Warum der Vorwurf, regierungskritisch zu sein, zum Kompliment wird

AfD-nah – Das neue Gütesiegel für Journalisten?

von Alexander Wallasch (Kommentare: 10)

Wikipedia Eintrag „Alexander Wallasch“© Quelle: Wallasch/ Wikipedia

Ein pensionierter Soziologe sortiert mich als „AfD-nah“ ein – und trifft damit ins Herz dessen, was Journalismus eigentlich sein sollte: Kontrolle der Herrschenden auf Zeit.

Ein Professor in Rente – ich glaube, ein Soziologe – hatte einst ein sehr schlampig recherchiertes „Schwarzbuch Rechts“ geschrieben und mich dort unter anderem als AfD-nah sortiert. Auch basierend auf einem Interview mit Götz Kubitschek, das bei „Sezession“, dem Magazin von Kubitschek, erschienen ist und das ich mit Götz Kubitschek für Alexander-Wallasch.de führte.

Das ist schon ein bisschen lustig. Denn auch Vertreter der sogenannten Mainstreammedien waren in Schnellroda und haben in den 2010er Jahren Kaminfeuer-Gespräche mit Götz Kubitschek geführt. Legendär sind Interviews junger Redakteurinnen samt gemeinsamem Ziegenmelken in Schnellroda. In einem Ziegenstall, den ich leider nie von innen sehen durfte.

Und besagter pensionierte Professor meinte nun feststellen zu müssen, Alexander Wallasch sei AfD-nah. Das wurde natürlich postwendend von den üblichen Verdächtigen auf Wikipedia übernommen. Hier besteht übrigens die dringende Vermutung, dass private linksradikale Organisationen und staatlich finanzierte NGOs längst Büros betreiben, in denen diese Wikipedia-Autoren berufsmäßig regierungsfreundliche politische Artikel formulieren – eine Hand wäscht die andere.

Bei Wikipedia sind auch Mainstream-Medienschaffende tätig, die sich dort mutmaßlich ihre Quellen selbst schaffen, die sie dann zitieren. Jetzt könnte man es so machen wie Markus Lanz und immer wieder regelmäßig Vertreter der AfD zur Schnecke machen. Das ist ja eine erstaunliche Pendelbewegung bei Lanz mit seinem speziellen Blick auf die AfD. Mal erscheint Lanz hier journalistisch, mal bewusst abgrenzend als Vertreter der regierungsnahen Öffentlich-Rechtlichen.

Das ist aber lange keine Lanz-Erfindung, sondern seit mindestens zehn Jahren ein Dilemma aller öffentlich-rechtlichen Talkshows. Bei Lanz konnte man es zuletzt nur besonders eindrucksvoll beim Besuch von Tino Chrupalla in den Lanz-Studios beobachten.

Jetzt muss man sich die Frage stellen: Was ist falsch daran, als Journalist AfD-nah zu erscheinen? Zunächst ist es allein deshalb falsch, da für Journalisten jede Parteinahme falsch erscheint. Das entspricht niemals der Idee eines kritischen und freien Journalismus. Es macht den Journalisten zum Aktivisten, zum politischen Autor.

Ja, es gab eine Zeit vor der Zeit in der Bundesrepublik, als Journalisten Parteibücher offen mit sich herumtrugen und die Welt des Journalismus klar aufgeteilt war in jene mit SPD- und jene mit dem CDU-Parteibuch. Zwischendrin noch welche mit FDP-Parteibuch oder Leute, die sich zu den Liberalen bekannt haben, wie etwa Ulf Poschardt. Irgendwann kamen die Grünen dazu mit der „taz“. Sie brachten ihre eigene Zeitung mit.

War das noch Journalismus, weil es ja immer das Bekenntnis zur jeweiligen Partei gab und man sich als Leser also nicht vertun konnte, wen man vor sich hat? Kann so ein Journalismus ein in alle Richtungen kritischer Journalismus sein? Parteibuch-Journalismus bleibt jedenfalls Aktivismus.

Eine Steigerung wäre die Annahme von Verdienstorden für die Parteilichkeit, wie in der DDR oder wie es Ulf Poschardt, Paul Ronzheimer und ein weiterer Springer-Journalist taten, die sich von Kiew dafür auszeichnen ließen, dass sie als Journalisten die Waffen- und Milliardenzahlungen an die Ukraine unterstützt und befeuert hatten.

In ihrer parteilichen Not haben Journalisten wie der linksradikale Georg Restle den „konstruktiven Journalismus“ entdeckt, der nicht nur kritisiert, sondern darüber hinaus Vorschläge macht – drücken wir es positiv aus –, wie die Welt ein besserer Ort werden kann.

Das ist kein Journalismus mehr, denn er bewegt sich schnurstracks von der beobachtenden und beschreibenden Rolle in den politischen Aktivismus.

Eine rhetorische Frage: Ist jemand Journalist, der sich als Anhänger einer der Regierungsparteien versteht, der regierungsnah agiert? Oder ist jemand Journalist, der ähnliche Fragen stellt wie eine Oppositionspartei?

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Im Prinzip sind in beiden Fällen eine journalistische Ethik und Moral beschädigt. Man kann aber etwas Grundsätzliches formulieren: Journalismus ist als vierte Gewalt zwanghaft kritisch. Er hat eine klare Aufgabe, er ist vom Grundgesetz geschützt und mit besonderen Rechten ausgestattet worden.

Journalismus schaut den Herrschenden auf die Finger und kritisiert, wenn diese ihre durch Wahlen erlangte „Herrschaft auf Zeit“ missbrauchen. Die AfD ist als Oppositionspartei allein auf weiter Flur schon deshalb, weil alle anderen Parteien miteinander mehr oder weniger koalitionswillig sind.

Die vierte Gewalt hat hier eine klar definierte Aufgabe und einen unverrückbaren Auftrag: Sie muss den Regierenden auf die Finger schauen. Sie muss den Herrschaften auf Zeit auf die Finger schauen. Und sie arbeitet im Auftrag des Souveräns.

Das heißt: Wenn ein regierungsnahes Medium in der Berichterstattung beispielsweise über Alexander-Wallasch.de meint, dieser Blog wäre AfD-nah, dann muss man sich fragen, wer hier journalistisch arbeitet. Ist es derjenige, dem man unterstellt, er sei AfD-nah? Oder ist es derjenige, der aus einer regierungsnahen Position heraus diese Behauptung aufstellt?

Noch einfacher: Wer sich heute als Journalist den Vorwurf anhören muss, er sei AfD-nah, der hebt sich zunächst einmal positiv von allen regierungsnahen privaten und öffentlich-rechtlichen „Journalisten“ ab. Hier besteht sogar der begründete Verdacht, dass ein als AfD-nah beschimpfter Journalist viel eher „Journalist“ genannt werden kann als jemand, der diese Behauptung aus dem regierungsnahen Lager kommend aufstellt.

Auf die Gefahr hin, redundant zu erscheinen: Der Vorwurf an einen Journalisten, AfD-nah zu sein, beinhaltet automatisch die Feststellung, dass dieser Journalist regierungskritisch agiert, weil man seine Arbeit mit der einer Oppositionspartei verbindet.

Aber stopp: Selbstverständlich sind hier zwei Faktoren zu beachten. Zum einen die genannte Regierungskritik, aber auch das Parteiprogramm selbst. AfD-nah kann theoretisch auch bedeuten, dass man sich dem Parteiprogramm der AfD nahe fühlt. Auch das ist für einen Journalisten ein No-Go-Area – möglicherweise abgemildert, wenn er sich an prominenter Stelle öffentlich dazu bekennt und damit lesbar bleibt.

Selbstverständlich bleibt Journalismus eine Vertrauensfrage. Und Vertrauen braucht Zeit. Man lernt einen Journalisten über seine Arbeit kennen. In kaum einem anderen Dienstleistungsberuf ist Vertrauen so fundamental wichtig.

Nun war die Nähe zwischen Leser, Publikation und Journalist früher eine deutlich engere. Auch hier erodiert ein Vertrauensverhältnis. Wenn ich die Arbeit eines Autors kenne, kann ich ihn einschätzen und kann beurteilen, in welche Richtung er tendiert. Ich kann ablesen, ob er in der Sache dennoch weiterhin objektiv bleibt. Ich kann an seinen Meinungsartikeln immer wieder neu ablesen, wo er steht und ob er überhaupt irgendwo steht.

Journalismus kann ja im 21. Jahrhundert nicht bedeuten, dass man keine Meinungsartikel mehr formuliert, keine Meinungsartikel mehr schreibt und immer nur auf der nachrichtlichen Ebene bleibt. Publikationen, die streng versuchen, sich von Meinungsartikeln freizuhalten, unterliegen am Ende dennoch einer Auswahl ihrer Themen. Man wählt bestimmte Themen und Gesprächspartner aus, bleibt dabei aber auf einer subtilen Ebene meinungsmachend.

Und aktivistischer vielleicht als jemand, der immerhin offen erklärt, er sei Anhänger etwa der SPD. Denn den kann man einschätzen, von dem weiß man dann bereits, dass er regierungsnah agiert.

Grundsätzlich ist festzustellen, dass eine regierungskritische Haltung wichtigster Grundpfeiler objektiver journalistischer Arbeit ist. Und wenn jemand diese Regierungskritik als AfD-nah framet, dann kann man sicher davon ausgehen, dass diese Kritik aus einem regierungsnahen Medium kommt.

Deshalb Schlusssatz: Als AfD-nah bezeichnet zu werden, muss nicht als Beleidigung verstanden werden, sondern ist zunächst einmal wichtiger Indiz guter journalistischer Arbeit. Jedenfalls dann, wenn man Journalismus auch als Auftrag begreift, die „Herrschenden auf Zeit“ zu kontrollieren. Journalismus ist zuerst als Demokratiewächter ein Aktivist. Dann sollte im Idealfall kein weiterer Aktivismus dazukommen.

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