Ein streikendes Gerät, ein Hauch von Murphys Gesetz und KI als Retter – wie ein Samstag zu einer Lektion in Teamwork, Technik und Zukunft wird

Am Samstag auf den Knien mit dem Kopf in der Spülmaschine: Wie ChatGPT aus Laien Facharbeiter macht

von Alexander Wallasch (Kommentare: 5)

Das Innenleben für Facharbeiter© Quelle: Wallasch

Ein Samstag, der mit einer kaputten Spülmaschine beginnt, wird zur Bühne für Chaos, Familiendynamik und einen unerwarteten Helden: ChatGPT. Mit etwas Mut, einer Taschenlampen-App und KI-Anleitung wird nicht nur die Maschine repariert, sondern eine Idee geboren: Kann jeder von uns mit KI ein Handwerker werden?

Selbstverständlich passiert so etwas exakt immer am Wochenende. Idealerweise zwischen den Grillvorbereitungen und der Einleitung des gemütlichen Teils, Sie wissen schon. Das muss man niemandem erzählen. Jeder kennt es. Der eine nennt es Murphys Gesetz, der andere hat dafür gar keine Bezeichnung und macht dann einfach.

Heute war es die Spülmaschine. Wasserpumpe pumpt nicht ab, Waschvorgang bricht ab, Wasser steht in der Maschine, muss abgeschöpft werden. Frau erinnert daran, dass es ja ein preiswertes Modell von Real-Kauf war und schon eine erstaunlich lange Weile funktioniert hat. Jeder weiß jetzt, was sie damit sagen will: Es ist wohl an der Zeit, eine neue Maschine zu kaufen.

Mir fällt da immer eine Szene aus der Kindheit unseres Ältesten ein. Er kam einmal ganz traurig und erschöpft vom Fahrradfahren mit dem neuen Geburtstagsfahrrad. Schieben musste er es, es sei jetzt kaputt, er bräuchte leider ein Neues. Tatsächlich war die Luft aus dem Vorderreifen. Ich musste lachen, aber was mich nachhaltig erschütterte, war diese blauäugige Ernsthaftigkeit, welche er in die Aussage gelegt hatte.

Frau beschwert sich ausnahmsweise nicht, als ich eine Stuhlauflage auf den nassen Boden lege, mich darauf knie, um mit dem Innenleben der Spülmaschine auf Augenhöhe zu gehen.

Noch ein letztes Mal schöpfe ich das Stauwasser ab, nehme das Sieb heraus, reinige es erneut und starte die Maschine. Aber es hilft nichts: mitten im Prozess der Abbruch. Wasser in der Maschine. Was tun? Als Erstes demontiere ich die Zulaufschläuche. Noch mag es routiniert aussehen, was ich da unten treibe. Ich lasse Fachausdrücke fallen: „Gib mir bitte mal den Engländer!“ Oder: „Mist, die Schlauchschelle scheint defekt“.

Während ich so plappere, sehe ich, dass der Siphon unter der Spüle auch schon in die Jahre gekommen ist. Hier kann man den Zulauf der Spülmaschine nicht mehr einfach ab- und neu aufschrauben. Bei der Demontage geht die Dichtung kaputt, also braucht es jetzt einen neuen Ring. Ich fluche, wie man eben flucht, wenn man es kommen sieht.

Kurz gesagt: Die Reparatur des einen Schadens ist bereits der Auftakt für weitere kleinere Kollateralschäden, die dann ebenfalls repariert werden müssen – der gefürchtete Dominoeffekt. Ältere kennen das von Loriot: „Das Bild hängt schief“.

Meine Frau schaut auf mich herunter. Eine Frage der Ehre, dass ich mich jetzt verbissen zeige. Die Spülmaschine muss gekippt werden. Dafür braucht es eine zweite Hand. Aber wer macht es? Die Kinder haben keine Lust, so lange zu stehen. Die Frau macht es dann widerwillig. Oder präziser: Aufreizend lässig. So lässig, dass ich mich wundere, dass sie nicht nebenbei noch ein bisschen WhatsApp macht.

Dann braucht es Licht. Taschenlampen gibt es im Haushalt längst keine mehr. Niemand kauft mehr Batterien, seit jedes Handy eine Taschenlampenfunktion hat. Ich habe schon zwei Brillen übereinander auf, aber es liegt wirklich am fehlenden Licht. Frau bleibt über mir lässig. Ich klemme mir was ein, fluche, wieder schaue hoch, Frau grinst.

Also Handy als Taschenlampe. Jetzt will ich aber ein Foto aus dem Inneren dieser feuchten Hölle machen, einfach um online jemanden zu fragen, wie es hier weitergeht. Also braucht es ein zweites Handy. Und jetzt passiert etwas Erstaunliches: ChatGPT ist sowohl fotofest wie auch informationsstark. Ganz gleich, was man heute abfragt, man bekommt rasche Antworten, und die Antworten werden immer besser!

Frau unterhält sich gefühlt schon öfter mit der KI als mit mir. Wenn wir eine Frage diskutieren, wird die Debatte regelmäßig unterbrochen, weil Frau sich mit ChatGPT unterhält. Sie schreibt die Frage nicht, sie spricht sie ins Handy! Nicht gekünstelt, sondern schon ganz alltagssprachlich, es klingt bald vertrauter als Gespräch mit mir, bilde ich mir ein – verdammt, was läuft da?

Bei der Spülmaschinenproblematik funktioniert es, geführt in mehreren Schritten. Die KI erklärt sehr präzise, was zu tun ist. Und dankenswerterweise so, als wäre man vier Jahre alt. Zunächst wird der genaue Maschinentyp identifiziert. Bei der einen Baureihe könne man von hinten rein, bei der anderen muss der Weg von vorne, seitwärts oder gar von unten gewählt werden.

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Unnötig zu erwähnen, dass es im vorliegenden Fall der komplizierteste Weg ist: Die Maschine muss komplett gekippt, die Ab- und Zulaufschläuche entfernt werden. Gesagt, getan. Alle Wege führen nach Rom bzw. zur Pumpe und dort zu einem kleinen Flügelrädchen, das mutmaßlich verstopft sein kann.
Die Demontage wird von ChatGPT in einfache erklärende Sätze aufgeteilt. Und sie führt exakt an jenen Punkt heran, wo sich mit nicht unerheblichem Kraftaufwand – man muss sich trauen, zuzupacken! – eine „Haube“, wie es von der KI heißt, „mittels einer Vierteldrehung“ öffnet.

Und tatsächlich, nachdem alles offen vor mir liegt, sehe ich das kleine Holzstückchen, das sich so unglücklich quergestellt hat – niemand weiß, wie es dorthin gelangt ist. Frau beugt sich zu mir herunter, schaut, überlegt, kennt den Übeltäter aber auch nicht beim Namen.

Das Rätselraten könnte hier beginnen, aber man hat den Übeltäter ja gefunden. Man kann ihn entfernen. Es ist letztlich uninteressant, wie er dorthin gekommen ist. Zum Schluss bleibt die These übrig, dass das Sieb im Boden der Spülmaschine bei einem Spülgang wahrscheinlich nicht richtig verankert war. Hier gibt es offensichtlich keine maschineninterne Warnung, das Sieb vorschriftsmäßig zu fixieren, sodass die Maschine trotzdem startet und dann Dreck in diesen Bereich vordringen konnte.

Aber was ist nun die Lehre aus diesem Reparaturvorgang mit ChatGPT? Zum einen, dass man sich so eine Reparatur zutrauen kann und dass tatsächlich im Anschluss alles wieder zusammengeschraubt ist – wenn man einen passenden Werkzeugkasten hat –, funktioniert und man es nicht kaputt repariert hat. Das ist doch schon ein großer Erfolg!

Aber es gibt noch eine Erkenntnis auf der Metaebene. Was ich gerade gemacht habe, wäre ein Job für einen Facharbeiter gewesen. Nun habe ich anderthalb Stunden geschraubt. Mutmaßlich hätte ein Fachmann dafür nur 20 Minuten benötigt, aber anderthalb Stunden aufgeschrieben. Er hätte sich Zeit gelassen und hier und dort noch einmal geschaut und dann vielleicht gemeint, er müsse noch dies oder jenes Ersatzteil besorgen, weil dieses oder jenes Teil bereits verschlissen sei.

Aber all das fand hier nicht statt. Der Zeitrahmen war derselbe. Was kostet ein Facharbeiter für anderthalb Stunden? Und was sagt das eigentlich darüber aus, wer Facharbeiter ist?

Und da kommt mir eine Idee: Können wir heute diejenigen, die als Facharbeiter gekommen sind und dann doch keine waren, mit ChatGPT automatisch zu Facharbeitern oder Hilfsfacharbeitern machen? Bis wohin wollen wir sie vordringen lassen? Bis zu unserer Gastherme? Wahrscheinlich nicht, weil das ein Sicherheitsbereich ist. Aber eine Waschmaschine, eine Spülmaschine und diverse andere Tätigkeiten müssten doch auf diesem Wege machbar sein, bis hin zu kleineren handwerklichen Tätigkeiten im Hausmeisterbereich!

Ist ChatGPT der neue Supervisor für den Handwerker, der noch keiner ist? Oder für den Handwerker, der immer einer sein wollte? Oder für den Facharbeiter, der kein Facharbeiter ist, aber jetzt ohne Ausbildung sofort ein Hilfsfacharbeiter sein kann?

Wir könnten also mithilfe der KI jede Menge Facharbeiter ausbilden, die im Zweifel beispielsweise über eine zentrale Stelle die kniffligen Sachen moderiert bekommen, wenn ChatGPT es nicht hinreichend moderieren kann.

Die entscheidende Frage an dieser Stelle wird sein: Welche Fähigkeiten benötige ich, auch mit weniger guten Grundvoraussetzungen die richtigen Fragen zu stellen, um präzise Antworten von ChatGPT zu bekommen? Ist die Antwort immer nur so gut wie die Frage?

Abschließend aber zurück zum Wichtigsten: Es ist jetzt Samstag später Nachmittag, die Spülmaschine funktioniert tadellos. Die Frau ist zufrieden. Ich fühle mich gut. Es ist ohne Zweifel ein Erfolgserlebnis – auch mit Hilfe von ChatGPT. Und hey, wir haben das Geld für eine neue Spülmaschine gespart!

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