Nachdem Marcel Luthe für Berlin die Wiederholung der Wahl von 2021 erzwang, versammelt er aktuell bereits über tausend Geschädigte hinter sich, die daran gehindert wurden, an der Bundestagswahl 2025 teilzunehmen. Im Frühjahr berichtete Alexander-Wallasch.de bereits über den Fall. Jetzt sprechen wir mit Marcel Luthe, was daraus wurde.
Sie haben 2021 erfolgreich eine Wahl angefochten, die in einigen Berliner Bezirken wiederholt werden musste …
… eigentlich drei Wahlen. Die Landtags- und Kommunalwahl musste in ganz Berlin wiederholt werden.
… nun arbeiten Sie vier Jahre später an einer neuen Wahl-Anfechtung. Lässt Sie das Thema nicht mehr los?
Wenn sie einmal angefangen haben, auf ein Problem zu schauen, wenn Ihnen vorher nicht bewusst war, dass es überhaupt existiert, dann sehen Sie das Problem natürlich plötzlich auch an anderen Stellen. Und so ist es auch mit der Bundestagswahl 2025 gewesen. Es haben sich sehr viele Leute an mich gewandt – sicher auch wegen der Berichterstattung zu den Wahlen 2021 – und auch für 2025 auf Wahlfehler hingewiesen. Und der größte Wahlfehler war eben die Nichtwahlmöglichkeit für viele Auslandsdeutsche.
Sie haben über eintausend Fälle dokumentiert. Das sind starke Argumente. Aber was interessieren uns eigentlich die Auslandsdeutschen, die etwa von Brasilien aus beeinflussen wollen, wie wir hier leben sollen, ohne davon selbst betroffen zu sein?
Erst mal ist jeder deutsche Staatsbürger von der politischen Situation in Deutschland betroffen. Wenn wir jetzt die Frage aufmachen, weshalb Auslandsdeutsche ein Wahlrecht haben, würde das, wäre das in der Tat den ganzen Tag sprengen.
Das Bundesverfassungsgericht hat das vor Jahrzehnten ganz eindeutig entschieden: Weil sie Teil des Staatsvolks sind. Solange Sie aus der deutschen Staatsangehörigkeit nicht einfach beispielsweise austreten können, sind sie Deutsche. Und genauso wie jeder, der über Jahrzehnte in Deutschland gelebt und gearbeitet hat und dann mal woanders lebt, selbstverständlich ein Wahlrecht hat wie derjenige, der gerade frisch nach Deutschland gekommen ist und jetzt einen deutschen Pass in die Hand gedrückt bekommen hat, ohne bisher hier gearbeitet zu haben. Beide haben Wahlrecht und beide müssen wählen können.
Hätte die DDR da nicht bis 1989 die Bundesrepublik sprengen können, indem sie einfach 16 Millionen DDR-Bürger zur Wahl in der Bundesrepublik aufruft? Die waren ja immer anerkannt Deutsche.
Die waren ja nicht Staatsbürger der Bundesrepublik.
Ich glaube doch. Automatisch. Die mussten jedenfalls keine Einbürgerung vornehmen bei Übertritt, sondern bekamen den Pass sofort.
Interessant. Das müsste man mal genauer prüfen.
Jetzt haben Sie eine Wahl-Anfechtung gemacht. Hauptsächlich Briefwahl der Auslandsdeutschen, Mehrfachstimmen und so genannte Friedhofstimmen. Um was genau geht’s?
Wir haben nach den Aufrufen, sich zu melden zum Thema „Briefwahl Auslandsdeutsche“ über eintausend Zuschriften bekommen von Auslandsdeutschen, die ihre Wahlunterlagen entweder ganz knapp vor dem Wahltag, sodass sie nicht mehr rechtzeitig zurückgehen konnten, oder tatsächlich nach dem Wahltag bekommen haben.
Dann sind wir in die Prüfung eingestiegen, warum das so war. Und wie jetzt bekannt wurde, hat das Bundesinnenministerium unter schlichtweg kreativer Erfindung einer Gesetzesnorm, die es so nicht gibt bzw. die nicht das aussagt, was die meinen, dass sie aussagt – nämlich § 50 Abs. 2 des Bundeswahlgesetzes – behauptet, dass man den billigsten Postweg verwenden müsse, um Briefwahlunterlagen ins Ausland zu schicken.
Erstens steht das nicht im Gesetz. Zweitens ist das Bundesinnenministerium gar nicht dazu berufen, so kluge Belehrungen zu erteilen. Hat es aber trotzdem gemacht, in der Erwartung offensichtlich, dass man der Autorität des Bundesinnenministeriums schon folgen wird. Und das führt mit dazu, dass die alte Bundeswahlordnung in diesem Jahrzehnt nicht angepasst wurde. Da ist weiter von Luftpost die Rede.
Dabei muss man sich aber vor Augen führen, dass diese sogenannte Luftpost längst abgeschafft wurde. Luftpost war mal eine prioritäre Versendungsart, die auch teurer war und die schneller war. Das gibt es aber so gar nicht mehr, weil faktisch alles per Luftpost ist mittlerweile und trotzdem unfassbar langsam – man braucht beispielsweise drei oder vier Wochen in viele Ecken der USA oder Kanadas.
Und der eigentliche Weg, also irgendeine Prioritätssendung, die hätte drei oder vier Euro mehr gekostet pro Brief. Und das Geld hat man sich gespart, wissend, dass die Briefe nicht rechtzeitig ankommen können. Und dann wurde verschickt – sinnlos, aber billig. Das war eine Weisung (in Anführungszeichen) – auch wenn sie nicht rechtsverbindlich war – des Bundesinnenministeriums, wie jetzt der Berliner Landeswahlleiter auf Befragung in meinem Wahlprüfungsverfahren einräumen musste.
Das ist der eine große Block, da hat man sicherlich fast 200.000 Leute mindestens um ihr Stimmrecht gebracht. Die genauen Zahlen muss der Wahlprüfungsausschuss jetzt erst mal erfragen.
Die Anfechtung ging an den Wahlprüfungsausschuss. Das heißt, Sie müssen nicht gleich übers Gericht gehen?
Sie können nicht übers Gericht gehen. Das ist in der gesamten Konstruktion auch das Falsche, weil letztlich derjenige, um dessen Mandat es geht, der neu gewählte – in Anführungszeichen – Abgeordnete, selbst darüber entscheidet, ob er denn da überhaupt sitzen darf.
Und das haben Sie in keinem Rechtsstaat, dass derjenige, um dessen eigene Sache es geht, in dieser Sache als Richter entscheiden kann. Und das Problem ist, dass der Prüfungsausschuss dazu auch noch unlimitierte Zeit hat. Er könnte sich theoretisch die gesamte Wahlperiode Zeit lassen zu prüfen, weil es ja angeblich auch so schwierig ist. Und in der Zwischenzeit sitzen da Leute, bei denen dann womöglich hinterher rauskommt, dass sie tatsächlich gar nicht gewählt wurden.
Hier sind zwei Annahmen. Zum einen die Annahme, dass unglaublich schlampig und „Laissez-faire“-mäßig vorgegangen wurde. Und zum anderen, dass man ganz bewusst diese Menschen nicht wählen lassen wollte. Was könnte der Grund sein?
Da kann man nur spekulieren. Grundsätzlich gehen sicherlich viele davon aus, dass Menschen, die ein Land verlassen, eher unzufrieden sind mit der Situation in dem Land und deshalb gehen. Das heißt, sie neigen eher der Opposition zu. Das kommt sicherlich auch auf die Frage an, wann jemand gegangen ist. Ob das die erste Generation ist. Und so weiter und so fort. Aber der zentrale Punkt ist: sie finden es woanders besser als in Deutschland, sind also offensichtlich mit der aktuellen Regierung eher unzufrieden.
Zum anderen: „Laissez-faire“ sehe ich da gar nicht. Hier geht es nicht um „Laissez-faire“. Hier geht es ganz gezielt darum, dass man ein Organisationsversagen – und das war auch der Maßstab der Entscheidungen, Berlin 2021 – ein Organisationsversagen der Exekutive hat, die eine Wahl nicht so organisiert hat, dass sie tatsächlich als demokratische Wahl, also als allgemeine, freie, gleiche und geheime Wahl durchgeführt werden kann.
Dann macht man es halt, wie das in Deutschland üblich ist: Wir werden jedes Jahr besser, dann machen wir es beim nächsten Mal besser. Lieber Herr Luthe, es ist doch schon schwer genug für den Merz, hier eine vernünftige Politik zu machen, die dem Bürger nutzt. Warum machen Sie es dem Land dann noch schwieriger mit Ihren Interventionen?
Also mir ist es herzlich egal, wer da gerade Kanzler ist und wie das echte Ergebnis aussähe. Mir geht es nicht darum, Partei A zu stärken, Partei B zu schwächen oder Partei C irgendwie in eine Koalition mit irgendwem anders zu kriegen. Sondern schlicht um eines: Wenn wir eine Demokratie sind, dann müssen wir demokratische Wahlen abhalten.
Das hat dankenswerterweise der Berliner Verfassungsgerichtshof auch sehr deutlich damals in seiner Entscheidung geschrieben. Und das erfordert nun mal, dass sie so organisiert sind, dass sie demokratisch sind. Und egal, warum sie es plötzlich nicht sind, das kann so nicht sein in diesem unserem Land.
Und am Ende wird eine Entscheidung gefällt: Der Herr Luthe hatte mit seiner Intervention ja recht. Okay, wir machen es beim nächsten Mal besser.
Das wäre jedenfalls nichts, was mir in irgendeiner Weise ausreichen würde. Der Wahlprüfungsausschuss kann in seine Beschlussempfehlung an das Plenum des Bundestages reinschreiben, was er will. Da könnte auch nur stehen: Ja, war zwar alles ganz falsch, aber ist ja auch egal. Damit würde ich mich aber natürlich nicht zufriedengeben.
Erst, wenn der Wahlprüfungsausschuss mal irgendwann - zeitlich unlimitiert -entschieden hat, ist der Weg zum Bundesverfassungsgericht offen, das auch wieder zeitlich unlimitiert entscheiden kann. Aber dann kann ich mich wie 2021 nur damit zufriedengeben, dass das Bundesverfassungsgericht feststellt, dass die Wahlen vom 23.02.2025 keine demokratischen Wahlen im Sinne des Grundgesetzes waren. Nach meiner Überzeugung waren sie es nicht, allein schon weil ganz gezielt die Auslandsdeutschen von der Wahrnehmung des Wahlrechts abgehalten wurden.
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Was erhoffen Sie sich und wie ist der Zeitplan?
Wir haben das Thema Auslandsdeutsche/Briefwahl. Wir haben das Thema der sogenannten „Friedhofsstimmen“. Auch da räumt der Landeswahlleiter von Berlin nun ein, dass es zwar theoretisch so sein sollte und deshalb ja auch gar nicht anders sein kann, dass alle Verstorbenen automatisch ausgetragen werden und keine Wahlbenachrichtigung kriegen.
Ich habe alleine aus meinem persönlichen Umfeld zwei Fälle, bei denen die für ihre längst verstorbenen Väter Wahlbenachrichtigungen bekommen haben. Darüber ist auch öffentlich berichtet worden. Alleine also zwei Fälle, die ich ganz persönlich als ein Mensch auf der Straße selbst kenne. Und wenn man sich das anguckt, dann wird es davon nach statistischer Betrachtung ein paar mehr geben.
Aber das ist ja klassische Schlamperei. Mit den Stimmen der Verstorbenen kann ich doch niemandem schaden.
Wenn Sie die Stellungnahme des Berliner Wahlleiters lesen, dann steht da, dass das in einem automatisierten elektronischen Verfahren abgeglichen würde. Und wenn Sie schon mal feststellen, dass alleine ich zwei Leute kenne, bei denen das nicht funktioniert, dann können Sie sich ganz offensichtlich auf dieses automatisierte elektronische Verfahren nicht verlassen. Organisationsversagen!
Aber dann wäre doch Ihre Leistung, dass Sie darauf hingewiesen haben. Das macht doch unsere deutsche Gesellschaft insgesamt leistungsfähig, dass man gegenseitig Fehler identifiziert und dann vor allen Dingen die Fähigkeit zeigt, solche Fehler zu beheben. Das stellt doch nicht das System an sich in Frage.
Herr Wallasch, es geht doch um die Frage, ob wir denjenigen, der bewusst dafür gesorgt hat, dass das System nicht funktioniert, dass wir den nicht belohnen mit Mandaten und damit, dass er damit durchkommt.
Aber was soll das denn für ein komischer Move sein, zu sagen, ich nehme ein paar Friedhofstimmen mit rein, weil ich dann weiß, dass die BSW mehr Stimmen hat. Das funktioniert so nicht. Es kann nur zufällig sein. Man kann Friedhofstimmen nicht gezielt einsetzen.
Sie sind doch sonst nicht so naiv.
Dann helfen Sie mir bitte.
Wo sterben denn die meisten Menschen? Wo ist Ihre letzte Meldeadresse?
Im Altenheim.
Richtig. Wo gehen also dutzendfach falsche Wahlbenachrichtigungen an Tote hin? Wahrscheinlich ins Altenheim. Da können Sie zumindest mal davon ausgehen, dass Sie Fälle haben werden, in denen das eben nicht in den Papierkorb geschmissen wird, sondern dass da irgendwer sitzt und nicht eine Stimme bei der Bundestagswahl ausübt, sondern 50.
Aber das kann man doch überprüfen, welche tatsächlich nicht mehr lebenden Personen gewählt haben. Dann kann man das einem Altenheim zuordnen.
Ach, lieber Herr Wallasch, wenn’s so einfach wäre. Deswegen habe ich mir damals die 30.000 Seiten Niederschriften genau angeschaut mit den Protokollen aus allen Wahllokalen, auch mit der Frage: Wie werden denn eigentlich die Wählerverzeichnisse geführt? Wird wirklich sauber abgestrichen, wer gewählt hat? Die Antwort ist ganz einfach: „Nein“.
Und so schlampig, wie die Wählerverzeichnisse geführt werden, so schlampig wie die Protokolle geführt werden, werden sie da gar nichts nachweisen können, sondern die Leute können sich sehr einfach damit exkulpieren, dass sie sagen: Ja, ja, ist schon richtig. Hier kamen so fünfzig Briefe an, die haben wir halt weggeschmissen. Das ist ein weiteres Problem.
Es muss doch auch Rückmeldungen gegeben haben von vernünftig arbeitenden Altenheimen. Der Bundeswahlleiter muss doch wissen, wie viele Rückmeldungen er bekommen hat.
Da ist aber nicht der Bundeswahlleiter zuständig, sondern es sind die kommunalen Wahlbehörden. Bei denen müsste abgefragt werden, ob sie Rückmeldungen hatten. Nun ist es nach den Allgemeinen Geschäftsordnungen in allen Verwaltungen vorgeschrieben, dass sie über jeden wichtigen Vorgang einen Vermerk fertigen.
„Wir haben da beinahe jemandem ermöglicht zu wählen, obwohl er nicht wahlberechtigt ist“ – das wäre ein solcher wichtiger Vorgang und es müsste eigentlich für jeden solchen Fall einen Vermerk geben. Meine parlamentarische Praxis, insbesondere aus dem Untersuchungsausschuss, hat mir ganz klar gezeigt: Da vermerkt keiner irgendwas. Die Akten gibt es einfach nicht. Nö, das nimmt man schulterzuckend zur Kenntnis und löscht im Zweifel nach einer Zeit die E-Mail.
Das klingt so, als ob die Geschäftsführung der Deutschen Bahn auch unsere Bundeswahlleitung wäre.
Wie gesagt, machen Sie sich nicht so am Bundeswahlleiter fest. Der Bundeswahlleiter hat mit der Organisation der Wahlen relativ wenig zu tun. Das ist Aufgabe der Länder und der Kommunen. Der Bundeswahlleiter ist letztlich der Grüßaugust, der das Ergebnis verkünden darf. Das ist eine sehr wichtige und gefährliche Rolle, weil er eben auch jederzeit ein falsches Ergebnis einfach mal verkünden kann und das dann erst einmal so sein soll. Aber weitere Kompetenzen – gerade im Organisationsbereich – hat er nicht.
Entscheidender ist das Bundesinnenministerium, denn die erlassen – und zwar allein der jeweilige Innenminister, also in dem Fall Nancy Faeser, damals noch – die Bundeswahlordnung als Verwaltungshandeln. Und die Bundeswahlordnung ist an vielen, vielen Stellen unklar, problematisch und längst nicht auf dem Stand des 21. Jahrhunderts.
Gibt es berechtigte Hoffnungen, dass Sie erfolgreich sind – für Sie selbst?
(Stöhnen) Wenn man es nicht versucht, dann wird man nicht erfahren, ob es Aussicht auf Erfolg hat. Man kann die Dinge auch nur dokumentieren. So machen wir das ja. Wir dokumentieren, was schiefläuft, damit zumindest keiner hinterher sagen kann: Wir haben es nicht gewusst.
Danke für das Gespräch!
(Marcel Luthes GGG ist bzw. war Werbepartner von Alexander-Wallasch.de)
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