Ampeln ohne Männchen: In Zukunft ist die Ampel aus oder leuchtet in den Regenbogenfarben

Woke goes Kleinstadt – 46 Homo-Ampeln für Wolfenbüttel

von Gaia Louise Vonhof (Kommentare: 5)

Immerhin: Sie liegen im grünen Lichte noch nicht aufeinander, sondern gehen brav hintereinander, aber mit Hintereinander und Aufeinander kann man sich auch schon wieder heillos verheddern.© Quelle: Pixabay / 42North / pixel2013 / Foto Stadt Wolfenbüttel, Montage Alexander Wallasch

Die Überschrift „46 Homo-Ampeln für Wolfenbüttel“ haben wir uns nicht ausgedacht. Wirklich nicht. Aber so titelte am Freitag „Regional heute“ aus Niedersachsen.

Die Nachricht wurde aus einem Landstrich in den Äther geblasen, der früher als A der Welt galt, der eine Art tote Zone war nahe dem Todesstreifen der ostdeutschen Grenze.

Dieses politisch unkorrekte H-Wort in der Headline lässt schon fast vermuten,  dass die Schreiber des Regionalblättchens noch nicht so richtig angekommen sind in dem neu-woken Dasein und den Auswirkungen bis ins Ländliche hinein.

Aber andererseits: Vielleicht kann man diesen Fall auch noch eine Drehung weiterdrehen: Homo versteht nur als Schimpfwort, wer es selbst schon als solches benutzt hat. Der echte Homo geht damit so stolz um, wie eine Person of Color das N-Wort nutzt, aber eben nur unter ihresgleichen.

Ein Hinweis könnte hier ein Artikel von Donnerstag im Berliner Kurier sein, mit der Schlagzeile: „Vor fünf Jahren heirateten die ersten Homo-Ehemänner in Berlin und so geht es ihnen heute“. Hier wird der Begriff „Homo“ positiv aufgelöst.

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Aber zurück an die ehemalige Zonengrenze: 46 Homo-Ampeln, nennen wir sie jetzt einfach mal so, wie diese homophoben Hinterwäldler aus Wolfenbüttel sie getauft haben, sollen also die normalen Ampeln ersetzen.

Aber wer in dem Zusammenhang das Wort „normal“ gegenüberstellt, der macht Homo zu etwas Andersartigen. Und Andersartig ist kurz vor abartig. Extrem gefährliches Terrain, ein Minenfeld kurz vor dem Minenstreifen, Homophopie-Alarm zwischen Harz und Heide!

Wolfenbüttel nennt das Vielfaltsampeln, sie sollen die Weltoffenheit und Toleranz der 53-Tausend-Seelen-Stadt aufzeigen. Durch neue Streuscheiben werden bei „Grün“ neue Motive gezeigt, wahlweise zwei sich an den Händen haltende Frauen mit Herzchen oder ein Männer-Pärchen, sich auch an den Händen haltend und auch mit Herzchen.

Immerhin: Sie liegen noch nicht aufeinander, sondern gehen brav hintereinander, aber mit Hintereinander und Aufeinander kann man sich auch schon wieder heillos verheddern.

Die Ampelkoalition wird es freuen, denn mit dem Wolfenbütteler Homosalat in Grün ist jetzt gendergerecht angerichtet.

Ein kleines Signal der Sympathie und Queerfreundlichkeit von Wolfenbüttel, so Bürgermeister Ivica Lukanic. Der parteilose Architekt und Städtebauer erhofft sich zusätzliche PR durch viele Solidaritäts-Selfies vor den Installationen.

Wolfenbüttel, mit 53.000 Bewohnern als mittlere Kleinstadt geltend, an diesem beschaulichen Rand des alten Westens hat insgesamt … ja, wie viele Ampeln gibt’s hier auf einen Einwohner? Erst wenn man das weiß, kann man einschätzen, wie homo-gen dieses Wolfenbüttel sich damit gemacht hat. Mit Homo-Ampeln ist die Kleinstadt jedenfalls ganz vorne  dabei, auch wenn die Idee nicht neu ist.

Denn schon Anfang 2015 machte Wien mit einer Homo-Ampel auf sich aufmerksam. Das ursprünglich nur für ein paar Monate angedachte, gleichgeschlechtliche Motiv wurde dann auf 50 Ampeln ausgeweitet und dauerhaft installiert. Wolfenbüttel ist jetzt also fast so schwul wie Wien und hat dieses Sündenpfuhl proportional betrachtet längt überrundet.

Die österreichische Hauptstadt wollte damit seinerzeit im Kontext mit dem bevorstehenden Eurovision Song Contest und dem Life Ball zugunsten HIV-positiver Menschen ein Zeichen setzen. Angeblich hatte die neue Ampelgestaltung auch Vorteile für die Verkehrssicherheit – die Wiener Regierung erhoffte sich einen Hinguck-Effekt, dass diese Motive so interessant seien, um Menschen davon abzuhalten, bei Rot über die Ampel zu gehen.

Aus dem Wiener Landtag, von der FPÖ, gab es direkt Kritik dazu: Von „rot-grünem Genderwahnsinn“ war die Rede, der zu viel kosten würde. Und die rot-grüne Stadtregierung solle die Arbeitslosigkeit in der Stadt bekämpfen, anstatt sich um die Ampelmännchen zu kümmern.

Nun ja, Wien machte Schule, inzwischen gibt’s die gleichgeschlechtlichen Pärchen-Ampelmännchen in zahlreichen deutschen Städten, und jetzt ist auch Wolfenbüttel homoampeltauglich.

Aber wie heißen dann eigentlich die Lesben-Pärchen – doch nicht etwa Ampel-Weibchen? Das wäre ungeheuerlich und herabwürdigend! Müssten diese Männchen und Weibchen. oder was auch immer, nicht alle auch noch gegendert werden? Und, was ist mit den fluiden, post-gender, binären, non-binären und sonstigen angeblichen um die siebzig Geschlechter, zu denen man sich inzwischen einmal im Jahr offiziell und ansonsten nach Tagesform umentscheiden kann?

Und damit wären wir schon beim nächsten Fauxpas: Auch hier enttarnt sich der Homo-Diss, denn Lesben sind auch Homosexuelle. Also auch unter dem Ampel-Label „Homo“ gut aufgehoben. Bei Homosexualität geht es nämlich um Gleichgeschlechtlichkeit.

Last, but noch least haben wir da noch die Blinden, die bisher auf ein plattes heterosexuelles akustisches Signal reagieren. Ein ausgrenzendes monotones Piepen. Hier erklingt dann aus einer Homo-Soundmaschnine am Ampelkasten "Y.M.C.A." von den Village People, oder, nein, weil da Winnetou mitsingt, kommt wieder Marianne Rosenberg, diese Stilikone der Schwulencommunity, mit "Er gehört zu mir" ins Spiel.

Eben deshalb bedarf es eines ganz neuen Portfolios: Vor dem geistigen Auge entblättert sich ein diverses Ampel-Heer aller jetzt schon und zukünftig möglichen Geschlechter, Millionenkosten für die Kommunen, dafür aber politisch überkorrekte, binäre, schwule, transsexuelle, handicap-wertschätzende Ampeln – vielleicht welche mit rosa Rüschen oder Tütü drumherum.

Und das alles im Rotationsprinzip: Ab und zu darf aus Gerechtigkeitsgründen auch ein alter weißer Mann, denn der ist bald gefühlte Minderheit, zur Überquerung der Straße aufrufen. Mit der Umrüstung von ein paar Ampeln auf „homo“ ist es also noch lange nicht getan!

Aber dann wäre schon wieder das Problem mit dem Rentner, der auch homo ist und mit seinem Rollator zu lange braucht, bei der kurzen Grünphase über die Straße zu gelangen, weil er noch überlegt hat, ob er schon mit grün gemeint ist und was das Herz nun konkret verkehrstechnisch zu bedeuten hat.

Dabei ist das ursprüngliche Ampelmännchen, und das muss man heute, kurz vorm 3. Oktober, dem Tag der Deutschen Einheit, einfach sagen, einer der wenigen Überlebenden der Deutschen Demokratischen Republik. Während viele „Errungenschaften des Sozialismus“ abgewickelt und ausverkauft wurden, hielt das Ampelmännchen „in seinem Lauf weder Ochs noch Esel auf“, wie es sich Erich Honecker einst für den Sozialismus wünschte, und wurde zur Kultmarke – auch international.

Erfunden hatte den roten "Steher" und grünen "Geher" Karl Peglau, Psychologe im Medizinischen Dienst des Verkehrswesens der DDR.  Der wollte den Menschen in der DDR durch das wachsende Verkehrsaufkommen Ende der 1950er Jahre ein Symbol geben, das sie verstehen und dem sie folgen. Und das menschlicher daherkam als das West-Berliner Strichmännchen-Pendant von 1957.

In seiner Freizeit erschuf er das „Männeken“. Kult auch die Kopfbedeckung. Nach Aussage von Peglaus Witwe hielt dafür ein Strohhut vom damaligen Staatsoberhaupt als Modell her, den dieser bei einem Fernsehauftritt in der Sommerhitze trug. Obwohl Peglau schon 1961 seine „Straßenleitfigur“ im DDR-Verkehrsministerium präsentierte, dauerte es dann ganze acht Jahre, bis das Ampelmännchen seinen Weg in den sozialistischen Straßenverkehr fand.

Als dann nach der Wendezeit, so um 1994, nach und nach die Ampelanlagen in Ost-Berlin ausgetauscht und erneuert wurden, das Ost-Ampelmännchen verschrottet werden sollte und gegen das Westmodell getauscht, rettete ein schwäbischer Designer, Markus Heckhausen, das Ost-Relikt und machte es geschäftstüchtig zum Kult-Modell.

Heckhausen sammelte die abmontierten, ausrangierten Blenden der alten Ost-Ampeln und gestaltete daraus Leuchten, in rot und grün. Die gibt es immer noch, sie kosten circa 80 Euro. Viele weitere Produkte entstanden, T-Shirts, Vasen und Nudeln in Ampelmann-Form, die als Symbol des wachsenden, kunstoffenen und verrückten Berlins der 90er und 00er Jahre mittlerweile weltweit Kultstatus haben.

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Für viele Deutsche, besonders für die aus dem Ostteil, hat das Ampelmännchen darüber hinaus noch einen anderen Symbolwert: Immerhin ist es ihm gelungen, wenn auch mit schwäbischer Hilfe, nicht abgewickelt, nicht abgeschafft zu werden, wie so vieles nach der Wendezeit, seien es Betriebe, typische Produkte, ganze Wirtschaftszweige.

So ist das Ampelmännchen für viele zum Symbol gegen die „Abwicklung der Identität“ geworden. Eines, das überlebt hat, als ein ganzes Land mit einer in vielen Facetten ganz eigenen Kultur abgewickelt und verhökert wurde, nicht zuletzt durch Treuhand und Co. Es hat nicht nur überlebt, sondern ist zum Erfolgskonzept geworden, allein 2010 wartete Ampelmännchen-Retter Heckhausen und seine Firma mit einem 10 Millionen Umsatz auf und weltweitem Kultstatus.

Vielleicht ist dieses Ossi-Ampelmännchen auch deshalb so erfolgreich, weil es eben viel menschlicher, ansprechender daherkam als das Pendent aus dem Westen? Jedenfalls kann es sich bestenfalls noch seinen Kultstatus behalten, denn bei ihm ging es noch darum, so sympathisch zu erscheinen, dass ihm die Menschen auch folgen. Und dieses Menschelnde, wenn auch mit Honni-Hut, ist bestimmt etwas, wovon sich die Mehrheit der Menschen angesprochen fühlt.

Ob auch die neuen, woken Homo-Ampelmännchen solche Sympathieträger werden können? Oder vielleicht irgendwann auf dem Schrott landen, weil man etwas, was es gibt und was ein normaler Teil der Gesellschaft sein sollte, nicht extra exponieren braucht.

Den Homo Sapiens eint nämlich vor allen eines: Egal ob er schwul, hetero, asexuell oder Friseur ist, er geht aufrecht über die Straße, solange es grün leuchtet. Und exakt damit hätte man dann wieder alle Rollstuhlfahrer gedisst. Es müssen also noch Ampelmännchen im Stuhl auf Rädern folgen. Oder noch besser: Homo-Rollis mit einem Hang zum Tütü.

Aber weil das so bescheuert ist, wie es klingt, hier der Blick in die Glaskugel: Im Zukunft  wird es keine Ampeln in den herkömmlichen Farben mehr geben, der Fußgänger darf gehen, wenn die Ampel angeht und muss stehen, wenn sie aus ist. Und diese Ampel von morgen leuchtet in den politisch korrekten Regenbogenfarben, für diese Botschaft braucht es kein Homo-Irgendwas Männchen oder Frauchen oder Ich-weiß-es-nicht mehr.

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