Skandal im Tenniszirkus

Ungeimpfter und Russin gewinnen Wimbledon

von Bertolt Willison (Kommentare: 4)

Novak Djokovic und Elena Rybakina gewinnen Wimbledon. Die Presse empört sich über den Sieg der verkleideten Russin. So war das nicht geplant.© Quelle: Pixabay, Bessi

Vor drei Jahren wäre kein Journalist auf die Idee gekommen, einen Artikel zu diesem Thema zu schreiben. Und wenn, hätte jeder Chefredakteur zumindest auf eine Änderung der Überschrift gedrungen. Zu diskriminierend. Doch die Erde musste sich nur dreimal drehen, um aus den Zentrifugen zu geraten. Alles ist möglich inzwischen.

Die Wimbledon Championships, das bedeutendste Tennisturnier der Welt, gingen an diesem Wochenende nach zwei Wochen zu Ende. Die Einzeltitel im Wohnzimmer von Boris Becker gewannen Novak Djokovic und Elena Rybakina. Verdient natürlich. Die Sportwelt klatscht Beifall. Glückwunsch. So weit so gut.

Aber „Halt!“. So einfach ist es dieses Mal nicht. Wir sind im freien Fall und alles wird mitgerissen. Nicht von uns, sondern von den Mächtigen, politischen Marionetten und deren willfährigen Helfern aus der Medienlandschaft. Der Sport lässt sich vor den Karren des schmutzigen Theaters spannen. Notgedrungen?

Wimbledon ist nur eines von vielen Beispielen der Geschichte, bei denen Sport und Politik ein ungesundes Miteinander zelebrierten. Denken wir an die Olympischen Spiele, denken wir an Fußballweltmeisterschaften: Die Liste ist unendlich lang. Leider. Und sie wird immer bizarrer. Winterspiele in Peking. Winterspiele! Virusbedingt unter Ausschluss der Öffentlichkeit. Fußballweltmeisterschaft im katarischen Winter. In vollklimatisierten Stadien. Ohne Bier, ohne Schwule. Ohne die auf den Baustellen gestorbenen Leiharbeiter. Geht es noch zeitgemäßer?

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Der politische Zeitgeist wollte vor dem Rasenturnier Wimbledon nicht haltmachen. Also schloss man russische und belarussische Spieler vom diesjährigen Jubiläumsturnier – der Centre Court wurde 100 Jahre alt – aus. Über den Ausschlussgrund muss nicht spekuliert werden. So blieben also auch der Weltranglistenerste Daniiel Medwedew, geboren in Moskau, und die Weltranglistenvierte Aryna Sabalenka aus Belarus zu Hause.

Deutliche Worte hierzu fand Novak Djokovic. Der zusammen mit Rafael Nadal und Roger Federer zu dem Trio gehörende Serbe, das seit 2003 bis auf eine Ausnahme (Andy Murray 2013) sämtliche Wimbledonturniere gewonnen hat, fand deutliche Worte zum Ausschluss und bezeichnete die Entscheidung des Veranstalters als „verrückt“, auch wenn er als Kriegskind der Erste sei, der mit Blick auf das Leid der Zivilbevölkerung Kriege verurteile.

Der veranstaltende All England Lawn Tennis and Croquet Club selbst sah sich mit einer Reihe von Konsequenzen ob dieses Aussperrens konfrontiert. Die die jeweiligen Weltranglisten organisierenden Spielervereinigungen ATP (Männer) und WTA (Frauen) entschieden im Sinne der Gleichbehandlung, für dieses Turnier keine Weltranglistenpunkte zu vergeben, und stellten somit den sportlichen Wert der Veranstaltung offiziell in Frage. Darüber hinaus belegte die WTA den Veranstalter mit einer Geldstrafe, eine Entscheidung hierüber ist bei der ATP noch nicht gefallen.

Pikant wird die Positionierung von Novak Djokovic für die (bela-)russischen Sportler dadurch, dass er als nicht gegen COVID-19 Geimpfter in letzter Zeit selbst von Sanktionen betroffen war. So war er Anfang des Jahres nach seiner Einreise in das Land und anschließender Quarantäne von den Australian Open ausgeschlossen worden.

Djokovic, einer der erfolgreichsten Tennisspieler aller Zeiten, hat sich in diesen Corona-Zeiten keinem Diktat unterworfen, sich nicht verbiegen lassen. Über seine Haltung gegenüber der Impfung hat der Serbe unter anderem in einem BBC-Interview Auskunft gegeben. Hier hatte er deutlich gemacht, dass er grundsätzlich kein Impfgegner sei und alle Bemühungen, das Coronavirus zu eliminieren, unterstütze. Als aktiver Sportler habe er für sich persönlich  die Entscheidung getroffen, sich nicht impfen zu lassen, auch wenn ihm dadurch in Zukunft Turniersiege entgehen würden. Entscheidungen über seinen Körper seien wichtiger als jeder Titel.

BBC-Interview mit Novak Djokovic

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Und nun das: Ausgerechnet der ungeimpfte Novak Djokovic gewinnt gestern Wimbledon gegen einen unerzogenen australischen Rüpel namens Nick Kyrgios, der nicht nur seinem edlen Gegner, sondern besonders dem altehrwürdigen Centre Court nicht gewachsen war. Doch das ist ein anderes Thema.

Für noch viel mehr Aufsehen, ja Aufstöhnen und Entsetzen, aber sorgte der Wimbledonsieg von Elena Rybakina. Glaubt man der Welt der Medien, ist das größte Wort-Case-Szenario Wirklichkeit geworden:

Eine als Kasachin verkleidete Russin hat Wimbledon gewonnen!

Was für eine Schande. Die Qualitätsmedien überschlagen sich in ihrer Empörung. Hier nur zwei Beispiele:

Tatsächlich ist die frisch gekürte Wimbledonsiegern Elena Rybakina als Russin in Moskau geboren, hat aber 2018 die kasachische Staatsangehörigkeit angenommen, weil sie sich dadurch für ihre sportliche Karriere Vorteile versprach. Man mag dieses Nationalitätenhopping kritisieren, es ist aber inzwischen weltweiter Standard.

Was also ist am Sieg der Kasachin so verwerflich? Dass sie eine Sportmigrantin ist? Ist es so schlimm, sein Heimatland zu verlassen, um in einem anderen Land sein Glück zu versuchen? Auf ganz legalem Weg? Bei illegalem Einwandern ist der Aufschrei oft längst nicht so groß.

Wieder einmal wird mit zweierlei Maß gemessen, ganz so, wie es in die Manipulationsagenda passt. Eine böse Russin also hat Wimbledon beschmutzt. Putin lacht sich ins Fäustchen.

Dass die Veranstalter selbst ihrem so altehrwürdigen Rasenturnier durch den politischen Ausschluss von Sportlern den Heiligenschein genommen haben – darüber wird der Mantel des Schweigens gehüllt.

Ist aber auch ein echter Regiefehler, wenn am Ende ein Ungeimpfter und eine gebürtige Russin, auch noch aus Moskau, die Wimbledonpokale überreicht bekommen.

Peinlich, wirklich peinlich!

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