Toddn Kandzioras Wochenrückblick 32/2022

Wat mutt, dat mutt!

von Toddn Kandziora

Es waren Arbeiter, Fußballfans, eine Lehrerin, Akademiker und ein Ingenieur im Ruhestand. Und ohne dass wir darüber sprachen, genossen wir unsere Freiheit.© Quelle: Pixabay / Steffen Wachsmuth

Ich habe Urlaub gemacht. Nur ein paar sonnige Tage und kurze Nächte waren es diese Woche, die ich am Strand, gleich hinter einem Deich, genießen konnte. Doch es war Urlaub. Der erste seit drei Jahren. Am Montag ging es mit dem alten T4-Camper an die Ostsee.

Einen weiteren Urlaub mit dem VW-Bus wird der deutsche TÜV wegen Durchrostung wahrscheinlich nicht mehr zulassen. Da kann der achtundsechzig PS starke Diesel trotz seiner jetzt vierhunderttausend Kilometer Fahrleistung noch so schön schnurren und die Bremsen scharf anziehen, sollte dies wegen einer unvorhergesehenen Situation von Nöten sein. Der Wagen rostet an zu vielen Stellen und unten drunter leider durch. Mit einem Schweißgerät verstehe ich noch immer nicht umzugehen und Reparaturarbeiten solch feuriger Art kann ich mir nicht leisten. Erst recht nicht in dieser Zeit.

Von meiner im neuen Normal nicht konformen Schreibe abgesehen, werde ich mir bald ganz andere Dinge nicht mehr leisten können. Oder leisten dürfen. Wie man es dreht oder wendet, es sieht für uns alle nicht rosig aus, wenn Personen wie Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach ihr Ding durchziehen. Und sie werden es durchziehen. Auf Kosten jener Menschen, von denen sie (zum Teil) irgendwie ja auch gewählt wurden.

Ich sehe derzeit weder eine zu Wort kommende Opposition noch Menschen mit Gewissen oder Rückgrat in den Redaktionsstuben öffentlich-rechtlicher oder privater dem Staat und der Wirtschaft zuarbeitender Wahrheitsmedien. Die aufrechten Leute fehlen, welche die sogenannten Politiker und Politikerinnen an der Vollrichtung ihres angestrebten Werkes zu hindern vermögen.

"Wat mutt, dat mutt", wie der trotzige Niedersachse früher zu sagen pflegte. Erst vor einer knappen Stunde bin ich wieder daheim angekommen, von der mehr als fünfstündigen Rückfahrt und der Hitze im Bus völlig durchgeschwitzt. Und ich habe nur noch wenig Zeit, diese Kolumne zu schreiben, um sie pünktlich per Elektropost an die Redaktion zu übermitteln. Daher denke ich: Selbst wenn ich mir die kühle Dusche als Belohnung für nachher aufhebe, wird es eine eher kurze Kolumne werden. Nächste Woche wieder mehr der Worte.

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Im kurzen Urlaub hatte ich weder Handy noch Laptop mit an Bord. Ich habe in der Woche weder eine Zeitung gelesen (nicht einmal in einem Geschäft mir die Headline einer Zeitung angesehen) noch habe ich Radio gehört. Ich war fern der Welt und das war gut so.

Mein Güte, wie entspannend war das, nicht täglich 24/7 mit Angst, Paranoia und Lauterbachs Endzeitszenarien oder Nancy Faesers heldenhaftem Endzeitkrampf gegen alles und jeden, was Rechts sein soll, konfrontiert zu werden. Alles ist Recht, wenn es auch nur einen Hauch Kritik gegen Regierungspolitik beinhaltet.

Ich blieb an der Ostsee verschont von schrecklichen Klimakatastrophen, dystopischen Endzeitszenarien und all den schrecklichen Gräueltaten eines russischen Angriffskrieges durch die Armee des Teufels. Einer Armee, in der böse Menschen im Auftrag für Putin gute Menschen töten, um die freie, demokratische, unser aller Freiheit verteidigende Ukraine auszulöschen.

Von solchen und anderen Dingen blieb ich diese Woche verschont. Und das tat gut. Wirklich gut. Ich rief niemanden an und wurde von niemanden angerufen. Ich las keine Mails und ich schrieb keine Mails. Ich las aber zwei Bücher. Eines war von Joachim Lottmann und hieß „Alles Lüge“ und das war endlich mal wieder ein gutes Buch. Ich las es an zwei Tagen und am dritten hätte ich gerne mit dem Autor bei Fisch und Bier auf dem Deich das eine oder andere Wort gesprochen. Ungewöhnlich für einen bald sechzigjährigen Griesgram, der ich geworden bin. Oder durch die, sagen wir, neuwoken Umstände gemacht wurde.

In den wenigen Tagen des Urlaubs lernte ich an jedem Tag Menschen kennen. Ich traf einen Menschen, der für die ARD arbeitete und, wie es sich gehört, das „innen“ mit Sternchen sprach, und ich ließ ihn nicht wissen, was ich davon hielt. Mit den Nachbarn auf dem Campingplatz führte ich gute Gespräche bei Wasser, Wein und Bier bis tief in die Nächte hinein.

Es waren Arbeiter, Fußballfans, eine Lehrerin, Akademiker und ein Ingenieur im Ruhestand. Und ohne dass wir darüber sprachen, genossen wir unsere Freiheit. Eine Freizügigkeit, die uns vielleicht diesen Herbst schon wieder genommen werden wird. Da es gewissen Personen gefährlich erscheint, dass wir wir uns noch immer wie Menschen fühlen. Trotz ihrer Maßnahmen immer noch wie Menschen verhalten. Und ohne dass wir darüber sprachen, so wussten wir Urlauber wohl, dass wir uns schon ab Herbst vielleicht nicht mehr menschlich verhalten dürfen.

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Die Tage lag ich am Morgen und am Abend am Strand, da es während des Tages zu voll war. Ich sah den Möwen bei ihrem Fluge über dem Meer zu, vergrub die Zehen im Sand und freute mich darüber, dass sich der Hund freut. Währenddessen trank ich eins, zwei, manchmal drei Biere. Ich fand Freude am Leben. Diese Freude, die bekanntlich nicht ewig währen soll. Eine Freude, die hielt, bis ich vor jetzt zwei Stunden daheim ankam und ohne nachzudenken das Radio anmachte.

Da war mir Urlaub und die Freude am Leben genommen. Erst recht, nachdem ich dem Briefkasten mehrere Briefe vom Stromversorger, meinem Holzlieferanten und zwei „Behördliche“ entnahm.

Nicht nur für mich wird das Leben im neuen Deutschland auf die eine wie andere Art und Weise teuer werden. Vielleicht so teuer, dass wir es uns nicht einmal mehr werden leisten können, die für das kommende Elend Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen zu können.

Die Verantwortlichen, die unser Land in wenigen Jahren derart verunstalteten, dass die „zu früh Geborenen“ es schon heute selbst im strahlenden Sonnenschein nicht mehr wiedererkennen und die „spät Geborenen" kein anderes Land mehr kennen als das heutige. Daher wenig Grund sehen, gegen die neue Normalität etwas zu unternehmen.

Wir, die zu früh Geborenen, die das vergehende Land noch aus besseren Tagen kennen, auch wir lassen es geschehen. Lassen es zu. Lassen es mit uns machen. Hindern die dafür Verantwortlichen nicht an ihren Taten, ihrem Tun. Deshalb tragen wir eine Mitschuld. An dem, was da möglicherweise auf uns zukommen mag.

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