Toddn Kandzioras Wochenrückblick 09/2021

Weiße Fahne aus dem Fenster zur bedingungslosen Kapitulation

von Toddn Kandziora (Kommentare: 4)

Kapitulation.© Quelle: 123RF / Tatiana Epifanova

Kolumnist Toddn Kandziora hisst die weiße Fahne. Wenn schon tieffliegende Düsenjets und heulende Sirenen keine Schrecken oder emotionale Effekte mehr auf seine Systeme haben, dann bleibt er lieber bei Sodbrennen-Keksen und lauwarmem Kaffee. Aber einmal noch, dieses eine Mal noch, will er sein Sodbrennen in Schreibwut über „die Entscheider“ ummünzen. Über Menschen ohne Gewissen.

08:45 Uhr: Leute, wie die Zeit vergeht. Und es ist wieder einmal kein „Rock'n'roll Freitag“. (In Anlehnung einen Song von Hans-A-Plast.) Ich trinke den zweiten Kaffee und esse überzuckerte Kekse vom Discounter, obwohl ich weiß, dass ich von diesen bald schon Sodbrennen bekommen werde. Aber egal, sie sind einfach zu lecker und nun versuche ich irgendwo in den staubigen Hinterzimmern meines verbliebenen Resthirns ein Thema für diese Kolumne zu finden. Für die drei bis vier Elektroseiten, die ich in wenigen Stunden abzuliefern habe, damit der Alex zufrieden ist und der ein- oder die andere zum Frühstück was Aufregendes zum Lesen hat.

10:53 Uhr: Ich war mit meinem kleinem Wolf draußen vor der Tür. Im Sonnenschein, unter blauen Himmel drehten wir eine Runde um unser kleines Bergdorf. Ich unterhielt mich mit dem Nachbarn über das Wetter und die Arbeit der Regierung – über diese Berliner Clique, die sich mittels der verlängerten Notstandbefugnisse Freiraum bis in den Sommer geschaffen hat. Was haben wir gelacht. Matties tollte derweil mit den Nachbarhunden herum. Am Horizont erblickte ich einen großen Sprung Rehe auf grünem Feld. Zu weit entfernt, dass der Hund sie hätte wittern können.

Irgendwann kurz nach elf Uhr heulten unvermittelt und laut mehrere Alarmsirenen aus anliegenden Dörfern auf. Ich versuchte mich zu erinnern, was das Sirenensignal zu bedeuten hatte. Feuer? Fliegeralarm? Vielleicht ein schwerer Unfall auf der Bundesstraße drei Dörfer weiter? Ich stellte verwundert fest, dass es mich kaum interessierte. Es war mir schlichtweg egal. Wären in diesem Moment Düsenjets viel zu tief über uns hinweg geflogen, ich schätze, mein Blutdruck wäre auch da kaum gestiegen, es wäre halt einfach passiert.

Wie die Entscheidungen unserer Bestimmer einfach passieren. Ich stehe schon lange abseits des Weges und schaue nur noch zu, was geschieht. Macht- und wehrlos, wie ich es gewesen wäre, hätten sich unter den Jets, die gar nicht da waren auch noch die ausgedachten Bombenklappen geöffnet. Sin das verrückte oder entspannte Zeiten, wenn das Aufheulen von Sirenen keine Bedeutung mehr hat?

11:36 Uhr: Ich bin eine weitere Tasse Kaffee und eine Packung Kekse weiter, nicht aber mit einem Thema für heute. Die Thematik meiner Wochenrückschau-Kolumne ist seit Wochen irgendwie immer in einem Thema verfangen. CORONA, CORONA, CORONA. Aber Corona kann mich heute mal. Pause.

12:29 Uhr: Bin wieder zurück am Rechner. Ich musste die letzte halbe Stunde in einem alten Buch ein paar Dinge über unsere Bestimmer nachschlagen. In „Die Maske der Normalität“ von Hervey Cleckley. Dem Vater aller Gedanken, die wir uns heute über Psychopathie wissen. Gutes Buch. Da frage ich mich doch, ob es heute, achtzig Jahre nach Erscheinen schon verboten wäre. Gibt es überhaupt verbotene Bücher? Jedenfalls solche, die nirgends mehr verkauft werden, weil die Plattformen sie im vorauseilenden Gehorsam vor dem nächsten Shitstorm – manchmal sogar unter großem Getrommel – einfach aus dem Sortiment genommen haben.

Ich würde „Die Maske der Normalität“ verbieten lassen, wäre ich ein Bestimmer. In diesem Buch beschreibt Mr. Cleckley anschaulich wie man einen schlauen Psychopathen erkennt. Er nennt diese übrigens PPs. Seine damalige Kurzform für psychopathische Persönlichkeiten und heute der medizinische Ausdruck für richtig schlauen Menschen die kein Gewissen haben. Wenn so eine Person „PP“ genannt wird, ist das nicht abwertend gemeint. Es ist die amtlich verwendete medizinische Diagnose für einen gewissenlosen Menschen – für einen Bestimmer, wie ich sie gerne nenne.

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Nun gut. Wir wissen, dass ein Mensch mit einer Beeinträchtigung zur Welt kommen kann. Taub. Blind. Ein fehlendes Körperglied. Das ist traurig, passiert aber. Im Buch von Mr. Cleckley geht es um Menschen, die ohne Gewissen auf die Welt kommen. Auch das ist traurig und passiert. Leider. Doch Menschen ohne Gewissen können ihr Defizit in unserer selbst gemachten Welt zum Vorteil nutzen. Denn Menschen ohne Gewissen haben uns etwas voraus. Sie haben nämlich keines, das ihnen auf der beruflichen Erfolgsleiter im Leben hinderlich werden könnte.

Aus diesem Grund übernehmen sie schnell und eloquent überall auf dieser Welt die Macht. Sei es als Aktienvorstand oder Kanzler*in. PPs machen als Person oft richtig was her. Sie sind schick gekleidet, haben einen eigenen Friseur im Hinterzimmer und können sich gut artikulieren. Sie studieren schon mal mit summa cum laude, doof sind sie ja nicht und PPs wissen sehr gut, sich zu verkaufen, wie sie zu handeln haben, um ganz nach oben zu kommen. Da sie so schlau und gerissen sind, wissen sie zudem auch genau, wie andere Menschen unter ihnen leiden. Verzweifeln.

Möglicherweise aufgeben.

Aber das kümmert sie nicht die Bohne. Das interessiert diese Personen überhaupt nicht. Warum? Aus dem einfachen Grund, weil sie durchgeknallt sind. Und genau das sind oft die von uns „normalen“ Menschen gewählten Personen in Politik und Wirtschaft, die uns dann sagen können, was wir zu tun haben. Oder zu unterlassen haben. Wie wir zu denken haben oder besser nicht denken sollten, wenn wir unsere Jobs behalten wollen. Hier findet seit Jahr und Tag eine Negativauswahl statt.

Wenn das keine durchgeknallte Situation ist, dann weiß ich auch nicht. Für mich sieht es so aus, als ob in unserer heutigen Wirtschaft und Regierung zu viele Spitzenjobs von herz- wie gewissenlosen PPs besetzt worden sind. Vielleicht haben sie ja auch schon den kompletten Laden übernommen. Sitzen gut beschützt von ihren gut riechenden Bodyguards in den öffentlich-rechtlichen Medienanstalten, Verlagen, Pressehäusern und Stiftungsräten. Sie haben die Schulen, Universitäten und Gewerkschaften übernommen. Sie sitzen auf den besten Plätzen in Ämtern, Behörden und Verwaltung. Sie entwickeln Impfstoffe und verkaufen diese. Je öfter, desto besser.

Und nun, seit einem Jahr ziehen sie gemeinsam ihr „Ding“ durch. Tag auf Tag. Woche auf Woche. Nun schon im zweiten Jahr ihrer gewissenlosen Herrschaft über uns. Und jeden verdammten, gottlosen weiteren Tag setzen sie einen drauf. Was werden sie wohl morgen Neues verkünden? Ich wage es mir nicht vorzustellen. Ich kann das auch gar nicht. Aber sie, unsere Bestimmer, die PPs, die können das. Und wie die das können. Und es macht ihnen weder Angst noch müssen sie sich über irgendetwas wirklich Sorgen machen. Im Gegensatz zu dir und mir haben sie ja keine Ängste oder Sorgen. Haben sie nie gehabt. Kennen die gar nicht.

Daher ist es ihnen auch scheißegal, was sie mit ihren Entscheidungen, Maßnahmen und Bestimmungen anrichten. Die Wirtschaft geht krachen? Ist denen doch egal! Die Suizidrate steigt bedrohlich an? Ja, und? Menschen verzweifeln wegen mangelnder sozialer Kontakte und vereinsamen? Wen interessiert es? Eine ganze Jugendgeneration geht vor die Hunde? Nicht deren Problem! Noch nie war eine Bevölkerung derart gespalten wie heute? Macht nix.

Und damit kein Protest aufflammt, fahren die PP's die ihnen zur Verfügung stehenden Möglichkeiten zur absoluten Bevölkerungsüberwachung und die technischen Kontrollmaßnahmen bis zum Anschlag hoch. Wie anders sollten denn tägliche Viren-Tests in Verbindung mit einer Smart-Phone App und dem kommenden EU-Impfpass verstanden werden? Eigentlich könnte heute jeder nach dem Mittagessen eine weiße Fahne aus dem Fenster hängen. Als Zeichen der bedingungslosen Kapitulation.

14:23 Uhr: Möglicherweise haben wir nicht mehr den Hauch einer Chance gegenüber all der PPs die derzeit die Fäden in der Hand halten, nach denen wir hin und her zappeln und uns vom Krokodil fressen zu lassen haben, wenn die Zeit dafür reif zu sein scheint. Es ist ein mehr als ungerechter Kampf des Gewissen gegen ihre Gewissenlosigkeit. Und möglicherweise haben wir schon seit längerem völlig versagt im Kampf gegen diejenigen, die viel zu lang an den Hebeln der Macht schalten und walten konnten, wie es ihnen gefiel.

Lange wollte ich nicht wirklich wahrhaben, dass schon wenig Macht korrumpiert und das absolute Macht uns absolut korrumpiert. Es scheint, das Kurt Vonnegut recht behalten soll, als er schrieb: „Menschenwesen sind Schimpansen, die sich bis zum Wahnsinn an Macht besaufen“.

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