Abstoßend ist das „leider“ in der Absage

Auftrittsverbot für Musiker – Rede von Alice Weidel auf Facebook geteilt

von Alexander Wallasch (Kommentare: 7)

„Ich möchte Dir mitteilen, dass unser Ortsverein beschlossen hat, dass Du leider nicht auftreten kannst."© Quelle: Pixabay / CDD20

Die folgende Nachricht passt gut zum heutigen Wahltag. Es schockiert, weil es direkt in der Stadt passiert, in der ich aufgewachsen bin und in der ich jede Ecke und die Menschen gut kenne.

In Braunschweig wurde vorgestern einem regional beliebten und bekannten Musiker der Auftritt auf einem Stadtteilfest untersagt, weil er zuvor via Facebook eine Rede von Alice Weidel geteilt und mit „100 Prozent“ seine Zustimmung signalisiert hatte.

Besagter Musiker stellt seine Kunst dort seit fast zwei Jahrzehnten unentgeltlich zur Verfügung und teilt auf Anfrage von Alexander-Wallasch.de mit, dass ihm diese Veranstaltung immer sehr am Herzen gelegen habe.

Die Organisatoren des Festes trafen sich wohl zu einer Art außerordentlicher Sitzung und hatten das Auftrittsverbot beschlossen und dem Musiker folgende E-Mail geschickt (hier in Auszügen):

„Ich möchte dir mitteilen, dass unser Ortsverein beschlossen hat, dass du leider nicht (...) auftreten kannst. Wir sind bestürzt darüber, dass du auf Facebook einen Beitrag von Alice Weidel geteilt hast. Man kann unterschiedlicher Meinung zu politischen Sachverhalten sein, natürlich auch zur Migrationspolitik. Dass wir da unterschiedlich denken, ist mir seit langem klar. (...) Wir können aber nicht tolerieren, wenn du Posts einer mindestens in Teilen gesichert rechtsextremen Partei teilst. Da ist für uns, auch für mich persönlich, eine Grenze überschritten. Daher kannst du dann nicht auf (...) auftreten. Ich bedauere diese Entwicklung außerordentlich, weil ich deine Musik mag, ich dich als offenen freundlichen Menschen kennengelernt habe und du bei vielen (Veranstaltungen) zum Gelingen beigetragen hast. Mit freundlichen Grüßen.“

Teilweise musste ich diese Nachricht kürzen, damit nicht unmittelbar erkennbar wird, um welche Veranstaltung und um welchen Musiker es sich handelt. Denn der Betroffene befürchtet weitere gravierende Nachteile, wenn dieser Fall offen diskutiert wird.

Kontaktschuld und Cancel Culture. Der „Spiegel“ schrieb im August 2022, es gäbe keine Cancel Culture:

„Häufig wird beklagt, man dürfe nicht mehr alles sagen. Eine Generation von Tugendterroristen habe die Redefreiheit abgeschafft. Stimmt nicht. Wieso wir besser von einer Ächtungskultur sprechen sollten.“

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Der ehemalige Kulturstaatsminister im Kabinett Schröder, Julian Nida-Rümelin, schrieb zuletzt für den NDR:

„Die 'Harry Potter'-Autorin J.K. Rowling sorgt mit Tweets über Trans-Menschen immer wieder für Kontroversen. Mit 'RIP J.K. Rowling'-Tweets wird dazu aufgerufen, sie zu Grabe zu tragen und ihre Bücher nicht mehr zu lesen. Kritiker werfen der Kabarettistin Lisa Eckhart vor, in einem Auftritt 2018 antisemitische Klischees bedient zu haben. Daraufhin wird sie vom Harbour Front Festival in Hamburg ausgeladen. Schauspieler werden aus Filmen, Gedichte von Hauswänden, Autoren aus Verlagsprogrammen und Autorinnen aus Debütanten-Salons entfernt. Auch in Deutschland taucht in den Diskussionen über diese Vorgänge verstärkt der Begriff 'Cancel Culture' auf, was Streich- oder Abbruchkultur bedeutet.“

Besonders widerlich ist mir dieses „leider“ im Schreiben der Veranstalter an den Musiker aufgestoßen. Dieses „leider“ ist auch deshalb besonders abstoßend, weil es die ganze Heuchelei dieser Menschen spiegelt. Und es darf als naheliegend angenommen werden, dass es die gleichen Mitbürger sind, die auch mit Schwung und Begeisterung die Impfpflicht eingefordert, Menschen ausgegrenzt und verfolgt haben, wenn sie in „ihrem“ Stadtteil auf der Straße keine Maske trugen oder wenn eine Maske im Supermarkt etwas verrutscht war.

Zudem gilt: Wer ein Minimum an Geschichtskenntnis besitzt, der darf diese E-Mail als Geschichtslektion verstehen, warum 1933 überhaupt möglich war. Es waren Menschen, die es ermöglicht haben. Nazi-Charaktere. Leute, die immer das Gefühl brauchen, auf der richtigen, auf der guten Seite zu stehen, koste es, was es wolle. Und die dann in einem Totalitarismus aufwachen, den sie selbst zu verantworten haben. Widerlich, abstoßend, verabscheuungswürdig und doch sehr weit verbreitet, wie hier in Braunschweig.

Eine Beruhigung allerdings gibt es doch zu diesem Braunschweiger Fall. Als ich diese Geschichte via X mitteilte, nahm eine besonders große Anzahl an Nutzern Anteil, die Empörung über die Ausladung war riesengroß.

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