Vor der dänischen Küste im suppigen Ostseewasser brodeln aktuell mehr als nur die Gerüchte

Sprengung von Nord Stream 1 und 2 – Die Liste der Verdächtigen

von Gaia Louise Vonhof (Kommentare: 8)

Luisa Neubauer war es nicht. Aber sie wäre es gerne gewesen. Ein überraschender Anschlagskandidat zum Schluss: Deutschland.© Quelle: Youtube / FAZ / TRT / Pixabay / OpenClipart-Vectors, Montage Alexander Wallasch

Anfang der Woche schlugen nahe der Ostseeinsel Bornholm die Pipelines Nord Stream 1 und 2 leck. Gas strömte aus. Luftaufnahmen der dänischen Marine von einer weithin aufgewühlten Wasseroberfläche gingen um die Welt. Inzwischen sind sich die meisten Experten einig: Es handelt sich um einen Anschlag.

Eine der unmittelbaren Folgen für Deutschland: Selbst, wenn jetzt noch jemand die Leitungen aufdrehen wollte, um den erwarteten kalten Winter nicht zu einem sibirischen in den Wohnzimmern werden zu lassen, wie es schon auf Demonstrationen gefordert wurde, wäre das gar nicht mehr möglich.

Das Bundeswirtschaftsministerium und die Bundesnetzagentur kamen relativ schnell mit der Nachricht um die Ecke, dass diese Vorfälle keine Auswirkungen auf die Versorgungssicherheit in Deutschland haben würden: „Es fließt seit dem russischen Stopp der Lieferungen Anfang September kein Gas mehr durch Nord Stream 1. Die Speicherstände steigen dennoch weiter kontinuierlich an. Sie liegen aktuell bei rund 91 Prozent.“

Und um auch das schnell zu klären, warum die Leitungen leck schlagen können, wenn doch gar kein Gas mehr durch sie fließt: Technisch soll es wohl so sein, dass die Leitungen selbst weiter unter Druck stehen müssen. Und daher mit einer Art Standgas gefüllt sind.

Wenn es laut Bundesregierung nicht um eine Versorgungssicherheit geht, wie von offizieller Seite gesagt – um Sicherheit geht es in jedem Fall. Denn die Gesamtsituation ist es, die Anlass zur Sorge gibt.

Was genau passiert ist, weiß zum jetzigen Zeitpunkt niemand genau. Also viel Raum für Spekulationen, die von Ungereimtheiten gespeist werden.

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Das Nordmagazin des NDR stellte schon kurz nach Bekanntwerden des Druckabfalls die Grundsatzfrage, wie solche Lecks entstehen könnten. Die Pipeline sei mehrfach geprüft worden, und auch nochmal zusätzlich mit Beton ummantelt, also eigentlich sicher.

Auch habe es in den letzten zehn Jahren des Betreibens von Nord Stream 1 niemals solche oder ähnliche Zwischenfälle gegeben. Keine 24 Stunden später war es bereits von einer Reihe von Experten und Quellen belegt:

Zwei Erschütterungen wurden laut der seismologischen Station „DK.BSD“ registriert, in einer Stärke, die man durchaus Sprengungen oder Detonationen zuordnen könne, nachts um 2:03 Uhr und dann nochmal um 19:04 Uhr, in einem Areal ohne Bebenvorkommen. Im Anschluss daran stundenlanges Rauschen, was auf ausströmendes Gas hinweisen könnte. Experten gehen von einer „Explosion“ aus, wie der Spiegel berichtete.

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Wer sind die von Politik und Medien bisher genannten Verdächtigen?

  1. Wladimir Putin ist aktuell mit Abstand Bösewicht Nummer eins. Ihm wird zugetraut, hier agiert zu haben nach dem Motto: „Denkt bloß nicht, Ihr seid sicher. Wir können alles sabotieren.“ Des Weiteren wird ihm unterstellt, er wolle so die vertraglichen Verpflichtungen umgehen, denn durch eine kaputte Gasleitung kann kein Gas fließen. Außerdem verfügt Russland über die entsprechenden militärischen Fachkräfte, eine solche Unterwassersabotage in 70 bis 90 Metern Tiefe durchzuführen

  2. Eine als Verdächtige krasse Außenseiterin, die hier nur zur Unterhaltung angeführt wird, ist Luisa Neubauer , die im Rahmen eines Instagram-Posts zum letzten Klimagipfel in Kopenhagen angedroht hatte: „… Wir arbeiten an verschiedenen Themen: Gerechtigkeit, Gleichheit, die Klimakrise. Und jetzt gerade planen wir, wie man …“ Neubauer spricht den Satz in ihrem Post nicht zu Ende, formuliert ihre Intention aber schwarz auf weiß und ergänzt in einem eingebetteten Text, dass sie darüber nachdenke, eine Pipeline in die Luft zu jagen.

  3. Verdächtiger Nummer drei: Die Ukraine, weil sie generell gegen die Gas- und Öllieferungen ist und von Anfang an war. Ex-Botschafter Andrij Melnyk äußerte sich im Februar 2022 in einem Fernseh-Interview in Richtung deutsche Regierung folgendermaßen: „Nord Stream 2 is a mistake and it’s time to correct it“, auf Deutsch: „Nord Stream 2 ist ein Fehler und es ist Zeit, diesen zu korrigieren.“ Es ist aber unwahrscheinlich, dass die Ukraine den mutmaßlichen Fehler durch Sprengung selbst korrigiert hat. Dazu wäre das Land technisch gar nicht in der Lage oder müsste zu weitreichende Konsequenzen tragen, die seiner Interessenslage widersprechen, wie beispielsweise den zumindest teilweisen Verlust seiner Unterstützung durch die EU.

  4. Anfang der Woche weihten die Regierungschefs von Polen und Dänemark zusammen mit Norwegens Energieminister die neue Baltic Pipe ein – eine 900 Kilometer lange Ostsee-Pipeline durch die Ostsee, die norwegisches Gas nach Polen bringen soll. Für Polen geht es bei dem 1,6 Mrd. Euro teuren Projekt auch darum, sich unabhängig zu machen „vom russischen Erpresser“. Die Sprengung der Pipelines wird von offizieller Seite „begrüßt“: Radoslaw Sikorski, der ehemalige polnische Verteidigungsminister, Außenminister und Parlamentspräsident, schrieb via Twitter zu einem Foto der mutmaßlichen Gasaustrittstelle auf der Ostsee: „Thank you, USA.“ Womit wir bei einem weiteren Verdächtigen wären, den Vereinigten Staaten unter Präsident Joe Biden: Das Interesse an einem endgültigen Aus der beiden Ostseepipelines ist hier zweifellos vorhanden. US-Präsident Biden kündigte zudem offen an, dass die USA einen Weg finden würden, Nord Stream auch gegen die Interessen Deutschlands „ein Ende zu setzen“.

  5. Mit von der Partie in diesem Fall wäre dann Bösewicht Nummer 5 – die NATO, respektive die US-Verbände als Teil die Nato. Indizien hierfür: Am Donnerstagmorgen passierte im NATO-Auftrag ein großer Flottenverband der US-Navy Fehmarn. Die „USS Kearsarge“ als Flaggschiff war dabei das größte Kriegsschiff. Die „USS Kearsarge“ fährt in voller Kriegsmontur und ist bestückt mit 40 Hubschraubern und Kampfflugzeugen. Die US-Marine war zu diesem Zeitpunkt zurück in Richtung Westen, also aus Richtung östlicher Ostsee und Bornholm kommend unterwegs. Auch die Landungsschiffe „USS Arlington“ und „USS Gunston Hall“, waren Mittwochvormittag auf dem Weg Richtung Westen. Diese Bewegungen der Nato-Kriegsschiffe bedeuten aber nicht zwangsläufig, dass man aus diesen auch finale Schlüsse ziehen könnte.

Fehlt noch ein wichtiger Kandidat?

Tatsächlich ist Deutschland als Verdächtiger unterrepräsentiert. Militärhistoriker Torsten Heinrich hat diese These zuletzt etwas ausführlicher durchdacht. Heinrichs halbstündige Ausführung zu den möglichen Tätern gehört aktuell sicher zu den interessantesten Überlegungen zur Verdachtslage inklusive der Bonus-Idee, dass Deutschland ebenfalls verstrickt ist:

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