Die Flut an parlamentarischen Anfragen des AfD-Abgeordneten Ringo Mühlmann im Thüringer Landtag hat bundesweit für Schlagzeilen gesorgt. Innenminister Georg Maier stuft Dutzende dieser Anfragen als problematisch ein, und in den Medien werden sie teils als Beleg für eine „fünfte Kolonne“ im Dienst Russlands interpretiert. Aber welche Anfragen das konkret sein sollen, erfährt Mühlmann nicht. Die pauschale Skandalisierung hat die Bundes-AfD unter Zugzwang gesetzt, Stellung zu beziehen.
Was treibt Mühlmann an? Sind seine Anfragen ein legitimes Mittel parlamentarischer Kontrolle oder ein Sicherheitsrisiko? In diesem Interview mit dem innenpolitischen Sprecher der AfD klären wir seine Sicht auf die Vorwürfe, seine Arbeit und die politische Dynamik in Thüringen. Ziel ist es, Licht in die Debatte zu bringen und zu prüfen, ob die Anfragen tatsächlich eine Bedrohung darstellen oder ob sie Ausdruck eines parteipolitischen Machtkampfes sind.
Warum nicht John, Paul oder George?
(Lacht) Das müssen Sie meinen Vater fragen. Aber tatsächlich, der Bezug zu den Beatles ist richtig.
Wann hatten Sie Ihre erste Blechtrommel?
Blechtrommel auf DDR-Zeiten bezogen?
Wegen Ringo Starr.
Nee, hatte ich tatsächlich nicht.
Können Sie ein Lied von Wolf Biermann singen?
Wahrscheinlich auch nicht. Ich bin musikalisch jetzt nicht der Überflieger.
Wir haben etwas gemeinsam. Wir sind Zivildienstleistende.
Das sehe ich nach wie vor als genau richtig an. Ich kann auch, wenn ich in der AfD bin und das immer mehr so ein bisschen Richtung Wehrpflicht geht, durchaus gut begründen, weshalb ich nach wie vor der Meinung bin, dass Zivildienst ein wichtiger Pfeiler für die Gesellschaft ist.
Jetzt haben Sie mit Ihrer Polizeilaufbahn den umgekehrten Weg gemacht: Pflugscharen zu den Polizeischwertern.
Das ist eine interessante Frage. Polizei halte ich für sehr produktiv für die Gesellschaft und deswegen würde ich das eine nicht mit dem anderen vergleichen. Die Bundeswehr und die Polizei würde ich doch völlig in unterschiedliche Schubladen stecken.
Fassen wir schon mal zusammen: Der Vater nennt Sie Ringo. Sie waren beim Zivildienst, gehen danach zur Polizei und Ihr Wahlkreisbüro ist in der Ernst-Thälmann-Straße.
Genau so ist es (lacht).
Welchen Bezug haben Sie zum Kommunisten Thälmann?
Ich bin in die Ernst-Thälmann-Oberschule gegangen und von daher habe ich schon einen gewissen Bezug zu Ernst Thälmann. Auch wenn ich den jetzt nicht im politischen Bereich habe, sondern wirklich nur althergebracht aus der Schule.
Nun sitzen Sie im Thüringer Landtag. Da haben Sie etwas ausgelöst. Sie sind innenpolitischer Sprecher und haben Probleme gekriegt wegen zu vielen bzw. den falschen Anfragen?
Das kommt immer mal, dass es angeblich zu viel wären. Aber in dem Sinne Probleme habe ich nicht gekriegt. Man kann mir ja in mein verfassungsrechtlich zugesichertes Recht, Anfragen zu stellen im parlamentarischen Bereich, nicht reingreifen. Jedenfalls nicht ohne Weiteres. Das, was da aktuell läuft, würde ich nicht unter Problem verbuchen, weil ich mir keiner Schuld bewusst bin, ehrlich gesagt.
Sie sind der innenpolitische Sprecher der AfD. Ihre kleinen Anfragen landen demnach überwiegend beim Innenminister Georg Maier. Und Sie schreiben besonders viele. Kann man das mal ins Verhältnis stellen zu den anderen der AfD?
Die letzte Erhebung, die ich habe, geht bis August. Da waren es im gesamten Landtag über 1300 Anfragen. Das waren weniger als im Vergleichszeitraum des Vorjahreszeitraums. Wir stellen im Landtag viele Anfragen, wir sind zehn Abgeordnete mehr. Aber momentan haben wir weniger Anfragen gestellt als in der vorigen Legislatur.
Nun soll Ihr Anteil besonders hoch sein.
Das ist richtig. Ich habe schon immer viele Anfragen gestellt. Deswegen liege ich momentan bei einer Zahl um etwa 300 Anfragen seit September letzten Jahres. Innenpolitik ist ein wichtiger Bereich auch in den letzten Monaten gewesen.
Kann man das in ein Verhältnis stellen zu den Anfragen der anderen Parteien. Ist die AfD da besonders aktiv?
Ja, die AfD ist besonders aktiv da. Auf dem zweiten Platz liegt Frau Hoffmann, unsere Umweltpolitikerin. Sie hat vielleicht einhundert weniger.
Da gibt es also eine Art Ranking?
(Lacht) Nein, ich habe vor wenigen Tagen auf diese Zahlen geguckt. Das ist alles auch in der parlamentarischen Dokumentation nachlesbar und recherchierbar, wie viele kleine Anfragen jeder stellt.
Nur das, was Innenminister Georg Maier beantwortet, kann auch weitererzählt werden. Welche Verantwortung trifft den Innenminister an irgendwelchen angeblich dem Russen durchgestochenen Fakten?
Das ist der entscheidende Kern der ganzen Sache. Wenn meine Anfragen in irgendeiner Art und Weise für den Kreml spionieren würden, dann könnten diese Anfragen nur das wiedergeben, was Herr Maier gesagt hat. Und damit bin nicht ich derjenige, der spioniert, sondern der Innenminister ist derjenige, der zu freizügig die Informationen herausgibt, weil es seine Aufgabe ist, das Ganze einzugrenzen.
Jetzt stellen Sie Fragen zur Infrastruktur, weil Sie der innenpolitische Sprecher sind. Nun soll der Thüringer Innenminister vierzig Anfragen rausgesucht haben, die er als problematisch einstuft. Was für eine Motivation vermuten Sie denn dahinter?
Ganz deutlich eine parteipolitische. Sie brauchen sich ja nur mal die öffentliche Berichterstattung der letzten Monate angucken. Der entscheidende Treiber des möglichen AfD-Verbotsverfahrens ist Maier, und sein großes Problem bei dem Vorantreiben seines Verbotsverfahrens ist nach wie vor, dass es eben nicht möglich ist, uns in irgendeiner Art und Weise ein aggressiv kämpferisches Vorgehen zu unterstellen oder nachzuweisen, weil es das einfach nicht gibt.
Wir wollen durch Wahlen verändern. Für Maier ist das ein Problem. Er braucht irgendwas Strafbares, was er uns anhängen kann, und nur damit kann er uns ein aggressiv-kämpferisches Vorgehen bescheinigen, was er gerne hätte, weil nur so kriegt er das Verbotsverfahren durch.
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Sie beschreiben den politischen Gegner der AfD in Thüringen als besonders aggressiv? Herr Kramer, der Präsident des Thüringer Verfassungsschutzes, gilt nach journalistischen Recherchen von Apollo News als einer der Antreiber, die AfD auf Bundesebene verbieten zu lassen. Liegt das alles an Herrn Höcke?
Das liegt nicht an Höcke, das liegt an Leuten wie Maier und Kramer, das liegt an der SPD, die hier einfach ihre Felle wegschwimmen sehen. Ich kenne viele, die in der AfD in Thüringen sind und sagen, dass Herr Maier und Herr Kramer Angst um ihren Job und Angst um die Wahlergebnisse der SPD in Thüringen haben, die ja in den letzten Wahlen immer nur bei fünf, sechs, sieben Prozent gelegen haben. Tatsächlich aber glaube ich mittlerweile nicht mehr nur alleine daran. Ich denke, das ist auch ein persönliches Ding, was die beiden da umsetzen. Wo das allerdings herkommt, kann ich Ihnen auch nicht sagen.
Können Sie ein konkretes Beispiel nennen, bei dem Ihre Anfragen auch zu einer Verbesserung der Transparenz oder der politischen Arbeit geführt haben? Gibt es ein Beispiel, wo Sie sagen können: Mit der Antwort haben wir das und das erreicht?
In den letzten Monaten gab es verschiedene Sachen, wo ich eine Anfrage gestellt habe, und dann wurden die Antworten auf meine Anfrage vom Ministerium an die Journalisten rausgegeben. Die einzige Möglichkeit, wie wir vernünftig vorgehen können und erreichen können, dass sich bestimmte Sachen ändern, ist nach meiner Überzeugung die parlamentarische Anfrage. Und deswegen stelle ich auch so viele, weil mir klar ist, ich werde bei Weitem mit vielem nichts erreichen. Aber selbst dann, wenn ich nur mit drei Anfragen was erreicht habe, dann habe ich etwas erreicht. Und deswegen werde ich das auch weiterhin so machen.
Wie zufriedenstellend sind die Antworten, die Sie bekommen?
In vielen Fällen überhaupt nicht. Ich habe ja selber im Bereich des Landeskriminalamtes beruflich mal Anfragen beantwortet auf der anderen Seite als heute und weiß daher, wie das funktioniert. Und es gibt einzelne Anfragen, wo dann nicht der Minister darüber geschaut hat zum Schluss, sondern der Staatssekretär. Und die sind dann tatsächlich inhaltlich mal annehmbar in dem Sinne: Das ist mal eine vernünftige Antwort auf eine parlamentarische Anfrage, wie man sich das wünscht. Das – seit 2019 verfolge ich das jetzt – wird aber immer seltener.
Die AfD bekommt qualitativ schlechtere Antworten als andere?
Ja. Es gibt eine Anfrage, die ich gestellt habe zu einem Sachverhalt im Landesverfassungsgericht. Da ging es um Fake-Accounts. Da hat der Anwalt des Innenministeriums relativ wenig verklausuliert gesagt, dass die Anfragen der AfD insbesondere zum Verfassungsschutz nicht so beantwortet werden wie die Anfragen von anderen. Also mal abgesehen davon, dass das ein Skandal ist und eine Ungleichbehandlung, habe ich auch versucht, das zu erfragen. Also ja, Anfragen der AfD werden nicht wie jene von anderen beantwortet.
Innenminister Maier soll vierzig Anfragen als problematisch eingestuft haben. Haben Sie von ihm irgendwann eine Liste bekommen?
Ich kenne die Zahl 47, und ich kenne die nur aus den Medien. Und ich kenne die auch nicht in irgendeiner Form als Liste oder so was. Ich habe heute einen Bericht in den Medien gelesen, dass Maier sich der Presse gegenüber geäußert hat, dass er die nicht herausgibt. Ich kenne aber die eine oder andere, die darunterfällt.
Konkret welche? Was ist dran an der Problematik?
Null Komma Nichts. Einfach deswegen, weil ich zu jeder Anfrage, die ich stelle, keine Auftragsliste des Kremls vor mir liegen habe, sondern detailliert begründen kann, weshalb ich sie stelle. Wenn Sie wollen, nenne ich Ihnen gerne ein, zwei Beispiele.
Bitte.
Ich habe vor wenigen Wochen einen Bericht in der „Wirtschaftswoche“ vor mir gehabt, da ging es um Militärtransporte durch Thüringen, über Thüringer Autobahnen, die an Autobahnrastplätzen möglicherweise auch mit Drohnen ausspioniert werden. Und da wird mir auch jeder Journalist zustimmen, dass es natürlich meine Aufgabe als Innenpolitiker ist – gerade in der Opposition –, wenn ich so was lese, nachzufragen, wo die Informationen herkommen, was da dran ist.
An Autobahnraststätten stehen ja nun nicht nur Militärkonvois, sondern natürlich auch Privatpersonen. Welche Gefahren gehen davon aus für Leute, die durch Thüringen fahren? Das zu erfragen, ist meine Aufgabe als innenpolitischer Sprecher! Und genau der komme ich nach. Man kann natürlich jetzt sagen, der Mühlmann spioniert für Putin, weil er Militärtransporte durch Thüringen hinterfragt. Aber es ist doch genau das Gegenteil der Fall. Es ist doch meine Aufgabe als Innenpolitiker, wenn daraus Gefahren für die Bevölkerung hervorgehen können, genau diese Gefahren auch zu erfragen. Und das habe ich getan. Und das kreidet mir Maier jetzt an.
Wie sieht es denn mit dem Arbeitsverhältnis zwischen Innenministerium und Verfassungsschutz in Thüringen aus?
Der Verfassungsschutz in Thüringen ist nichts anderes – auch wenn der Maier das immer wieder anders darstellt – als eine Abteilung im Innenministerium, die weisungsgebunden dem entsprechenden Staatssekretär unterstellt ist.
Wenn Sie auf der Webseite des Innenministeriums Thüringen nachsehen, dann sehen Sie das auch im Organigramm inklusive der Striche für die Weisungsgebundenheit. Die sitzen dann mit Herrn Kramer beim Kaffee und überlegen sich: Was machen wir jetzt als Nächstes gegen die AfD? Das kann nicht und das darf nicht sein in einer Demokratie. Das ist einer der Gründe, weshalb wir sagen, wir müssen da dringend organisatorisch was ändern, auch wenn wir es sogar im Wahlprogramm gefordert haben, den Verfassungsschutz abzuschaffen.
Jetzt waren Sie selbst lange im Polizeidienst. Sie waren im Innenministerium tätig. Wie ist denn der persönliche Kontakt zu Maier? Sieht man sich in der Cafeteria? Trinkt man mal einen Kaffee, sagt man „Hallo“ oder wie funktioniert das?
Nein, überhaupt nicht. Da gibt es keinen Kontakt. Ich habe in den letzten sechs Jahren mehrfach versucht, mit ihm ins Gespräch zu gehen im Ministerium. Ich kriege nur Absagen aus dem Ministerium für irgendwelche Gesprächstermine. Herr Maier ist an keinem Austausch interessiert, und auch das lässt tief blicken bezüglich der Demokratiebereitschaft von Herrn Maier in seiner Eigenschaft als Innenminister.
Hätte man auf der Ebene der kleinen parlamentarischen Begegnung vielleicht auch schon diesen oder jenen Fragenkomplex klären können, im kurzen Gespräch in der Cafeteria?
Jein, ich stelle ja Anfragen deswegen, weil ich die Öffentlichkeit haben will. Das heißt, ich sehe viele Fehler, die gemacht werden, versuche, die durch Anfragen aufzudecken. Und wenn ich dann etwas aufgedeckt habe, will ich natürlich als Oppositionspolitiker auch damit arbeiten können. Das kann ich nicht bei Anfragen beispielsweise in Ausschüssen, weil die nicht öffentlich tagen. Das kann ich auch nur bedingt mit Gesprächen machen. Deswegen ist mein bevorzugtes Mittel die kleine Anfrage, weil die öffentlich ist. Was in so einer öffentlichen Anfrage an Geheimen drinsteht, das ist allein eine Entscheidung von Maier.
Glauben Sie, dass Sie irgendwann den Stuhl von Herrn Maier bekommen?
(Lacht) Na ja, ich weiß es nicht. Ich denke, die AfD kann sich tatsächlich auch in Thüringen, wenn das weiter so geht, nicht dagegen wehren, dass wir irgendwann eine absolute Mehrheit bekommen. Und dann schauen wir mal, wo die Prioritäten liegen. Ich bin sehr gerne Abgeordneter im Thüringer Landtag.
Danke für das Gespräch!
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Kommentar von Corinne Henker
Das Muster ist dasselbe wie in einem anderen Beitrag von Ihnen beschrieben: Projektion. Man ist sich vermutlich mehr oder weniger darüber bewusst, dass es auch eine Art Landesverrat ist, das Schicksal unseres Landes und seiner Bürger auf Gedeih und Verderb an Selenskyj zu binden. Die AfD ist (fast) die einzige Partei, die das offen kritisiert (neben dem BSW, mit dem man ja in Erfurt gemeinsam in der Regierung sitzt und das deshalb zumindest in Thüringen sakrosankt ist). Also projiziert man die eigene blinde Selenskyj-Treue nun auf den politischen Gegner und diffamiert ihn als "Putin-Troll" oder ähnliches - obwohl die AfD eigentlich nur darauf hinweist, dass der Ukraine-Konflikt nicht unser Krieg ist und man sich mehr um die Interessen UNSERER Bürger kümmern sollte.