vergleiche seien verboten, verbietet die Lehren aus der Geschichte.
Es geht hier nicht um eine Gleichsetzung der Shoah mit Corona-Politik. Sondern um ein Mahnmal: Wenn eine Gesellschaft wieder beginnt, Abweichler zu stigmatisieren, die Medien orchestriert einstimmen, und das Recht sich dem politischen Willen beugt – dann ist Wachsamkeit geboten. Nicht Schweigen.
Dass dieses Urteil nun auf eine Illustration reagiert, die genau diesen Finger in die Wunde legt, ist bezeichnend:
Nicht die Hetze gegen Ungeimpfte („Spritze oder Kugel“), nicht die Polizeigewalt gegen friedliche Demonstranten, nicht die Repressalien gegen Ärzte, Pfleger, Lehrer und Studenten ohne Impfung stehen vor Gericht – sondern derjenige, der daran erinnert, wie schnell sich staatliche Macht gegen das Volk wenden kann.
In anderen Ländern werden inzwischen Maßnahmenkritiker rehabilitiert, Bußgelder zurückgezahlt, Entlassungen rückgängig gemacht, Entschuldigungen ausgesprochen.
In Deutschland? Wird zensiert, bestraft, und das Ganze mit der moralischen Keule des NS-Vergleichs versehen.
Das ist nicht nur geschichtsvergessen – das ist rechtspolitische Brandstiftung.
Wer aus der Geschichte lernen will, muss vergleichen dürfen.
Wer nie wieder sagen will, „wir haben von nichts gewusst“, der sollte jetzt den Mund aufmachen.
Und wer schweigt, wenn aus Kritik Verbrechen gemacht wird, wird sich früher oder später selbst in dieser Rolle wiederfinden.
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Kommentar von Schwar Zi
Lieber Prof. Schwab,
ich schätze ihre Arbeiten sehr. Doch ich empfehle dem Juristen auch immer den Blick über den Tellerand, nur so wird das Elend der Finsternis vollkommen sichtbar. In anderen Ländern wurden Bürger längst rehalbiliert (z.B. in Italien), Bußgelder zurück erstattet und in den USA gab es sogar eine Widereinstellung von Angehörigen des Militärs, mit der Bitte um Verzeihung.
Aber hier zeigt sich die deutscheste aller Schwächen, wir sind richtig mies in Aufarbeitung. Wir haben die NS Zeit nicht ordentlich aufgearbeitet, bei der DDR Zeit haben wir es nicht einmal versucht. Heute, kaum 35 J danach weiß kaum ein Jugendlicher, kaum ein Student um die Gräuel der DDR Regime namens SED (heute als Die Linke bekannt). Und so wird es leider auch bei Corona laufen. Es geht nicht anders, es sind zig tausende Mitläufer in den Behörden, bei Gerichten und in der Presse gewesen. Der totale Ausfall der Gewaltenteilung. Alles hört auf mein Kommando...knall...Haken zusammen Merkel befiehl, wir folgen...
Als ehemaliger Bürger der DDR kann ich nur sagen, so habe ich mir das nicht vorgestellt. Ich hatte die Hoffnung auf ein Deutschland der kritischen Staatsbürger. Die dem Staat, der Politik stets mit einer gehörigen Portion Skepsis und gesundem Argwohn begegnen.
Die Realität jedoch ist, die Mehrheit ist blind, taub und naiv oder hat selbst mitgemacht.
Der Mann, der in der Firma wo ich arbeite stand und brüllte, man solle den Unigeinpften genau eine Wahl lassen, Spritze sofort oder Kugel in den Kopf oder mit nem Knüppel den Schädel einschlagen. Ist ebenfalls davon gekommen...er sagte dies mit dem Blick auf meine Frau (ungeimpft). Die Anzeige war für den Eimer, doch hätte ich ihn mir gegriffen, wem wäre es wohl ans Fell gegangen? Er beruft sich auf seine Meinungsfreiheit...