Große Aufregung um Felix Banaszak: Der noch weitgehend unbekannte Grünen-Chef liebt sein Land nicht. Im Sommerinterview gelang es ihm leider nicht, ein paar schöne Sätze mit Herz über Deutschland zu formulieren, die geeignet wären, die Bürger auf dem Sofa zu erreichen.
Aber warum eigentlich nicht? Der Duisburger Vater einer Tochter hat offenbar nicht seinen Traumberuf gewählt. Denn in jedem modernen Assessment-Center – so heißen diese knallharten Bewerbungsgespräche großer Unternehmen heute – fragt man nämlich zuerst immer danach, warum man überhaupt in diesem Beruf arbeiten oder ihn erlernen will. Sich hier vernünftig vorzubereiten und vorzustellen, gehört ja zum kleinen Einmaleins.
Und Deutschland ist noch dazu das größte Unternehmen des Landes mit Millionen von Angestellten. Der 35-jährige Grüne möchte ein Anführer von Deutschland werden und beantwortet die zentrale Frage so:
„Ich möchte, dass Deutschland ein Land ist, in dem sich alle Menschen wohlfühlen, das für alle Menschen eine Heimat ist.“
Eine Bewerbung als Bester der Besten für Deutschland mit einem „No-border-No-Nation“-Statement zu eröffnen, ist mindestens ungünstig. Schräger geht’s ja kaum. Der Türsteher erklärt dem Clubbesitzer, dass er alle Gäste reinlassen will und dass er den Club, die Musik, das Personal – einfach alles – sowieso doof findet. Oder nochmal anders: Eine Bewerbung für Deutschland eskaliert zum Bekenntnis für eine feindliche Übernahme.
Aber nun frage man sich, was ist bitte so schwer daran, reinen Herzens zu berichten, was man an seinem Deutschland liebt? Diese Frage ist sogar eine der einfachsten für einen Politiker vor einem Millionenpublikum, weil es kein Richtig und Falsch geben kann. Jedenfalls dann, wenn man gerade nicht auf dem Nachbarplaneten unterwegs ist.
Jede Antwort passt, welche die positiven Gefühle eines Deutschen für sein Land nacherzählt. Das ist die Eintrittskarte in die Herzen der Deutschen, die so erkennen können, dass dort jemand steht, der ihre Gefühle teilt! Welche intellektuelle Verrenkung muss da beteiligt sein, die so zielsicher wie ein Bremsklotz das Einfachste verhindert?
Noch dazu, wenn man, wie Grünen-Boss Felix Banaszak, Vater einer Tochter ist. Das macht es für Normalsterbliche einfach. Dann beginnt man damit, zu berichten, dass man so froh darüber ist, dass die Tochter in einem sicheren Land aufwächst, in einem Land, das für seine Schulen, Universitäten, für seine exzellente Ausbildung bekannt ist, in dem jeder frei und ohne Angst vor Repressionen seine Meinung sagen kann. Lachen Sie jetzt bitte nicht.
Ein Land mit dem besten kostenlosen Gesundheitssystem der Welt, ein Exportweltmeister, der jene Produkte fertigt, auf die die Welt nur gewartet hat, und der nebenbei auch noch Jahr für Jahr die Fußballpokale der Welt abräumt. Oder wie es Franz Beckenbauer nach der Wiedervereinigung mit glänzenden Augen ungefähr sagte: „Jetzt werden wir über Jahre unschlagbar sein.“ 'Wir' hat er gesagt!
Ein Land mit freundschaftlichen Verbindungen zu allen Nachbarn. Ein Land, das aus dem Osten mit preiswertem Gas versorgt wird und aus dem Süden mit begeisterten Gastarbeitern. Männer, die gerne für ein paar Jahre herkommen, fleißig arbeiten, um dann wieder nach Hause zu fahren, um sich vom verdienten deutschen Geld ein schönes Eigenheim für ihre Lieben an der Mittelmeerküste zu bauen.
Die dort dann wieder beneidet werden von ihren Nachbarn, die zu Nachahmern werden und schon fleißig Deutsch lernen, weil sie ebenfalls für ein paar Jahre nach Deutschland kommen und ihr Glück machen wollen. Ein Schneeball-System!
Der gute Herr Banaszak hätte von einem Land erzählen können, das auch jene Deutschen auffängt, denen Schicksalsschläge die Teilnahme am Erwerbsleben verhagelt haben oder denen seelische Tiefschläge so zu schaffen machen, dass sie auf die Unterstützung der Gemeinschaft angewiesen sind.
Aber nicht nur die Leistungsempfänger, auch die Schaffenden, also jene, die dieses soziale Netz finanzieren, sind froh, dass es diese Einrichtung gibt. Denn so können sie sich sicher fühlen, dass auch sie einmal versorgt sind, wenn sie etwas Unvorhergesehenes aus der Bahn werfen sollte, Gott behüte natürlich.
Weiterlesen nach der Werbung >>>
Ihre Unterstützung zählt
Ein Land voller friedlicher Menschen, die ihren Nachbarn so leben lassen, wie er leben mag. Die im Sommer an den Wochenenden gern mal über den Gartenzaun den Ertrag der Beete vergleichen und am Abend gemeinsam vor der Garage einen Kasten Bier leeren oder zwei und sich dabei den Magen mit viel zu viel von dem guten, preiswerten Grillfleisch verderben.
Ein Land, über das die Nachbarländer auch herzlich lächeln können, weil die Deutschen dieses merkwürdige – aber ausgeklügelte! – Mülltrennsystem in jeder Küche unter der Spüle haben, das sich wie eine ansteckende Krankheit über halb Europa ausgebreitet hat. Oder nur über Nordeuropa? Egal.
Ein Land, das im Sommer in die Ferne schweift. Die Urlaubsflieger mit deutscher Flagge bedecken den Himmel. Und am Traumziel fliegen schon die Handtücher und reservieren die besten Plätze auf den Liegen, bevor sich wieder der rothäutige Engländer nach vorn schummelt.
Vati fährt den Jahreswagen, und wenn der Urlaub vorbei ist, steht schon der neue vor der Tür. Der nette Herr von der Versicherung kommt ins Haus und hat schon alles vorbereitet, damit Vati am nächsten Morgen braungebrannt zum Dienst fahren und dort dem neuen Kollegen von dessen Heimat erzählen kann, vom Strand, dem Essen und dem Sonnenuntergang, dass es ihm direkt die Tränen in die Augen treibt, bei dem Gedanken, wie schön seine Heimat doch ist – und noch schöner in der Erzählung des begeisterten deutschen Urlaubers.
Also, warum hat der Grünen-Chef im Sommerinterview nicht genau das erzählt? Weil es dieses Deutschland nicht mehr gibt. Und weil er als Grüner besonders gut weiß, warum es dieses Land nicht mehr gibt.
Felix Banaszak hätte im Sommerinterview von den vielen parallel verlaufenden Familiengeschichten der Deutschen erzählen können. Woher seine Großeltern kommen und deren Eltern, was sie hier gemacht, was sie aufgebaut haben nach den Kriegen, was wieder zerstört und dann eben wieder aufgebaut wurde.
Felix Banaszak könnte von einer unverbrüchlichen Verbindung zu diesem Land erzählen. So etwa von jenem schönen Moment, als er der Tochter im Garten beim Apfelpflücken von ihrem Urgroßvater erzählte, der genau jenen Baum pflanzte, vor dem man gerade stand. Und der eines Tages mit dem kleinen Felix und einem Taschenmesser bewaffnet zum Apfelbaum gegangen war um ihn in die Geheimnisse des Veredelns einzuführen. Der ihm dabei geduldig erklärte, weshalb der Baum wundersamer Weise drei verschiedene Apfelsorten trägt, zwei davon wurden nämlich einfach aufgepfropft.
Ja, das klingt jetzt alles nach dem kleinen Michael und Werthers Echten, aber auch diese Werbung kam nicht einfach aus dem Nichts.
Dann nähme Felix – Michael – Banaszak vielleicht die Hand seiner Tochter, führte diese über die narbige Stelle am Stamm, genau dort entlang, wo der Urgroßvater dereinst die Klinge angesetzt und dieses Apfelwunder vollbracht hatte. Eine Geschichte, welche die kleine Banaszak dann ihrerseits niemals mehr vergessen und wiederum ihren kleinen Banaszaks erzählen wird.
Jedenfalls dann, wenn der Baum noch nicht müde geworden und sich zur Erde geneigt hat. Aber dann gäbe es ja noch diese wunderbaren Stachelbeerbüsche mit diesem verwunschenenNamen, der schön, aber eben auch so schön düster klingt, wen man ihn aufsagt und den der Vater deshalb immer ganz langsam gesprochen hat, damit sie ihn sich für immer und ewig einprägen und noch ihre Enkel erzählen kann: „Krasnoslawjanskij“, Kras-no-slaw-jan-skij!
Und dann würden die Enkel aus dem Mund der Tochter hören:
„Diese Stachelbeere hat euer Opa gepflanzt. Er hat sie aus Russland mitgebracht. Opa Felix hat das kleine Stämmchen mit dem wenigen Wasser, das ihm zur Verfügung stand, über tausende Kilometer Zugfahrt und den langen Fußmarsch am Leben gehalten. Und als er nicht mehr konnte, hat es ein Kamerad gemacht. Das war das Einzige, das der Opa 2043 nach den langen Jahren in der Fremde mit nach Hause gebracht hat zurück in sein geliebtes Deutschland. Und nun probiert mal.“
Einen Kommentar schreiben
Sie müssen sich anmelden, um Kommentare hinzuzufügen. Aufgrund von zunehmendem SPAM ist eine Anmeldung erforderlich. Wir bitten dies zu entschuldigen.
Zur Anmeldung
Kommentare
melden
Kommentar von Peter Wohlgemuth
Zitat: 'Ein Land mit dem besten kostenlosen Gesundheitssystem der Welt, '
Hm, habe ich da etwas verpasst? Wer versichert mich denn bitte 'kostenlos'?
melden
Kommentar von Carl Peter
In den 1950er Jahren war man Deutscher, weil man sagte, man räumt jetzt erstmal den Nazidreck weg.
In den 1960er Jahren war man Deutscher, weil man sagte, man baut mit den Siegern ein geteiltes Deutschland wieder auf.
In den 1970er Jahren war man Deutscher, weil man sagte, mit unseren politisch aufgeklärten Töchtern und Söhnen wird es niemals wieder einen "Führer" geben.
In den 1980er Jahren war man Deutscher, weil man sagte, wir trotzen unserer Vergangenheit und wollen wieder in die Weltgemeinschaft.
In den 1990er Jahren war man Deutscher, weil man sagte, aus X-Mal- Deutschland haben wir wieder ein einziges Deutschland gemacht.
In den 2000er Jahren war man Deutscher, weil man sagte, man ist alleiniger Deutscher im Zweifel, denn ganz Europa ist dann doch wieder besser.
In den 2010er Jahren war man Deutscher, weil man sagte, man ist eigentlich keiner und die Bezeichnung Deutschland kann eigentlich ganz weg.
In den 2020er Jahren war man wieder Wahnfried.
melden
Kommentar von Thomas Schöffel
So ist das bei allen Linken. Keiner von denen darf sagen was er will. Und wenn doch, wirst du vor Ort "eingenordet". So eine Art innerparteiliche geheime Sprachgerichtsbarkeit. Beim sprachlichen Herumeiern erkennt man glasklar und ganz genau, was gerade gesagt werden darf und was nicht. Und die denken, wir merken das nicht. Weltfremde Ideologen, Elfenbeinturmbewohner und Träumer. Keiner darf aus der Reihe tanzen. Wer hat´s gesagt? "Es muß demokratisch aussehen, aber wir bestimmen wo´s langgeht".
melden
Kommentar von Joly Joker
Hat irgend ein bekannter Grüner mal ein Assessment - Center von innen erlebt, oder mal versucht sich online bei der Lufthansa zu bewerben?
melden
Kommentar von Edlosi
Klasse fundierte Worte.
Beeindruckend im Zeitraffer niedergeschriebene Geschichte.
Stachelbeeren aus Russland - würde ich als Film Überschrift empfehlen.