Eine Sommerreise mit einem schwimmenden Wohnmobil

Zwei Wochen mit dem Boot durch die Niederlande

von Corinne Henker (Kommentare: 2)

Einmal beobachteten wir einen jungen Rehbock, der schwimmend die Maas durchquerte.© Quelle: privat

Unser Mietboot war eher eine kleine Yacht. Besonders der Umgang mit Schleusen wurde zur Herausforderung. Die Charterfirma empfahl uns die Tour „Festungsstädte der Niederlande“.

Eigentlich sollte es nach Kamtschatka gehen, 18 Tage mit Hubschrauber und LKW-Transporter durch unberührte Natur: Vulkane, Geysire, mit Braunbären auf Tuchfühlung. Gebucht war die Reise schon für 2021, damals fiel sie wegen der Corona-Schikanen aus, 2022 und 2023 wegen der Sanktionen und für 2024 sieht es auch nicht besser aus.

Also brauchten wir - mal wieder- eine Alternative. Es war die Idee meines Mannes, ein Boot auszuleihen, um die niederländischen Gewässer zu erkunden. Wir entschieden uns für eine 10-Meter-Motoryacht der Firma Linssen, die wir an der Basis Kinrooi (Belgien) in Empfang nahmen. Es war die kleinste Variante, aber ein zweiwöchiger Urlaub in einem 4-Sterne-Hotel am Mittelmeer wäre vermutlich günstiger gewesen, für meinen Geschmack allerdings viel zu langweilig.

Unsere Yacht war eine Art schwimmendes Wohnmobil mit Schlafraum, Sitzecke innen und außen, Radio, kleiner Küchenzeile mit Gasherd und Kühlschrank, WC (elektrisch), Waschbecken und Dusche. Ein 50-PS-Dieselmotor gewährleistete eine Geschwindigkeit von etwa 10 km/h, abhängig von Wind und Strömung. Insgesamt genau das Richtige für einen entspannten Urlaub und unser alter Hund durfte auch mit an Bord. Anfangs war er recht misstrauisch, gewöhnte sich aber schnell an die ungewohnte Umgebung.

Wir verfügen zwar über eine kleine Sammlung an Bootsführerscheinen, aber nicht über relevante Erfahrung. Kurz nach dem Erwerb der Scheine kamen die Kinder und die hatten dann andere Interessen.

Also begannen wir unseren Trip mit einem Skipper-Training: An- und Ablegen und der Umgang mit Schleusen waren die größten Herausforderungen. Aber es gab auch andere im Laufe der Tour: Gibt es Strom und Wasser an der nächsten Marina? Brauche ich dafür Münzen? Wo finde ich etwas zu Essen? Letzteres Problem war nicht immer einfach zu lösen, bis zum nächsten Supermarkt oder Restaurant waren es teilweise mehrere Kilometer. Zum Glück hatte mein Ehemann vorgesorgt und ein billiges Klappfahrrad eingepackt, Stauraum war an Bord ausreichend vorhanden.

Die Charterfirma hatte mehrere Routen unterschiedlicher Dauer empfohlen. Wir entschieden uns für die Tour „Festungsstädte der Niederlande“, für die 7-10 Tage eingeplant waren. Wir hatten 12 Tage zur Verfügung und empfanden diese gerade als ausreichend. Unsere Tage begannen mit einem gemütlichen Frühstück, leider nicht immer mit frischen Brötchen. Gegen 10 Uhr verließen wir den Hafen und fuhren meist etwa 5 Stunden pro Tag, inklusive der Wartezeit an den Schleusen (im Schnitt eine pro Tag).

Die Fahrt war größtenteils entspannt, nur bei Nijmegen wurde es aufgrund der Berufsschifffahrt teilweise recht eng. Ansonsten genossen wir die Natur: verschiedene Möwen, Enten, Gänse, Reiher, schwarze und weiße Schwäne, Kormorane, Haubentaucher, am Ufer Kühe, Pferde, Schafe. Einmal beobachteten wir einen jungen Rehbock, der schwimmend die Maas durchquerte. Bei uns zu Hause schauen die Rehe immer mal wieder über den Gartenzaun, aber mir war nie bewusst, dass sie so gut schwimmen können.

Am ersten Tag fuhren wir über die Maas nach Venlo. Wir legten zunächst im Stadthafen an, aber der Stadtbummel bei strömendem Regen war kein Vergnügen. Beeindruckend waren jedoch die Menschenmassen, die die Gelegenheit für einen sonntäglichen Einkaufsbummel nutzten. Wir trockneten und wärmten uns in einem hübschen Café, kauften Sushi für’s Abendessen und fuhren dann weiter zum Yachthafen etwas nördlich der Stadt. Hier fanden wir einen deutlich ruhigeren Platz für die Nacht.

Weiter ging es auf der Maas stromabwärts nach Norden, nächste Station war der Yachthafen Eldorado an einem See bei Mook. Eigentlich ein hübsches Erholungsgebiet mit großem Campingplatz, Wald, Strand, verschiedenen Freizeitangeboten aus einer ausreichenden Anzahl an Restaurants. Leider war es zum Baden immer noch zu kalt und unser alter Hund hielt nicht viel von längeren Wanderungen.

Der folgende Tag erwies sich als die längste Etappe unserer Tour. Wir fuhren über den Maas-Waal-Kanal weiter nach Norden und bogen dann bei Nijmegen auf die Waal in Richtung Osten ab. Dabei verbrachten wir etwa zweieinhalb Stunden an der Schleuse Weurt.

Auf der Waal hatten wir neben regem Berufsschiffsverkehr mit einer starken Gegenströmung zu kämpfen, sodass wir nur mit 6-7 km/h voran kamen. Irgendwann konnten wir dann auf den Pannerdens-Kanal nach Norden abbiegen, wo es deutlich schneller (etwa 13 km/h) voranging. Gegen 18 Uhr erreichten wir dann endlich den kleinen und idyllischen Yachthafen Looward. Zivilisatorische Annehmlichkeiten gab es hier nicht, aber immerhin Elektrizität, um unseren mitgebrachten Tischgrill zu betreiben.

Nach einer ruhigen Nacht folgte eine kurze Fahrt nach Arnhem am Niederrhein. Der Yachthafen war etwa 20 Minuten Fußweg vom Zentrum entfernt, was selbst vom alten Hund gut zu bewältigen war. Am Ufer lagen mehrere Flusskreuzfahrtschiffe, die als Quartier für Migranten genutzt wurden, mit Zäunen abgesperrt und gut bewacht.

Weiterlesen nach der Werbung >>>

Ihre Unterstützung zählt

Mit PayPal

Arnhem ist die Hauptstadt der Provinz Gelderland und hat etwa 165.000 Einwohner. Nach der Verleihung des Stadtrechts im Jahr 1233 durchlebte der Ort eine wechselvolle Geschichte: Eroberung durch Burgund 1473, 1543 unter Karl V. Angliederung an das Habsburgerreich, 1585 Anschluss an die Republik der Niederlande, Okkupation durch Frankreich 1672-74 und 1795-1813.

Im Mai 1940 wurden die Benelux-Staaten durch die Wehrmacht besetzt. Im September 1944 versuchten die westlichen Alliierten, im Rahmen der Operation „Market Garden“ die Rheinbrücke in Arnhem zu erobern, um so den Weg nach Deutschland zu öffnen. Die Operation scheiterte, die Wehrmacht siegte und zwang die 95.000 Einwohner zum Verlassen der Stadt.

1978 wurde die älteste Rheinbrücke nach Oberleutnant John Frost benannt, der als einziger die Brücke erreichen und vier Tage verteidigen konnte. Heute erinnern eine kleine Gedenkstätte und das Airborne Museum Hartenstein an diese Ereignisse.

Wir schlenderten durch das hübsche historische Stadtzentrum, mussten aber auf den im Reiseführer empfohlenen Panorama-Lift der Eusebius-Kirche verzichten: mit Hund nicht machbar.

Am nächsten Tag hatten wir wieder eine längere Strecke vor uns, das Ziel war Wijk bij Duurstede am Niederrhein, der hier Lek heißt. Die Geschichte dieses reizvollen Städtchens begann bereits in der Römerzeit. Im frühen Mittelalter war es eines der wichtigsten Handelszentren in Nordwesteuropa. Im 13. Jahrhundert begann der Bau des Kastells, dessen teilweise restaurierte Überreste heute u.a. als Kulisse für Hochzeiten und andere Veranstaltungen genutzt werden. Sehenswert ist auch das historische Zentrum mit der gotischen Grote Kerk und der Windmühle Rijn en Lek.

Unsere nächste Station war Nieuwpoort, eine kleine Festungsstadt stromabwärts am Niederrhein/Lek. Auch hier bummelten wir durch das hübsche Stadtzentrum, mussten allerdings feststellen, dass man gegen 17 Uhr in den Restaurants allenfalls Snacks zu essen bekommt. Egal, besser für die Figur.

Weiter ging es über den Niederrhein bis kurz vor Rotterdam. Wir konnten die Hochhäuser bereits in der Ferne erkennen, bogen jedoch ab auf die Noord und fuhren in Richtung Süden nach Dordrecht - ein weiteres Highlight unserer Tour.
Dordrecht erhielt bereits 1220 die Stadtrechte und zählt damit zu den ältesten Städten der Niederlande.

Heute hat die Stadt etwa 120.000 Einwohner. 900 geschützte Rijksmonumente und 700 weitere historische Häuser zeugen von der langen Geschichte. Die Stadt wird von mehreren malerischen Grachten durchzogen, die ihre Namen von den Gütern erhielten, die hier umgeschlagen wurden (Wijnhaven, Kalkhaven) oder von den Berufsgruppen, die man belieferte (Weber - wever, Böttcher - kuiper).

Im Juli 1572 trafen sich hier Repräsentanten mehrerer niederländischer Städte. Sie erklärten ihre Unabhängigkeit von Spanien und ernannten Wilhelm von Oranien zu ihrem Anführer. Die Dordrechter Städteversammlung markiert den Beginn des Niederländischen Unabhängigkeitskampfes, der sich über achtzig Jahre hinzog.
Während des Krieges fand 1618/19 die Dordrechter Synode statt.

Es ging dabei um die Frage, ob Gott bereits vorbestimmt habe, welchen Menschen das ewige Heil erlangen, oder ob man dieses Schicksal durch seine Entscheidungen und Taten beeinflussen könne. Am Ende gewannen die Calvinisten mit der Theorie, dass die Entscheidung über Erlösung oder Verdammnis bereits vor der Geburt von Gott gefällt wurde und nicht vom Menschen beeinflussbar sei.

Von Dordrecht fuhren wir über die Beneden Merwede (Fortsetzung der Waal) und Afgedamte Maas stromaufwärts nach Heusden, ein weiteres romantisches Festungsstädtchen. Der im 17. Jahrhundert befestigte Ort ist von einer sternförmigen Gracht und teilweise restaurierten Festungsanlagen umgeben.

Zwei Windmühlen und eine weiße Zugbrücke sorgen für das typische Holland-Feeling. Es war wieder Sonntag und auf dem Marktplatz fand ein Volksfest statt: Eine weißhaarige Rentnerband spielte Hits der 1970er und gleichaltrige Groupies tanzten dazu. Wir beobachteten das Ganze vom Pannenkoekenhuis aus.

Über die Maas ging es dann weiter stromaufwärts, zunächst in Richtung Osten, ab Cuijk nach Süden. Unsere nächsten Stationen Grave, Wanssum und Kessel waren ebenfalls hübsche Etappenziele, aber ohne besondere Highlights. Vielleicht lag es auch daran, dass die Landschaft  nach einer gewissen Zeit irgendwie immer gleich aussah: mehr Windmühlen als Windräder, grüne Wiesen und Felder, saubere Städte mit adretten Einfamilienhäusern, kaum Kopftücher und Niqabs, an den Ufern mehr oder weniger luxuriöse Häuser mit eigenen Bootsanlegern, Hochhäuser und Industrieanlagen nur am Rand der größeren Städte.

Wir empfanden die Zeit auf dem Boot als sehr entspannend, aber am Ende waren wir froh, nach 293 Seemeilen wieder in Kinrooi anlegen zu können. Unseren letzten Ausflug zum Designer Outlet Roermond erledigten wir dann lieber mit dem Auto.

Ich kann die Menschen verstehen, die ihre eigene Yacht als persönlichen Rückzugspunkt betrachten, mit dem sie weitgehend unabhängig und in Ruhe die Umgebung erkunden können, aber für mich wäre es auf die Dauer nichts. Man muss sich wirklich für die Sache begeistern, um eine Motor- oder Segelyacht zu kaufen und ständig instand zu halten. Immerhin kostet schon unsere kleine Mietyacht neu etwa 300.000 Euro. Für diesen Preis bekäme man anderswo schon ein kleines Einfamilienhaus.

Ich habe die zwei Wochen Ruhe genossen, doch unser nächster Urlaub wird ganz sicher wieder abwechslungsreicher. Wenn Sie mögen, berichte ich gern auch darüber, wenn es soweit ist.

Ihre Unterstützung zählt

Mit PayPal

Einen Kommentar schreiben

Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen. Aufgrund von zunehmendem SPAM ist eine Anmeldung erforderlich. Wir bitten dies zu entschuldigen.

Kommentare