Der Autor war Unabhängiger Kandidat bei der Oberbürgermeisterwahl in Ludwigshafen im Jahre 2017. Er kandidierte damals bewusst unabhängig unter schwieriger Sammlung notwendiger Stützungsunterschriften. Das müssen Kandidaten von politischen Parteien, die bereits „vertreten“ sind, nicht.
Der Bewerber Schmitz kandidierte damals mit Unterstützung vieler konservativer Kräfte und engagierter Unterstützung auch durch die AfD, die schon damals einen Wechsel des Kartells erreichen wollte. Die 2017 siegreiche Gegenkandidatin war die heutige Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck.
Diese benötigte nach dem avisierten Ende ihrer Karriere als Europaabgeordnete der SPD offenbar einen Versorgungsposten. Der Rücktritt als MdEP erfolgte erst nach gelungener Wahl. Mit anderen Worten: Im Falle der Niederlage wäre sie im Europaparlament verblieben. Rechtsanwalt Dirk Schmitz M.A. ist deshalb nahe dran „an Ludwigshafen“.
Insoweit nimmt er Stellung zur verfassungs- und verwaltungsrechtlich misslungenen Entscheidung des VG Neustadt - Beschluss vom 18.08.2025 – 3 L 889/25.NW:
A. Vorgeschichte
Das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße hatte über den Eilantrag eines AfD-Kandidaten Joachim Paul zu entscheiden, der vom Wahlausschuss Ludwigshafen nicht zur Oberbürgermeisterwahl am 21. September 2025 zugelassen worden war. Die Ablehnung stützte sich auf § 53 Abs. 2 GemO RLP, wonach nur wählbar ist, wer die Gewähr bietet, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten.
Der Wahlausschuss begründete seine Entscheidung mit Zweifeln an der Verfassungstreue des Bewerbers. Dabei wurden u.a. die Einstufung der AfD als Verdachtsfall durch die Verwaltungsgerichte, Erwähnungen im Verfassungsschutzbericht Rheinland-Pfalz 2024 sowie politische Aktivitäten in einem als Szene-Treffpunkt geltenden Gebäude („Quartier Kirschstein“) herangezogen.
Das VG erklärte den Eilantrag schon für unzulässig. Denn der Antrag wäre bei inhaltlicher Prüfung vollständig begründet.
Der Antragsteller müsse - so das VG - auf das nachträgliche Wahlprüfungsverfahren verwiesen werden. Einstweiliger Rechtsschutz sei nur in „offenkundigen Ausnahmefällen“ denkbar, da die Beständigkeit von Wahlen Vorrang vor individuellen Rechtspositionen habe. Eine solche Offenkundigkeit sei hier nicht erkennbar, da die Feststellungen des Verfassungsschutzes eine eingehende Prüfung erforderten, die im Eilverfahren nicht leistbar sei.
B. Dogmatische Tragweite
Die Entscheidung der Unzulässigkeit des Antrages beruht auf drei zentralen Prämissen:
1. Sperrwirkung der Wahlprüfung: Wahlfehler sollen grundsätzlich nur im Wahlprüfungsverfahren nachträglich kontrolliert werden (vgl. st. Rspr. auch zu Bundestagswahlen, BVerfG, Beschl. v. 23.06.1981 – 2 BvR 486/81).
2. Beständigkeit der Wahl: Der Vorrang liegt beim reibungslosen Ablauf der Wahl gegenüber Individualrechten.
3. Offenkundigkeitskriterium: Nur wenn die Rechtswidrigkeit „ins Auge springt“, soll einstweiliger Rechtsschutz gewährt werden. Damit schränkt das VG Art. 19 Abs. 4 GG vorsätzlich und bewusst ein, um – völlig widersinnig - die „Funktionsfähigkeit der Wahl vor sich selbst“ zu schützen. Dabei wird gerade diese vom VG als politischer Apendix des Regierung zerstört. Unabhängig von vielen Details zu den unsinnigen Gründen ist der Rechtsansatz verfehlt. Denn das Gericht möchte sich nicht völlig lächerlich machen und steigt „formell“ und schreiend rechtswidrig bei der Zulässigkeit aus.
C. Kritische Würdigung
Die Entscheidung in der Sache („Begründetheit“) ist verfassungsrechtlich und demokratierechtlich zwingend geboten.
1. Beamtenstatus als Gegenargument
Der Kandidat ist bereits Beamter auf Lebenszeit. Bereits die Berufung in das Beamtenverhältnis setzt eine umfassende Prüfung von Eignung, Befähigung und Verfassungstreue voraus (§ 7 BeamtStG). Offenkundiger Widerspruch: Wenn der Staat ihn als Beamten für tragbar hält, ist es widersinnig, seine Wählbarkeit wegen mangelnder Verfassungstreue zu verneinen. Dieser Widerspruch hätte vom Gericht ohne großen Prüfungsaufwand erkannt werden können.
2. Unzulässige Gesinnungsprüfung
Die Entscheidung stützt sich auf politische Äußerungen und Kontakte. Das BVerfG hat stets betont, dass das Wahlrecht keine Gesinnungsprüfung zulässt. Diese Grundideen finden sich u.a. bei BVerfG, Beschluss vom 26.02.1998 – 2 BvC 28/96: Staatliche Organe dürfen die Wahlfreiheit nicht durch politische Bewertungen einschränken. BVerfG, Urt. v. 10.04.1991 – 2 BvE 1/90: Der Grundsatz der Chancengleichheit verlangt Neutralität staatlicher Organe. Offenkundig rechtswidrig ist damit ein Ausschluss, der nicht auf klar normierten Ausschlussgründen, sondern auf einer wertenden „politischen Prognose“ basiert.
3. Effektiver Rechtsschutz
Das VG stellt die Beständigkeit der Wahl über die Rechtsgarantie des Einzelnen. Doch Art. 19 Abs. 4 GG gebietet effektiven Rechtsschutz.
BVerfG, Beschl. v. 03.04.2009 – 2 BvQ 22/09: Vorläufiger Rechtsschutz ist zu gewähren, wenn ansonsten irreparable Nachteile drohen. Der Ausschluss von einer Wahl ist irreversibel – die Wahl findet einmalig statt. Die Verweisung auf ein späteres Wahlprüfungsverfahren läuft leer. Möglichweise in der Hauptsache erst nach Jahren.
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D. Protofaschistischer Ausschluss missliebiger Konkurrenz
Die vom VG vertretene Linie öffnet die Möglichkeit, missliebige Kandidaten – und alle AfD-Kandidaten - durch Wahlausschüsse faktisch auszuschalten. Gerade im Kommunalbereich, wo Wahlausschüsse sehr politisch und nie „neutral“ besetzt sind, wird die Manipulation sichtbar. Vorsitzende des Wahlausschusses Ludwigshafen ist Ex-SPD-Oberbürgermeisterin Jutta Steinruck, weitere Mitglieder: Je zwei Vertreter von CDU und SPD, ein weiterer Vertreter der Freien Wähler, ein Vertreter der FDP, der lobenswert als einziger für die Zulassung Pauls stimmte. Die AfD war nicht vertreten.
Hieraus ergibt sich, dass das „Kartell“ jeden missliebigen Kandidaten schon aus der Kandidatur herauswerfen kann. Wie soll man das jetzt nennen, das System Steinruck-Erdogan?
Das Demokratieprinzip (Art. 20 Abs. 1, 2 GG) verlangt, dass über politische Eignung die Wähler, nicht Wahlausschüsse – die von der Konkurrenz betrieben werden - entscheiden. Das ist kein „unabhängiger Wahlausschuss“.
E. Weiterer Rechtsweg
Der weitere Rechtsweg ist spannend:
1. Fachgerichtlich und landesrechtlich:
Gegen den Beschluss des VG kann Beschwerde zum Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz eingelegt werden.
Danach erfolgt eine Wahlprüfung durch das Landesverfassungsgericht Rheinland-Pfalz (Art. 75 Abs. 1 Nr. 1 LVerfG RLP).
Aber anders als sonst ist über den politisch linksinfozierten Landesverfassungsrichtern nicht der „blaue Himmel“:
2. Bundesverfassungsgericht
Das BVerfG ist zwar nicht Wahlprüfungsinstanz für Kommunalwahlen. Aber Entscheidungen des Landesverfassungsgerichts können mit der Verfassungsbeschwerde - auch im Wege Einstweiligen Rechtsschutzes - überprüft werden, soweit Grundrechte verletzt sind.
Präzedenzfälle hierzu: BVerfGE 2 BvR 123/76 („Niedersächsisches Volksbegehren“)
Darüber hinaus gibt es mehrere weitere Entscheidungen zur Kontrolle des Landesrechts durch das BVerfG. Diese betreffen vor allem Hochschulzulassungen von Bewerbern. Damit ist Karlsruhe erreichbar, über den Umweg einer Verfassungsbeschwerde, ggf. im Eilverfahren.
F. Zukunft
Jetzt müssen wohl die letzten Bundesverfassungsrichter aus der demokratischen Ära der Bundesrepublik entscheiden, ob der zukünftig systematische Abschuss von politisch missliebigen Kandidaten („türkisches System“) schon bei der Wahlaufstellung dem heutigen verfassungsrechtlichen Demokratieverständnis entspricht.
Falls ja: Herzlich willkommen in der Türkei oder der DDR 2.0 – da wollen anscheinend starke Kräfte von CDUSPDGrüne hin. Honecker und Erdogan grüßen.
Die Entscheidung des VG Neustadt ist in ihrer Konsequenz das Ende des deutschen Wahlrechts: Sie verengt den Zugang zum einstweiligen Rechtsschutz in einer Weise, die Art. 19 Abs. 4 GG faktisch beendet. Die „Offenkundigkeitsschwelle“ führt dazu, dass selbst gravierende Rechtsfehler nicht vor der Wahl korrigiert werden können – obwohl die Folgen irreversibel sind.
Gerade im vorliegenden Fall hätte der Widerspruch zwischen Beamtenstatus und angeblicher Verfassungsuntauglichkeit als offenkundig gewertet werden müssen. Der Ausschluss wegen politischer Äußerungen ist zudem ein unzulässiger Eingriff in die Chancengleichheit der Kandidaten und läuft dem Demokratieprinzip diametral zuwider.
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Kommentar von Harry
Die DDR-Bürger hätten 1989 auch lieber vor Gericht gehen und auf korrekte Zustände in der DDR klagen sollen.
hahahaha.
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Kommentar von Palmström
Da wird dann weiter geklagt und nächstes Jahr wird dann nochmal gewählt. Welch ein Irrenhaus.
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Kommentar von Eugen Karl
@Schwar Zi - "demokratischer Rechtsstaat" - das galt für die damalige Bonner Republik. Der Umzug nach Berlin war nicht nur eine riesige Steuergeldverschwendung, sondern er war auch der Anfang für die Schaffung einer anderen Republik, in der die liberale Demokratie Schritt für Schritt durch UnsereDemokratie ersetzt wurde.
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Kommentar von AG
Sollte es dabei bleiben, dass der potentielle AfD Kandidat für die Wahl zum OB von Ludwigsbhafen ausgeschlossen bleibt, dann hilft nur in der Wahlkabine vermutlich nur, den Wahlzettel um den AfD-Kandidaten zu ergänzen und zu "wählen". Ja, der Stimmzettel ist damit ungültig, aber immerhin ist es doch ein gewisser Protest, der an gewissen Stellen sicherlich zur Kenntnis genommen wird. Auch die Montagsspaziergänge zur angeblichen "Corona-Pandemie" wurden "von oben" öffentlichkeitswirksam belächtelt und verächtlich gemacht, aber doch hatten sie intern im Politikbetrieb doch eine gewisse Wirkung.
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Kommentar von Schwar Zi
Als ich am 03.10.1990 Bürger dieses Landes wurde, hat man mir erklärt die Bundesrepublik Deutschland wäre ein demokratischer Rechtsstaat. Nun, das Wort "Demokratisch" kam in der Bezeichnung DDR auch vor.
Um es mit den Worten vom Genossen Ulbricht zu sagen: "Es muss demokratisch aussehen..."
Und wer etwas anderes möchte, wer solche Vergleiche vermeiden will, der muss sich anders verhalten. Der Mann ist weder verurteilt noch vorbestraft, ergo sollte der Souverän (und dieser allein) entscheiden. Wer als Politiker dessen Wahl vermeiden will, sollte im Vorfeld bessere Politik machen, Politik die sich einzig an den Interessen der Mehrheit orientiert.
Beste Grüße aus Mitteldeutschland...
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Kommentar von Peter Löcke
"Was mich schon seit langem umtreibt, ist, dass wir eine Möglichkeit schaffen, die Beweislast umzukehren."
Nancy Faeser, Bundestag, 16.03.2022.
Übersetzung?
Im Zweifel für den Ankläger.
Ihre UnsereDemokratie
https://www.youtube.com/watch?v=OCX56vAUmkU&t=3186s