Einspruch Herr Broder: Das Völkerrecht ist tragende Säule der Zivilisation

Auch Israel steht nicht über dem Völkerrecht

von Alexander Wallasch (Kommentare: 4)

Israel und das Völkerrecht: Eine notwendige Allianz© Quelle: Pixabay/_Alicja_ OpenClipart-Vectors , Montage: Wallasch

Henryk M. Broder nennt das Völkerrecht eine „Duellieranleitung“ und stellt es infrage. Doch Sahra Wagenknecht hat recht: Ohne Völkerrecht droht die Barbarei – auch für Israel.

Kurze Version

Der Text setzt sich mit Henryk M. Broders Kritik am Völkerrecht auseinander, das er in einem Artikel als zynische „Duellieranleitung“ für Nationen abtut, die in Kriegszeiten scheitere. Besonders im Kontext des Angriffs Israels und der USA auf den Iran sowie Sahra Wagenknechts Verurteilung dieses Angriffs als völkerrechtswidrig sieht Broder das Völkerrecht als ineffektiv. Diese Sicht wird vehement widersprochen und das Völkerrecht als unverzichtbare Säule der Zivilisation verteidigt.

Das Völkerrecht ist weit mehr als ein Regelwerk für Konflikte: Es sichert Frieden, fördert globale Kooperation und schützt Menschenrechte. Broders Behauptung, es breche in Kriegszeiten zusammen, ist eine unzulässige Vereinfachung. Die Genfer Konventionen, die Zivilisten und Kriegsgefangene schützen, oder der Internationale Strafgerichtshof, der Kriegsverbrecher wie Radovan Karadžić zur Rechenschaft zieht, zeigen, dass das Völkerrecht auch in Krisen wirkt. Ohne diese Regeln wären Grausamkeiten in Kriegen schlimmer, und es gäbe keine Grundlage für Diplomatie oder Handel.

Wagenknecht wird für ihre Haltung gelobt, die Angriffe auf Iran und Ukraine als völkerrechtswidrig zu verurteilen, wobei sie Doppelmoral bei Kriegen der USA anprangert. Das Völkerrecht schafft universelle Normen, die selbst souveräne Staaten binden, und verhindert die Herrschaft des Stärkeren. Broders Diffamierung wird als intellektuell unaufrichtig kritisiert, da sie autokratischen Regimen nützt, die Normen missachten.

Trotz Unvollkommenheiten ist das Völkerrecht ein Meilenstein gegen Chaos und Willkür. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948 setzte globale Standards für Menschenwürde. Ohne Völkerrecht drohte eine von Macht diktierte Barbarei. Broder bietet keine Alternative, weil es keine gibt. Das Völkerrecht muss gestärkt, nicht verhöhnt werden, auch wenn Bedrohungen durch den Iran ernst genommen werden.

Henryk M. Broder gehört seit Jahrzehnten zu den meinungsstärksten Journalisten, die wir haben. In einem aktuellen Artikel für die „Welt“ hat der Journalist sich jetzt eingereiht in das große Orchester einer Grundsatzkritik am Völkerrecht. Das ist deshalb so populär geworden, weil das Völkerrecht dem Angriff Israels und der USA gegen den Iran entgegensteht.

Broder schreibt unter anderem:

„Man könnte das Völkerrecht als eine Art Duellieranleitung für Nationen beschreiben. Ein Regelwerk für das kollektive Töten und Getötet-Werden. Es verhindert kein Blutvergießen, es soll nur dafür sorgen, dass bestimmte Regeln eingehalten werden, etwa die Kennzeichnungspflicht für Kombattanten.“

Broders Hauptkritik: In Friedenszeiten funktioniere das Völkerrecht zwar perfekt, aber wenn ein Krieg ausbreche, kommt es als Erstes unter die Räder. Der Journalist kritisiert auch Sahra Wagenknecht, die den Angriff der Israels und der USA mit dem Völkerrecht verurteilt.

Als Jude, dessen Eltern Überlebende der Konzentrationslager sind, weiß Broder noch besser, als es Deutsche sowieso wissen können, was der Staat Israel für Juden bedeutet. Laut Online-Enzyklopädie verlegte Broder 1981 seinen Wohnsitz nach Israel, als ein deutsches Medium das Existenzrechts Israels in Frage stellte. Der Journalist sollte erst über ein Jahrzehnt später wieder nach Deutschland zurückkehren.

Trotzdem hat Sahra Wagenknecht recht, wenn sie von einem „völkerrechtswidrigen Angriffskrieg“ auf den Iran spricht. Unbestritten ist auch der Angriff Russlands gegen die Ukraine ein „völkerrechtswidriger Angriffskrieg“. Das sehen übrigens auch Sahra Wagenknecht und ihr BSW nicht anders:

„Das ist ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg, den wir verurteilen, so wie wir jeden Krieg verurteilen.“

Und Wagenknecht hatte dazu gegenüber einer Zeitung weitere Anmerkungen:

„Die Doppelmoral entsteht dann, wenn andere Kriege nicht in gleicher Vehemenz verurteilt werden, also zum Beispiel eben die verschiedenen Kriege, die die USA in den letzten 30 Jahren geführt haben. Dass wir einen Aggressor verurteilen, sollte außerdem nicht als Alibi dienen, uns nicht um eine diplomatische Lösung zu bemühen.“

Gleich vorweg: Die Aussage Broders, das Völkerrecht sei lediglich eine „Duellieranleitung“ für Nationen, die in Kriegszeiten zusammenbricht, ist eine zynische und einseitige Verzerrung, die der Bedeutung und Wirkung des Völkerrechts nicht gerecht wird.

Das Völkerrecht ist tatsächlich weit mehr als ein Regelwerk für Konflikte – es ist ein zentrales Fundament der modernen Zivilisation, welches – im Idealfall – nicht nur Kriege reguliert, sondern auch den Frieden sichert, globale Kooperation ermöglicht und universelle Menschenrechte schützt. Es verdient eine vehemente Verteidigung gegen solche Diffamierung, da es trotz seiner Unvollkommenheiten ein unverzichtbares Instrument für eine gerechtere und stabilere Weltordnung ist.

Um seinen Wert zu vermessen reicht es nicht, nur die Fehler und Versäumnisse aufzuzählen. Ein verhinderter Krieg taucht nämlich nur deswegen nicht auf der Haben-Seite auf, weil er schlicht nicht stattgefunden hat.

Völkerrecht ist tragende Säule der Zivilisation, ein historischer Meilenstein! Und für wen das zunächst Worthülsen sind, hier kommt die Begründung: Die anarchische Interaktion von Staaten wird vom Völkerrecht in ein System von Regeln und Prinzipien überführt. Vereinfacht gesagt: Das Völkerrecht basiert auf der Idee, dass selbst souveräne Staaten sich an universelle Normen halten müssen, um ein Zusammenleben auf globaler Ebene zu ermöglichen.

Das ist für den einen oder anderen Kritiker nur deshalb so schwer zu inhalieren, weil internationale Vereinbarungen, Zusammenschlüsse, Institutionen und Gremien aktuell den denkbar schlechtesten Ruf haben – von der UN (etwa wegen des Flucht- und Migrationspaktes) bis zur WHO (Etwa wegen der Pandemiepläne).

Nichtsdestotrotz darf das Völkerrecht in Gesamtheit niemals und nirgends irgendwelchen tagespolitischen Ereignissen gegenüber geopfert werden. Nicht einmal für Israel, möchte man hier ergänzend betonen. Was nicht bedeutet, dass die Bedrohungen des Iran gegen Israel deshalb nicht ernstgenommen werden sollen.

Aber ohne das Völkerrecht gäbe es keine Grundlage für irgendwelche diplomatischen Beziehungen, Handelsabkommen oder internationale Institutionen. Vertrauen und Verlässlichkeit brauche ein Koordinatensystem auch und insbesondere in der Abgrenzung gegenüber jenen, denen diese Koordinaten fehlen oder abhandengekommen sind.

Artikel 2 der UN-Charta erklärt in Absatz 4:

„Alle Mitglieder unterlassen in ihren internationalen Beziehungen jede gegen die territoriale Unversehrtheit oder die politische Unabhängigkeit eines Staates gerichtete oder sonst mit den Zielen der Vereinten Nationen unvereinbare Androhung oder Anwendung von Gewalt.“

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Die Welthandelsorganisation (WTO), gestützt auf völkerrechtliche Verträge, regelt den globalen Handel und verhindert Handelskriege, die früher oft in militärische Konflikte mündeten. Ohne diese Regeln wären wirtschaftliche Krisen und Konflikte weit häufiger.

Das Völkerrecht ist somit kein bloßes Regelwerk für Kriege, wie es Broder darstellt, sondern ein Rahmen, der die Grundlage für Frieden und Wohlstand schafft. Es auf eine „Duellieranleitung“ zu reduzieren ignoriert seine Rolle als Rückgrat der globalen Zivilisation. Und gemessen an seiner überragenden Rolle macht es das Völkerrecht verächtlich.

Es ist billig zu sagen, es taugt nichts, wenn man keine Alternative anbietet. Gar nichts zu vereinbaren, wäre in einer globalisierten und digital eng vernetzten Welt ein Rückfall in die Barbarei – und sicher nicht nur wegen des russischen Angriffskriegs und der ständigen Bedrohungen des iranischen Regimes gegen Israel.

Das Recht des Stärkeren ist der Feind der Zivilisation. Und das vollkommen unbeeindruckt davon, ob der Stärkere im Recht ist oder nicht.

Broders Behauptung, das Völkerrecht komme als Erstes unter die Räder, wenn Kriege ausbrechen, ist eine grobe bzw. unzulässige Vereinfachung. Zwar gibt es in Konflikten erschreckend zuverlässig Verstöße gegen das Völkerrecht – etwa durch Kriegsverbrechen oder Aggressionen –, doch das bedeutet nicht, dass es wirkungslos ist. Im Gegenteil: Das Völkerrecht bleibt selbst in Kriegszeiten relevant, indem es Schutzmechanismen bietet und Verantwortlichkeit einfordert:

Die Genfer Konventionen etwa schützen Zivilisten, Kriegsgefangene und Verwundete. Selbst in den brutalsten Konflikten, wie im Zweiten Weltkrieg oder jüngeren Kriegen im Nahen Osten, haben diese Regeln Leben gerettet. Das Internationale Komitee vom Roten Kreuz (IKRK) überwacht die Einhaltung und verhandelt oft Zugang zu Gefangenen oder humanitäre Korridore. Ohne diese Regeln wären die Grausamkeiten in Kriegen ohne jeden Zweifel noch schlimmer.

Bei aller Kritik: Auch der Internationaler Strafgerichtshof (ICC) in Den Haag wäre ohne ein verbindliches Völkerrecht nicht möglich. Der Strafgerichtshof verfolgt Kriegsverbrecher und stellt sicher, dass Verstöße gegen das Völkerrecht auch empfindliche Konsequenzen haben.

Die Verurteilung von Kriegsverbrechern wie Radovan Karadžić für Verbrechen im Bosnienkrieg zeigt, dass das Völkerrecht auch nach Kriegen wirkt, indem es Gerechtigkeit und Abschreckung schafft. Diese Beispiele widerlegen Broders  These, dass das Völkerrecht in Kriegszeiten irrelevant wird – es wirkt nach!

Aber selbst dann, wenn es nur einen einzigen Fall gebe, der als Beleg taugt, so wäre er schon das beste Argument für ein Völkerecht gegenüber dem Recht des Stärkeren.

Das Völkerrecht verhindert nicht jeden Verstoß, aber es setzt Standards. In düsteren Zeiten sind sie auf besondere Weise der Fixstern – die Regeln, die gebrochen wurde. Es ist ganz einfach: ohne Regel auch keine Erkenntnis darüber, dass ein Bruch stattgefunden hat – das Recht degradiert zum Bauchgefühl der Opfer.

Noch etwas ist klar: Die Diffamierung des Völkerrechts spielt immer jenen in die Hände, die internationale Normen bewusst missachten. Autokratische Regime oder Aggressoren, die Kriege anzetteln, profitieren von einer Schwächung des Völkerrechts. Es zu kritisieren, ohne seine Errungenschaften anzuerkennen, ist intellektuell unaufrichtig und untergräbt die Bemühungen um eine gerechtere Welt.

Und wer diese Bemühungen jetzt kitschig findet, dem kann die Menschheit nicht am Herzen liegen – dem kann Israel nicht am Herzen liegen! Der ist schlimmstenfalls ein von den Lebenden abgewandter Zyniker. Die Lebenden gehört die Zukunft!

Wer den Staat Israel gar als Opfer des Völkerrechts darstellt – was Broder allenfalls andeutet – stellt sich eindeutig gegen das Völkerrecht. Denn es verkörpert universelle Werte wie Menschenrechte, Gerechtigkeit und Frieden.

Das Völkerrecht ist Ausdruck der menschlichen Fähigkeit, über Egoismen hinauszugehen und Regeln zu schaffen, die allen zugutekommen. Wer diese Werte verlacht begibt sich in Gesellschaft von Unmenschen. Die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte von 1948, ein Meilenstein des Völkerrechts, hat weltweit Standards für die Würde des Einzelnen gesetzt und Diktaturen unter Druck gesetzt, ihre Bürger besser zu behandeln.

Das Völkerrecht ist kein perfektes System, aber es ist das beste, was die Menschheit bisher entwickelt hat, um Chaos und Willkür zu verhindern. Die zynische Abwertung des Völkerrechts ignoriert diesen Fortschritt und gefährdet die Errungenschaften, die es ermöglicht hat.

Und natürlich bietet Broder keine Alternative zum Völkerrecht an. Schlicht, weil es keine gibt. Nein, Henryk M. Broder, das Völkerrecht ist kein bloßes Regelwerk für Kriege, sondern ein essenzielles Merkmal der Zivilisation, das Frieden, Kooperation und Gerechtigkeit fördert.

Die zynische Diffamierung des Völkerrechts ist nicht nur ungerechtfertigt, sondern auch kontraproduktiv, da sie ein alternativloses System schwächt, das die Welt stabiler und humaner macht. Anstatt es zu verhöhnen, sollten wir es stärken und weiterentwickeln, um den Herausforderungen der Zukunft zu begegnen.

Und hinter vorgehaltener Hand gefragt: Möglicherweise ja ist der Bruch des Völkerrecht alternativlos ohne das man deshalb das Völkerrecht zu einer „Duellieranleitung“ diffamieren muss.

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