An der Humboldt-Uni Berlin: Ein Lehrstück über Angst und undemokratische Gesinnung

Revolutionäre oder Mitläufer? Studenten tragen Masken auch ohne Maskenpflicht

von Gaia Louise Vonhof (Kommentare: 2)

Der Alleingang einer Dozentin wird zur Demonstration einer alltäglich gewordenen undemokratischen Gesinnung.© Quelle: Pixabay / Alexandra_Koch

Die Masken fallen – aber nicht so, wie es die Humboldt-Uni in ihren Regeln vorsieht. In einem Lehrstück ihrer undemokratischen Gesinnung setzt eine Professorin das Maskentragen in ihren Seminaren durch – entgegen der aktuellen Regelung an der Uni, dem demokratisch abgefragten Willen der Mehrzahl ihrer Studenten und konträr dem gesunden Menschenverstand. Die Dozentin präsentiert ein undemokratisches Mindset.

Wer dachte, endlich wieder frei atmen zu können, gerade auch an den Unis, wo es besonders von Vorteil sein könnte, wenn das Hirn ausreichend Sauerstoffzufuhr bekommt, der kann in der „pandemischen Sommerpause“ beim Seminarbesuch das Gegenteil erleben.

Von vorne: Aufgewühlt rief mich meine Freundin an, sie wurde gerade an der Uni, wo sie studiert, Zeugin und unfreiwilliges Opfer einer für sie „unfassbaren Demonstration der undemokratischen Gesinnung“ ihrer Professorin.

Die Lernbereitschaft war groß: Endlich wieder in Präsenzseminaren studieren, die Maskenpflicht ist ausgesetzt, dachte sich die Bachelor-Studentin und fand sich dann aber in einem Seminar wieder, bei dem 75 Prozent der Studenten dazu gebracht wurden, Masken zu tragen, obwohl es offiziell gar keine Maskenpflicht mehr gibt an der Uni.

Zur Vorgeschichte: Seit drei Wochen ist die Maskenpflicht an den meisten Unis, auch an der Humboldt-Universität zu Berlin, ausgesetzt. Das wurde nicht so richtig transparent oder gar proaktiv kommuniziert an die Studenten, sondern schlicht in einem elektronischen Newsletter angekündigt mit der Überschrift „Auch ohne Pflicht: Solidarisch sein und weiter Maske tragen“ und mit dem unkommentierten Entfernen der Maskenschilder in den Gebäuden dezent abgefrühstückt.

Die beendete Maskenpflicht schien nicht jedem zu gefallen, offensichtlich besonders nicht der Professorin meiner Freundin. Die fragte im Nachgang dieser offiziellen Maskenfrei-Mail ihre Studenten, an der Zahl 16, im Seminar, wie „wir das handhaben wollen“ und ließ mit „Wahlzetteln“ abstimmen, um einen demokratisch erwirkten Konsens zum Thema Masken für die weiteren Seminartermine zu finden.

Eigentlich ist das an sich schon genug für eine Geschichte, dass diese Professorin nach eigenem Gutdünken die offiziellen Regelungen der Uni meint aussetzen zu müssen. Aber es geht noch weiter.

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Heute dann, im Folge-Seminar, das Ergebnis: 10 der 16 Studenten hatten gegen das Maskentragen im Seminar gevotet, 4 für das Tragen einer medizinischen Maske, 2 wollen weiterhin FFP2 tragen.

Kurz, über die Hälfte, 62 Prozent, haben ein maskenfreies Seminar gewählt. So das eindeutige Ergebnis dieser „demokratischen“ Umfrage, das der Dozentin genauso wenig zu gefallen schien wie die aktuellen Grundsatzregeln der Uni an sich.

Deshalb verkündete sie, kraft ihrer Autorität als Professorin: Demokratisch gesehen müssten jetzt keine Masken getragen werden, das Virus sei aber auch nicht demokratisch. Und deswegen verkündete sie kurzerhand Maskenpflicht für ihr Seminar als (weiterhin) obligatorisch, beziehungsweise empfahl ihren Studenten sehr dringlich das Tragen der Masken in ihrem Seminar.

Als meine Freundin sich dann in der Seminar-Gruppe umschaute, hatte sich das Verhältnis der Umfrage fast proportional umgekehrt: Nur vier der 16 Studenten trauten sich offensichtlich, sich ohne Maske zu zeigen, dabei hatten vorher 10 dagegen gestimmt.

Was diese sechs „gekippten“ Studenten bewogen hat, gegen das zu handeln, wofür sie vorher in der anonymen Umfrage gestimmt hatten, sei hier dahingestellt.

Frappierend nicht nur dieses Zeugnis, wie unter dem wahrscheinlich empfundenen „Druck“ oder der Ägide vermeintlicher Autoritäten die Studenten mehrheitlich „einknickten“. Viel erschreckender die Art von Demokratieverständnis, was hier eine „Lehrbeauftragte“ ihren Studenten vermittelte, ach was, man kann hier nur von Scheindemokratie-Verständnis sprechen. Regeln gelten nichts, demokratisch und auf eigenes Bestreben ermittelte Umfrageergebnisse werden ignoriert, wenn das Ergebnis nicht passt. Keiner merkt was, und falls doch: Keiner sagt was oder traut sich.

Nicht nur in der Mail an die HU-Studenten, sondern auch auf der offiziellen Pressemeldung der Humboldt-Universität wurden die Studenten aufgefordert, weiterhin Masken zu tragen, ungeachtet der offiziellen Regeln. Das Motto: „Solidarität bleibt das Gebot der Stunde.“

Wenn man sich dieses Agieren der Professorin nun anschaut, sollen die Studenten sich wohl viel mehr solidarisch zeigen mit einer antidemokratischen Gesinnung, die die Universität offensichtlich im Lehrkörper erreicht hat.

Eine irrationale und im besten Fall unbeabsichtigte Demonstration, wie sehr diese Pandemie vor allem in den Köpfen und diese Denke schon in den universitären Kaderschmieden der Zukunft implementiert ist. Wenn man wohlwollend ist, unreflektiert den Studenten übergestülpt wird und auf diese Weise schonmal in die Zukunft streut.

Aber vielleicht ist ja doch noch nicht alles verloren, denn die Studenten könnten angesichts der Plumpheit dieser Demonstration fehlenden Demokratieverständnisses vielleicht auch zu folgendem Schluss kommen:

Wenn nicht einmal ihre Professorin den Regeln der Universität folgt und einfach ihre eigenen aufmacht, ist das vielleicht auch eine gute Vorlage für die Studenten, zu zeigen, was sie von ihrer Professorin gelernt haben, indem sie das Grundprinzip auf die zu erwartenden Regeln der nächsten Herbst-Welle übertragen.

Denn man kann durchaus davon ausgehen, dass im Herbst das Maskentragen an den Universitäten wieder als verpflichtende Regel eingeführt wird. Dem Prinzip ihrer Professorin nach würde das dann bedeuten, dass die Studenten sich einfach über diese Regeln hinwegsetzen und KEINE Maske tragen, wenn es offiziell gefordert ist.

Und damit zeigen, dass sie das Grundprinzip, was hinter dem Verhalten Ihrer Dozentin steht, erfolgreich übertragen haben auf den Umgang mit der nächsten Herausforderung. Aber die linksnostalgische Idee, das Berlin noch einmal Ausgangspunkt einer revolutionären studentischen Bewegtheit werden könnte, ist wahrscheinlich mindestens genauso abwegig.

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