Götterdämmerung des derzeitigen Systems?

Wenn die Spree zur Klägerin wird – Warum „Rechte der Natur“ den Rechtsstaat zerstören

von RA Dirk Schmitz (Kommentare: 8)

Die Spree kann ja nichts dafür ...© Quelle: Pixabay/wal_172689

Die Spree erhebt Klage gegen ihre eigene Verschmutzung, gegen Brücken, falsche Uferbepflanzung, Lärm und invasive Fische. Nicht eine wilde Anwohnerin, kein Umweltverband, sondern der Fluss selbst klagt – direkt beim Verwaltungsgericht oder beim Amtsgericht, gegen das Land Berlin, gegen alle „Täter“. Bezahlt mit Steuergeld.

von Dirk Schmitz M.A., Rechtsanwalt

Genau das fordern jetzt Berliner Aktivisten, die der Spree eigene Rechte verleihen wollen – auf Unversehrtheit, auf sauberes Wasser, auf „ökologische Integrität“. Vertreten würde sie durch einen sogenannten Treuhänderausschuss, besetzt von Personen, die „im Namen der Natur“ sprechen. Was als moralisch „fortschrittlich“ verkauft wird, ist ein juristisches Experiment mit politischer Atomsprengkraft. Es bedeutet nichts weniger als die Subjektivierung der Natur und damit die Entmachtung des Rechtsstaats zugunsten aktivistischen NGO-Parallelstruktur.

Der Berliner Entwurf ist kein lokales Kuriosum, sondern Ausdruck eines tiefergehenden Trends unter Linksjuristen. Unter dem Etikett einer „ökologischen Transformation des Grundgesetzes“ fordern Teile der Rechtswissenschaft inzwischen eine Umgestaltung der Verfassung, in der nicht mehr der Mensch, sondern die Natur Träger von (Grund-)Rechten sein soll; so schon erste Hinweise in BVerfG, Beschluss vom 24.03.2021 – 1 BvR 2656/18, BVerfGE 157, 30 (Klimabeschluss).

Vor allem die neue Verfassungsrichterin Ann-Katrin Kaufhold möchte – sauber angekündigt - durch Rechtsprechung systematisch ein neues Grundgesetz schaffen. Grundrechte streichen durch „Überlagerung“. Der Verfassungsfeind wurde hier Verfassungsrichter – „der Weg durch die Institutionen – Endstadium“. Kaufhold fordert im Cicero, der Natur eigene Grundrechte zuzuerkennen und das Grundgesetz ökologisch zu transformieren. Kaufhold:

„Umso wichtiger ist Diskussion darüber, ob potentiell kollidierenden Interessen (wie etwa Naturgütern), die ihre Stimme im Rechtssystem bisher nicht selbstständig erheben können, ebenfalls (Grund)-Rechtsfähigkeit verliehen werden sollte.“

Ob Nordsee, Alpen oder der Reinhardswald: Wer soll als Kläger im Namen solcher Naturwunder auftreten? Neptun und Rapunzel? „Hilfreiche“ NGOs werden das Wort führen, um der Sicherstellung unserer Lebensgrundlagen im Namen der Ökologie über das Verbandsklagerecht final den Garaus zu machen. Polemisch: Das Grundgesetz soll zu einem beliebig verformbaren Behältnis für intellektuelle Überspanntheiten, einem Spielball aktionistischen Engagements für alles und jedes werden.

Kaufhold formuliert weiter: Für die Bewältigung der Klimakrise müsse „an allen Stellschrauben gedreht werden“.

Das klingt pragmatisch, offenbart aber gefährliche Gedanken: Wenn an allen Stellschrauben gedreht wird, dann auch an denen, die die Gewaltenteilung, die Gesetzgebung und den Vorrang des demokratischen Prozesses und - neuer Mehrheiten - sichern.

Das Grundgesetz ist anthropozentrisch. Es schützt die Würde und Freiheit des Menschen, nicht die „Eigenwürde von Landschaften“. Art. 20a GG verpflichtet den Staat, die natürlichen Lebensgrundlagen in Verantwortung für künftige Generationen zu schützen. Das ist eine Schutzpflicht, keine Subjektzuerkennung. Der Staat ist in diesem Verhältnis der Verantwortliche und Entscheider, nicht der Gegner der Natur.

Wer diese Rollen vertauscht, ist geborener Verfassungsfeind – er zerstört die Systematik des GG.

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Ein Fluss mit Grundrechten ist kein Fortschritt, sondern ein irres Krebsgeschwür. Rechte sind keine moralischen Etiketten, sondern Teil eines normativ kontrollierten Systems. Wer sie inflationär ausweitet, zerstört ihre Bindungswirkung. Schon die Idee, dass die Spree als juristische Person gegen Planungsentscheidungen oder Wasserlizenzen klagen könnte, zeigt, wohin solche Fiktion führt: in die dann völlige Selbstblockade unseres Rechtssystems.

Deutschland leidet bereits heute an einer letalen Überkomplexität. Kaum ein Großprojekt wird noch umgesetzt. Völlig ausgeschlossen: Ohne von Klagen, Gutachten und Umweltvorbehalten überzogen zu werden. Jede neue Schicht an „Beteiligungsrechten“ lähmt unser Land, verlangsamt notwendigen technischen Fortschritt und erodiert Verantwortung. Deutschland als Naturpark und Heimatmuseum. Wenn nun auch noch Flüsse, Wälder und Berge als Kläger auftreten …

Immer wenn Rechte „Unmündiger“ oder „Sprachloser“ eingefordert werden, besetzen Ideologen das Feld. So haben neue Kinderrechte nicht dazu geführt, dass Kinder mehr Eigenrechte besitzen, sondern dass Dritte – Richter, Anwälte Gutachter, Verfahrensbeistände, sich selbst zur Stimme der Kinder erklären – ihre politisch irren Vorstellungen unter false flag durchsetzen. So die Istanbul-Konvention:

Was als Schutzinstrument für Frauen gegen häusliche Gewalt begann, wird zunehmend als Hebel für ideologische Programme der Partnerschaftserziehung genutzt. Kein Scherz - konkreter Fall beim AG Offenburg - bis zur Frage, ob die unwillige Mutter nicht besser den derzeitigen unehelichen Partner wechseln sollte – zum Wohle des Kindes. Hier wie da: Das Schutzbedürftige gerät vorsätzlich aus dem Blick.

Wenn man der Natur Eigenrechte verleiht, sprechen nicht Bäume oder Flüsse, sondern die, die dazu berufen wurden. Damit entsteht eine neue Klasse moralischer Akteure - ohne demokratische Kontrolle. NGOs, Umweltstiftungen und Bewegungen wie „Extinction Rebellion“ würden zu gesetzlichen Vertretern eines imaginären Mandanten, dessen Stimme wir nie vernommen haben.

Die woke immer sichtbarere Antifa-Demokratie samt Jurisprudenz verliert derzeit in Riesenschritten die Legitimation des Volkes, des Wählers, selbst der Mehrheit der Ausländer, die hier regelmäßig steuerzahlend arbeiten. Ihr Monopol ist ohnehin Geschichte. Jetzt will dieses System seine politischen Ideen (Klimareligion, Meinungskontrolle pp.) gegen klare neue Mehrheiten „zukunftsfest“ machen. „Richtige“ Institutionen schaffen, „richtige“ Verfassungsrichter einsetzen – kurz: ihre Sichtweise „einfrieren“. Sie spüren die „Götterdämmerung“ ihres Endes.

Die Idee, der Natur Rechte zu verleihen, ist die Aktion, „moralisches Gewicht“ pseudo-ökologischer Anliegen in juristische Unantastbarkeit zu kehren. Ein Tabu entzieht sich der politischen Auseinandersetzung. Es ist der alte Trick: Wer nicht mehr überzeugen kann, verankert verfassungsrechtlich. Das Ergebnis ist kein stärkerer Schutz, sondern ein tödlich getroffener demokratischer Staat.

Die Geschichte zeigt, dass ein Rechtssystem, das auf kluge Selbstbeschränkung verzichtet, unweigerlich seine Funktionsfähigkeit verliert. Das gilt für jede moralisch gesetzte Erweiterung – ob im Namen der Kinder, der Frauen, der Tiere, LGBT oder nun der Flüsse. Der Staat wird nicht durch neue Rechte gerechter, sondern durch die Fähigkeit, bereits bestehende Pflichten durchzusetzen.

Der Schutz der Lebensgrundlagen ist und bleibt Aufgabe der Gesellschaft und des Staates, nicht der Natur selbst. Art. 20a GG verpflichtet den Gesetzgeber zu handeln – nicht, sich verklagen zu lassen. Der Staat braucht keine Gegeninstanz, sondern politisches Rückgrat. Die Stärke des GG liegt in seiner Nüchternheit und seiner klaren anthropozentrischen Ausrichtung.

Die Spree braucht kein Recht auf Klage, sondern sauberes Wasser. Und dieses Wasser wird nicht klarer, wenn man ihm einen Anwalt gibt. Es wird klarer, wenn alle ihre ihnen übertragenen Aufgaben erfüllen.

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