Der Außenminister wollte „unaufgeregt“ mit der Sache umgehen

Als Steinmeier mit einem Rapper unter Islamismus-Verdacht „Deutschland, Deutschland“ sang

von Alexander Wallasch (Kommentare: 7)

"Komm runter, komm endlich klar – Versteh mich und nimm mich wahr"© Quelle: Youtube / AP Archive Screenshot

Eine Karriere als singender Bundespräsident blieb Steinmeier verwehrt. Aber immerhin versuchte er es, als er noch als Außenminister mit einem deutsch-türkischen Rapper ein Deutschlandlied aufnahm und dazu noch seinen französischen Amtskollegen in die Pflicht nahm.

Wir schreiben das Jahr 2007, Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier war Außenminister unter Merkel. In diesem Jahr kam es zu einer Zusammenarbeit zwischen Steinmeier und dem deutsch-türkischen Rapper Muhabbet, die heute längst wieder in Vergessenheit geraten ist. Damals überredete er den damaligen französischen Außenminister, mit ihm zusammen in einem Tonstudio in Berlin-Neukölln den Laienchor für besagten türkischstämmigen Rapper zu geben.

17 Jahre später wird Steinmeier – nunmehr als Bundespräsident – in der Türkei den Döner-Jungen geben.

2007 war die Aufgabe ähnlich einfach, sie bestand aus der hingeleierten sturen Wiederholung des Wortes „Deutschland“, so auch der Titel des Rap-Songs (im Anhang als Youtube-Link plus Textbeilage).

Die „Welt“ schrieb damals, dass es, um der „gemeinsamen Herausforderung der Integration von Einwanderern“ zu entsprechen, auch eine Version mit „Frankreich“ gab. Um was es in dem Lied geht, erklärte die Zeitung in einem Satz: „Der Song ist ein Forderungskatalog an die Deutschen“.

Muhabbet heißt übrigens eigentlich Murat Ersen. Er wurde 1984 in Köln-Bocklemünd geboren, das damals (schon) als Problembezirk galt. Dem gesanglich vollkommen untalentierten Steinmeier kommt der Stil des Deutsch-Türken zu Gute; eine die Töne verschleifende Gesangstechnik.

Besagter Muhabbet war 2007 auch „kultureller Botschafter“ der von Steinmeier und dem früheren türkischen Außenminister Gül gegründeten Ernst-Reuter-Initiative, die sich dem deutsch-türkischen Kulturaustausch verschrieben hatte.

Wieder die „Welt“ schrieb und verklinkte damals: „Das komplette Lied können Sie auf der Internetseite des Auswärtigen Amtes anhören und herunterladen“. Klickt man heute auf diesen Link, erfährt man: „Ein Problem ist aufgetreten. Wir bitten um Entschuldigung.“

Und das kann man durchaus wörtlich nehmen. Denn die weitere Zusammenarbeit endete trotz hastiger Entschuldigung des Rappers, schon Ende 2007 mit einer Enthüllungsgeschichte im „Spiegel“. Das Hamburger Magazin titelte damals: "Pop-Sänger Muhabbet – Musterknabe unter Islamismus-Verdacht“.

Den Stein ins Rollen gebracht hatte Esther Schapira, Tochter von Holocaust-Überlebenden, vielfach preisausgezeichnete Filmemacherin und damals Ressortleiterin Zeitgeschehen beim Fernsehen des Hessischen Rundfunks.

Sie hatte gemeinsam mit Autor Kamil Taylan den „Deutschland“-Steinmeier-Rapper Muhabbet bei der Verleihung des „Prix Europe 2007“ kennengelernt, wo ein Film von ihr preisausgezeichnet wurde.

Konkret handelte es sich um den Dokumentarfilm „Der Tag, als Theo van Gogh ermordet wurde“, der in der ARD gezeigt wurde. Darin rekonstruieren Schapira und Taylan den Mord an dem holländischen Filmemacher van Gogh durch Mohammed Bouyeri. Bouyeri, Holländer marokkanischer Abstammung, hatte am 2. November 2004 achtmal auf sein Opfer geschossen, dann mit der Machete seinen Kopf abgetrennt und ein Bekennerpamphlet mit dem Messer in die Brust gerammt.

Muhabbet hatte die Veranstaltung mit einem Lied eröffnet und traf später auf der Aftershowparty auf die Preisträger. Der Spiegel schrieb Ende 2007 über diese Begegnung:

„Offenbar ziemlich aufgebracht, so berichtet Schapira, habe Muhabbet sie angefahren: 'Theo van Gogh hat noch Glück gehabt, dass er so schnell gestorben ist. Ich hätte ihn in den Keller gesperrt und gefoltert.' Dann fügte er hinzu: 'Auch Ayan Hirsi Ali hat den Tod verdient.' Die unter Polizeischutz lebende Islamkritikerin und frühere niederländische Abgeordnete aus Somalia hatte mit van Gogh bei dem umstrittenen Film 'Submission' zusammengearbeitet.“

Schapira ging damit an die Öffentlichkeit, Taylan bestätigte den Vorfall, er hatte Muhabbet auf Türkisch gefragt: „Junge, spinnst Du?“ Und Muhabbet soll daraufhin auf Deutsch geantwortet haben: „Nein, ich meine das völlig ernst.“

Nun war der Sänger damals 23 Jahre alt. Aber der damalige Außenminister fand ihn würdig genug, gemeinsam ein Deutschlandlied zu veröffentlichen. Und in Zeiten, in denen ein Jahrzehnte altes Flugblatt eines 17-Jährigen beinahe eine Staatskriese auszulösen in der Lage ist, ist das keine Kleinigkeit.

Der ebenfalls anwesende Manager des Rappers dementierte die Vorwürfe damals nicht, meinte aber, sich an nichts erinnern zu können. Erinnern konnte er sich daran, dass Muhabbet sich über „die unterschwellige emotionale Botschaft“ des Films geärgert habe, die dieser „als ressentimentgeladen und anti-muslimisch“ empfunden hätten.

Der Spiegel endete vor 17 Jahren mit einem Zitat des späteren Bundespräsidenten:

„Ich hätte mir gewünscht, dass man sich vielleicht konkret mit dem beschäftigt hätte, was Herr Muhabbet in den letzten zwei Jahren gemacht hat." Steinmeier habe sich zudem dafür ausgesprochen, „unaufgeregt“ mit der Sache umzugehen.

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Wir haben andere Sitten
Ihr habt andere Sitten
Kommt, seh'n wir uns in die Augen
Sagen die Meinung, zeigen das wahre Gesicht
Ihr fragt euch, wieso wir so sind
Wir fragen, wieso ihr so seid
Komm, treffen wir uns endlich
Und reden völlig normal

[Pre-Refrain]
Komm runter, komm endlich klar
Versteh mich und nimm mich wahr
Dein Urteil ist nicht wahr
Vergiss doch mal das schwarze Haar

[Refrain]
Deutschland
Deutschland
Deutschland
Deutschland

[Strophe 2]
Denkst du, ich werd' mich ergеben?
Denkst du, ich halt' nicht dagegеn?
Denkst du, dass ich still und schweigend
Mich hier einfach auf deinen Boden leg'?
Es geht nicht, wir geben nicht auf
Wir streiken, wir geh'n den Weg hinauf
Ihr haltet uns alle nicht auf
Ihr werdet seh'n, wir schaffen es auch

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