Wir werden wohl wiederkommen müssen

Simbabwe und die Wasserfälle

von Corinne Henker (Kommentare: 3)

Die Menschen schienen mit der aktuellen Regierung recht zufrieden zu sein.© Quelle: Corinne Henker

Zunächst ein Geständnis: Wir sind nicht durch Simbabwe gereist, sondern haben nur zwei Tage in Victoria Falls verbracht. Aber wenn man sich etwas informiert und mit offenen Augen und Ohren unterwegs ist, gewinnt man schon einen guten ersten Eindruck, den ich hier gerne teilen möchte.

Simbabwe ist ein Binnenstaat im südlichen Afrika mit heute etwa 17 Millionen Einwohnern. Die Hauptstadt ist Harare. Die Region wird seit etwa 2.000 Jahren von Bantu-Völkern bewohnt. 1837 wurden die Bantu (Shona) durch die Ndebele aus dem heutigen Südafrika unterworfen. Im Jahre 1889 gründete Cecil Rhodes im Auftrag der britischen Regierung die Britische Südafrika-Gesellschaft (BSAC), die die Entwicklung des südlichen Afrika vorantreiben sollte. Unter Rhodes Führung wurden die unabhängigen Königreiche im heutigen Sambia und Simbabwe gewaltsam unter britische Kontrolle gebracht - und 1911 nach ihrem Eroberer in Nord- und Südrhodesien umbenannt. Die Region wurde an das Eisenbahnnetz von Südafrika angeschlossen, einige Gebiete wurden von der BSAC an britische Siedler verkauft.

1930 verfügte die britische Kolonialverwaltung, dass der Landbesitz den weißen Kolonisten vorbehalten war. Die Ureinwohner wurden in unfruchtbare Regionen verdrängt.

1965 verkündete eine weiße Minderheitsregierung die Unabhängigkeit des Landes - beeinflusst durch schwarze Regierungen, die in den Nachbarländern die Macht ergriffen, und ermutigt durch die südafrikanische Apartheidpolitik. Die Unabhängigkeit wurde zunächst nur von Südafrika anerkannt, erst 1980 erlangte das Land Simbabwe auf der Grundlage des Lancaster-House-Abkommens die international anerkannte Unabhängigkeit. Das Abkommen beinhaltete unter anderem eine vorübergehende Rückkehr unter die britische Herrschaft, eine neue parlamentarische Verfassung sowie auf mehrere Jahre befristete Privilegien für die weiße Minderheit. Noch im selben Jahr wurde das Land in die UNO aufgenommen. Die parlamentarische Regierungsform wurde zunächst beibehalten: Präsident war Canaan Banana, Regierungschef Robert Mugabe. Die Regierung förderte Kleinbauern und startete mehrere soziale Programme, unter anderem im Gesundheits- und Bildungsbereich. Die sozialen Indikatoren verbesserten sich enorm: Lebenserwartung und Wirtschaftswachstum stiegen, die Kindersterblichkeit sank.

1987/88 kam es zu gravierenden Verfassungsänderungen: Simbabwe wurde in eine Präsidialrepublik umgewandelt, der Staatspräsident erhielt alle Befugnisse eines Regierungschefs. Ab 1991 begann die Regierung unter Mugabe auf Drängen von Weltbank und IWF mit einer Liberalisierung und Deregulierung der Märkte. Damit sollte das Land attraktiver für internationale Investoren werden. Die Sozialausgaben wurden deutlich gekürzt. 1997 gehörte Simbabwe zu den wirtschaftlich stärksten Ländern Afrikas.

Seit dem Jahr 2000 wurde die von Mugabe angeordnete Landreform gewaltsam umgesetzt. Etwa elf Millionen Hektar Land der weißen Farmer wurden enteignet und neu verteilt – offiziell an rund 300.000 Kleinbauern. Viele Höfe gingen jedoch ohne Entschädigungszahlung an Politiker von Mugabes Regierungspartei ZANU-PF. Weiße Siedler flüchteten oder wurden vertrieben, Vieh und Maschinen wurden geplündert. Durch Korruption und Misswirtschaft wurde der einstige „Brotkorb“ Afrikas zu einem von Hungersnöten geplagten und von Lebensmitteleinfuhren abhängigen Land.

2008 waren aufgrund von Hyperinflation, Devisenknappheit, fehlenden Investitionen, Handelsrestriktionen und Energieknappheit alle Wirtschaftsbereiche nahezu vollständig zum Erliegen gekommen. Die Arbeitslosigkeit lag bei 94 Prozent. Die Unzufriedenheit der Bevölkerung wuchs, doch die Opposition wurde verfolgt, Wahlen gefälscht, Justiz und Medien gleichgeschaltet, Meinungs- und Versammlungsfreiheit dramatisch eingeschränkt und diktatorische Maßnahmen gegen politisch Andersdenkende ergriffen. Bei den Präsidentschaftswahlen 2008 wurde ein Sieg der Oppositionspartei Movement for Democratic Change (MDC) unter Morgan Tsvangirai vorhergesagt, auch die ersten Hochrechnungen sprachen für eine absolute Mehrheit des MDC. Doch die offiziellen Wahlergebnisse lieferten kein eindeutiges Ergebnis. Nach massiven Repressionen zog Tsvangirai seine Kandidatur zurück, bei den folgenden Neuwahlen gewann erwartungsgemäß Mugabe. Nach Vermittlung des südafrikanischen Staatspräsidenten Thabo Mbeki einigte man sich auf eine Machtteilung. 2009 wurden Tsvangirai als Ministerpräsident und Mugabe als Präsident vereidigt. Unter der neuen Regierung nahm die Gewalt ab und die wirtschaftliche Lage verbesserte sich. Um die Inflation zu senken, wurden Fremdwährungen erlaubt.

Die Wirtschaft wuchs bis 2012 um etwa 10 Prozent jährlich. Allerdings schwand das Vertrauen in den Simbabwe-Dollar. 2014 gab es acht offizielle Währungen im Land, 2015 hatten eine Billion Simbabwe-Dollar einen Wert von etwa 40 US-Cent. Auch bei der Wahl 2013 kam es zu „Unregelmäßigkeiten“, Mugabe wurde zum Sieger erklärt und erhielt eine Zwei-Drittel-Mehrheit im Parlament. Bald darauf wurde ein Gesetz erlassen, dass 51 Prozent der Firmen, die sich in Besitz von Weißen befanden, an Schwarze übergeben werden müssen. Die Investitionssicherheit sank, die Folgen für die Wirtschaft waren verheerend. Durch Exportdefizite kam es zur US-Dollar-Knappheit. 2016 wurden Regierungsangestellte wochenlang nicht bezahlt, Polizisten erpressten mit Straßenblockaden Geld von ausländischen Touristen, es gab Proteste im ganzen Land.

Selbst im Alter von 90 Jahren klammerte sich Mugabe noch an die Macht und wollte seine Ehefrau Grace zur Nachfolgerin aufbauen. Das wurde dann selbst der Regierungspartei ZANU-PF zu viel. 2017 kam es zum Militärputsch, Mugabe trat zurück, sein langjähriger Weggefährte und Parteifreund Emmerson Mnangagwa als neuer Präsident eingesetzt. Dieser konnte dann die Wahlen von 2018 und 2023 für sich entscheiden.

Laut Amnesty International setzt Mnangagwa den autokratischen Regierungsstil fort. Die Wirtschaft wuchs in den letzten Jahren durchschnittlich um etwa 5 Prozent, die offizielle Arbeitslosigkeit lag 2021 bei nur 5,2 Prozent. Die Wirtschaft ist weiterhin staatlich dominiert, Privatunternehmen leiden an hohen Steuern und Bürokratie.

Wichtigste Exportgüter sind Mineralien, Gold und landwirtschaftliche Produkte. Auch der Tourismus spielt eine wichtige Rolle für die Wirtschaft des Landes. 2019 erfolgte eine Währungsreform: Der RGTS-Dollar wurde eingeführt,
ausländische Währungen erneut verboten. Dieses Verbot wurde jedoch bereits im März 2020 wieder aufgehoben, die Währung verlor erneut an Wert: allein im Jahr 2023 etwa 80 Prozent. Daraufhin wurde am 5. April 2024 der Zimbabwe-Gold (ZiG) als offizielle Währung eingeführt. Die Währung ist durch Gold gedeckt und soll der hohen Inflation im Land entgegenwirken. Der US-Dollar bleibt ebenfalls gültiges Zahlungsmittel. Derzeit werden 85 Prozent aller Transaktionen in US-Dollar abgewickelt und man rechnet damit, dass sich dies nicht so bald ändern wird.

Wir besuchten im März Victoria Falls, Simbabwe. Alles wurde in US-Dollar bezahlt und die Preise befanden sich fast auf europäischem Niveau. So kostete ein Liter Benzin etwa 1,60 US-Dollar, ein 15-minütiger Hubschrauberflug über die Victoria-Fälle 175 US-Dollar, Eintritt in den Nationalpark 50 US-Dollar (für Ausländer), ein Hauptgericht im Restaurant etwa 20 US-Dollar. Victoria Falls ist natürlich keine gewöhnliche Stadt in Simbabwe. Sie liegt im westlichen Zipfel des Landes an der Grenze zu Sambia, am Ufer des Sambesi. Die Victoria-Fälle sind Hauptattraktion der Stadt, die nahezu ausschließlich vom Tourismus lebt. Auch während des Mugabe-Regimes blieb die Region deshalb von den schlimmsten Folgen der Diktatur verschont.

Die Kriminalität hält sich in Grenzen. Wir fühlten uns nie unsicher, hielten uns aber auch an den Rat, bei Dunkelheit nicht mehr zu Fuß unterwegs zu sein. Auch kleinere Wohnhäuser in Victoria Falls sind von Mauern oder Stacheldraht umgeben. An jeder Ecke bot man uns alte Banknoten an, mit dem wir zum Milliardär hätten werden könnten – allerdings nur für Simbabwe-Dollar. Insgesamt machte die Stadt auf uns einen für afrikanische Verhältnisse gepflegten Eindruck. Hin und wieder sieht man Paviane, in der Trockenzeit sollen auch Elefanten in die Stadt kommen.

Alles ist auf Tourismus ausgerichtet. Man findet Hotels und Restaurants in verschiedenen Preiskategorien, viele Märkte und Geschäfte mit afrikanischem Kunsthandwerk. Es gibt unzählige Freizeitangebote wie Bungee-Jumping, Ziplining, Rafting oder Wildbeobachtungen in den Nationalparks. Um noch mehr Touristen anzulocken, plant Simbabwe die Errichtung eines riesigen Vergnügungsparks für 300 Millionen US-Dollar.

Die Menschen, mit denen wir redeten (Taxi-Fahrer und Hotelangestellte), schienen mit der aktuellen Regierung recht zufrieden zu sein. Sie waren froh über das Ende der Mugabe-Diktatur und bescheinigten Mnangagwa einen besseren Politikstil zum Wohl des Landes. Mugabe beschrieb man uns als „guten Freiheitskämpfer, aber schlechten Präsidenten“.

Es wird noch lange dauern, ehe die Folgen des Mugabe-Regimes überwunden sind. Derzeit (2022) liegt das Bruttoinlandsprodukt pro Kopf bei etwa 1.680 US-Dollar, etwas höher als in Sambia (1.460 US-Dollar), aber deutlich niedriger als in Südafrika (6.770 US-Dollar) oder Botswana (7.740 US-Dollar).

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Der Grund für unseren Aufenthalt waren natürlich die Viktoria-Fälle, seit 1989 UNESCO-Welterbe. Die Fälle gehören mit einer Breite von etwa 1.700 m und einer Höhe von etwa 110 m zu den größten Wasserfällen der Erde. Sie liegen an der Grenze von Sambia und Simbabwe. Ihre Entstehungsgeschichte ist beeindruckend und würde diesen Bericht sprengen, deshalb nur so viel: Die jetzigen Fälle sind bereits die achten ihrer Art und sie
wandern weiter nach Norden, in Richtung der Sambesi-Quelle.

Die Victoria-Fälle trocknen übrigens nicht aus, wie beispielsweise hier angedeutet wird. Nach der Regenzeit stürzen im März bis zu 10.000 Kubikmeter Wasser pro Sekunde in die Tiefe, zum Ende der Trockenzeit im Oktober kann die Wassermenge auf 170 Kubikmeter pro Sekunde schrumpfen. Insbesondere der sambische Teil der Fälle sieht dann recht trostlos aus. Wir konnten die Fälle in ihrer vollen Pracht bewundern - obwohl die Regenzeit wegen des El Niño-Phänomens in dieser Saison viel schwächer ausfiel als üblich und so im südlichen Afrika zu einer Dürre-Katastrophe führte.

Beeindruckend ist auch die Victoria Falls Bridge über den Sambesi unterhalb der Fälle. Die 198 Meter lange Stahlbrücke wurde 1905 von George Darwin, Sohn von Charles Darwin, eingeweiht. Sie ist die einzige Eisenbahnverbindung zwischen Sambia und Simbabwe und eine von nur drei Straßenverbindungen zwischen den beiden Nachbarländern. Von hier genießt man einen schönen Blick auf die Fälle und kann bei Bedarf am Bungee-Seil 111 Meter in die Tiefe springen. Wir verzichteten.

Das Gebiet der Victoria-Fälle wurde 1934 grenzübergreifend unter Schutz gestellt. Heute gibt es hier drei Nationalparks: den Mosi-oa-Tunya-Nationalpark in Sambia, den Victoria Falls National Park und den Zambezi National Park in Simbabwe. Antilopen, Elefanten, Nilpferde, Büffel und Nashörner können sich frei zwischen den beiden Parks in Simbabwe bewegen, in Sambia schützen Zäune die Vororte der Stadt Livingstone vor den Wildwanderungen.

Während des Besuches im Victoria Falls National Park sollte man jedoch keine großen Erwartungen an Wildbeobachtungen stellen. Bessere Chancen hat man bei einer Bootstour auf dem Sambesi oberhalb der Fälle, am romantischsten ist das zum Sonnenuntergang. Schon nach zwei Tagen in Victoria Falls fuhren wir weiter nach Kasane in Botswana. Doch Simbabwe hat noch so viel mehr zu bieten: neben mehreren Nationalparks in unterschiedlichen Landschaften auch die beeindruckenden Ruinen von Great Simbabwe aus dem 11. bis 15. Jahrhundert.

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