Wenn nicht jetzt Frieden … wann dann?

Rosenkrieg Gysi versus Restle: Das politmediale Gezänk geht in die zweite Runde

von Bertolt Willison (Kommentare: 6)

Wie geht es den Familien, deren Kinder in den Krieg gezogen sind und als tote Helden heimkehren werden?© Quelle: Pixabay / Ichigo121212 / OpenClipart-Vectors / Youtube / RBB / Massengeschmack-TV, Montage Bertolt Willison

Die linke Ikone Gregor Gysi und ARD-Mann Georg Restle haben über den Sinn und Zweck von Friedensverhandlungen noch nicht zu Ende diskutiert. Das ist gut so.

Demnächst trifft man sich wohl in Restles Sendung „StudioM“ zu einem gepflegten dialogischen Disput. Auf der Münchner Sicherheitskonferenz wird aktuell über militärische Zusammenschlüsse gegen Russland und die unbedingte Fortsetzung von Waffenlieferungen an die Ukraine gesprochen und entschieden. In der Ostukraine geht indessen das Töten immer weiter.

Was halten eigentlich die Soldaten auf beiden Seiten von diesem Krieg? Hat man sie gefragt? Sterben sie gerne, die jungen Männer, Söhne unserer Menschheitsfamilie, aufgelesen nicht ganz freiwillig von den Käschern der Armeen auf den Straßen ihrer Heimat? Wie geht es den Müttern und Vätern, deren Kinder in den Krieg gezogen sind und als tote Helden heimkehren werden?

Von Erich Maria Remarque stammt der Satz „Ich dachte immer, jeder Mensch sei gegen den Krieg, bis ich herausfand, dass es welche gibt, die dafür sind, besonders die, die nicht hingehen müssen."

Die Neuverfilmung  von „Im Westen nichts Neues“, Remarques Antikriegsroman, ist mit 9 Oscars nominiert, am 12. März ist die Preisverleihung. Hollywood wird jubeln und Biden Panzer schicken.

Die Kriegsbefürworter sind nicht als Kanonenfutter an der Front vorgesehen. Und auch diejenigen, die sich für den Frieden einsetzen, werden eher das sichere Weite suchen, als gegen das vermeintlich Böse mit der Waffe in der Hand zu kämpfen. Schreibtischtäter überall.

Doch Schweigen wäre angesichts der Katastrophe, auf die wir zusteuern, falsch.

Wir müssen diskutieren. Bis zum bitteren Ende. So wie es Gysi und Restle tun in ihrer zweiten Twitter-Runde zum Thema: „Wenn nicht jetzt Frieden … wann dann?“, die wir hier dokumentieren.

 

Gregor Gysi@GregorGysi
16.2.2023, gegen 13:35 Uhr

Lieber Georg Restle,

mit Interesse habe ich Ihre Nachricht gelesen. Wie Sie denke auch ich, dass Putin ursprünglich vorhatte, die Ukraine als eigenen Staat und die ukrainische Identität auszulöschen.

Wahrscheinlich hatte er Fehlinformationen seiner Geheimdienste, wonach die große Mehrheit der ukrainischen Bevölkerung ihm zujubeln würde. Inzwischen hat er aber begriffen, dass eine Auslöschung des Staates Ukraine & eine Vernichtung der ukrainischen Identität ausgeschlossen sind.

Die Ukrainerinnen und Ukrainer ukrainischer Nationalität bestehen auf ihrem Staat. Bei einer beachtlichen Zahl von Ukrainerinnen und Ukrainern russischer Nationalität sieht es allerdings anders aus. Sie dürfen nicht vergessen, dass die Ukraine das Minsk II-Abkommen verletzt hat.

Weder wurde das Donbas-Gebiet innerhalb der Ukraine autonom noch gab es dort Regionalwahlen unter Kontrolle der OSZE. Aber all das rechtfertigt niemals einen völkerrechtswidrigen Angriffskrieg. Auch dahingehend sind wir uns einig.

Ich kann Ihnen sagen, welcher "Preis" für den Frieden zu bezahlen wäre. Es geht um die Punkte der Verständigung, die der vorhergehende israelische Ministerpräsident Bennett mit Putin und Selenskyj ausgehandelt hatte.

Es wäre sehr schnell nach Kriegsbeginn zu einem Waffenstillstand gekommen, dem sowohl Putin als auch Selenskyj zugestimmt hatten. Ich frage Sie, mit welchem Recht US-Präsident Biden & der damalige Premierminister von Großbritannien Johnson diese Übereinkunft nicht akzeptierten?

Sie nahmen viele weitere Tote, Verletzte & Zerstörungen in Kauf. Gegen den Willen der genannten westlichen Regierungen konnte Selenskyj die Übereinkunft mit Russland nicht herstellen, weil er Gefahr gelaufen wäre, nie angemessene wirtschaftliche Unterstützung erfahren zu können.

Der frühere israelische Ministerpräsident Bennett nannte das Verhalten der westlichen Regierungen einen schweren Fehler. So sehe ich es auch. Genau auf diese Verständigung muss man hinarbeiten. Mit viel Diplomatie, aber auch mit Druck.

Getreideabkommen & Gefangenenaustausche zeigen, dass Vereinbarungen möglich sind. Egal, wann die Verhandlungen geführt werden, niemand kann ernsthaft damit rechnen, dass es in absehbarer Zeit Putin als Präsidenten nicht mehr gibt, Verhandlungen also mit ihm geführt werden müssen

Das Entscheidende am Waffenstillstand wäre, dass der Krieg für die ukrainische Bevölkerung aufhörte. Ist das nicht jedes Bemühen wert?

Macht andererseits die Hoffnung auf eine möglicherweise irgendwann etwas bessere Verhandlungsposition weitere Wochen und Monate oder gar Jahre Krieg mit weiteren Zehntausenden Toten und Verletzten und Zerstörungen wirklich vertretbar?

Einen militärischen Sieg halten die meisten Militärs weder für die Ukraine noch für Russland für möglich. Es wird am Ende also Kompromisse geben müssen und es sind doch viele Kompromisse denkbar, zum Beispiel freiwillige doppelte Staatsbürgerschaften etc.

Einen dauerhaften Frieden wird man nur auf dem Verhandlungsweg erreichen. Man muss ihn aber auch gehen wollen.“


Georg Restle@georgrestle
17.2.2023, gegen 13.00 Uhr

„Lieber Gregor Gysi,

danke für Ihre Antwort. Gerne würde ich Ihren Optimismus bzgl. eines Friedensvertrags mit Russland teilen, der dem andauernden russischen Kriegsverbrechen eines Angriffskriegs schnell ein Ende setzt und die territoriale Integrität der Ukraine wieder herstellt.

Allein mir fehlt der Glaube, dass dies derzeit möglich ist. Ihre Verweise auf die Bennett-Vermittlungen oder das Getreideabkommen überzeugen mich keinesfalls, da sie nichts mit den heutigen Kriegszielen Putins zu tun haben. Nun behaupten Sie, dass sich diese geändert hätten.

Dafür gibt es nur leider keinerlei Hinweise und auch Sie führen keinen Beleg an. Im Gegenteil: Angesichts des mit unverminderter Härte geführten Angriffskrieges spricht doch einiges dafür, dass Putin weiter alles dafür tut, möglichst große Landgewinne durchzusetzen.

Ich wundere mich daher in Ihr großes Vertrauen in Putins Verlässlichkeit. Ein Mann, der Stalin wieder huldigt, die Opposition im eigenen Land unterdrückt und das Völkerrecht auf solch massive Weise verletzt wie derzeit in der Ukraine. Oder haben Sie Butscha vergessen?

Ihren Verweis auf die (tatsächlichen) Verletzungen des Minsker Abkommens durch die Ukraine finde ich angesichts des vorangegangenen und weiter andauernden eklatanten Völkerrechtsbruchs Russlands daher für geradezu zynisch. So ähnlich argumentiert auch die russische Propaganda.

Es gäbe noch mehr zu Ihren Punkten zu sagen. Ich glaube allerdings kaum, dass dies hier auf Twitter in der gebotenen Tiefe möglich ist. Ich lade Sie daher gerne zur nächsten Ausgabe von „StudioM“ ein, wo wir ausführlich darüber reden können.

Mit freundlichen Grüßen, Georg Restle“

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