Wie relevant ist die Herkunft eines Intensivtäters für die Prävention?

Berliner Polizei streicht Migrationshintergrund – Wir befragen Oberstaatsanwalt und GdP-Sprecher

von Alexander Wallasch (Kommentare: 4)

Für Ralph Knispel ist das kein Argument dagegen: „Das wäre so, als würde jemand entscheiden, Knispel muss sich im Auto nicht mehr anschnallen, weil er seit dreißig Jahren keinen Unfall mehr hatte.“© Quelle: Pixabay / TechLine, Geralt, jraffin I Montage Alexander Wallasch

Berliner Senat schafft die Vermerkfunktion im Polizei-Computer ab, ob ein Straftäter Migrationshintergrund hat. Bisher setzten die Beamten einfach ein Häkchen im IT-System (POLIKS), das jetzt ersatzlos gestrichen wurde.

Wir sprechen dazu im Folgenden mit Benjamin Jendro, dem Sprecher der Berliner Polizeigewerkschaft, und mit dem Berliner Oberstaatsanwalt Ralph Knispel.

Was ist passiert? Seit 2011 muss von Polizeibeamten bei Mord, Totschlag, Vergewaltigung, sexueller Nötigung und Rohheitsdelikten der Migrationshintergrund im Polizeicomputersystem POLIKS vermerkt werden. Ein kleiner Haken, der jetzt vom Senat ersatzlos gestrichen wurde.

Wichtig hier, weil es in den aktuellen Meldungen der Medien teilweise untergeht: Allerdings nur bei deutschen Tatverdächtigen mit Migrationshintergrund unter 21 Jahren.

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Der Berliner Oberstaatsanwalt und Spiegel-Bestsellerautor Ralph Knispel spricht mit alexander-wallasch.de in seiner Funktion als Vorstand der Vereinigung Berliner Staatsanwälte. Für Knispel sind die jetzt gestrichenen Daten durchaus interessant:

„Ich verstehe bislang die Begründung nicht, warum man dien Kennzeichnungsmöglichkeit  abschaffen will. Insbesondere für die Erhebung von Hintergründen zu Tat, Motivation und Person eines Beschuldigten ist das grundsätzlich von Bedeutung.“

Knispel verweist auf Gewalttaten bei Menschen, die fundamentalistisch islamischen Kreisen entstammen. Da sei es für statistische Zwecke und für den sozialforschenden Bereich „durchaus von erkennbarer Relevanz“. Natürlich, so Oberstaatsanwalt Knispel, dürfe man daraus keine falschen Schlüsse ziehen, nicht verallgemeinern.

Die Bildzeitung berichtete jetzt, dass diese Daten „kaum für entsprechende organisatorische Planungen und Entscheidungen genutzt“ wurden.

Für Ralph Knispel ist das kein Argument dagegen: „Das wäre so, als würde jemand entscheiden, Knispel muss sich im Auto nicht mehr anschnallen, weil er seit dreißig Jahren keinen Unfall mehr hatte.“

Und Ralph Knispel verweist weiter darauf, dass auch in der Clan-Kriminalität ab etwa der dritten Generation viele Beschuldigte Deutsche sind. Die Staatszugehörigkeit, die ja weiterhin registriert wird, sage hier also wenig aus:

„Für Strafverfolgung, Justiz und Polizei ist es von Interesse, zu schauen, wie bestimmte Delikte verteilt sind. So ist es bedeutsam, welche Personenkreise mit welchem Hintergrund Wer in einem bestimmten Delikt oder Phänomenbereich besonders auffällig sind. Darauf muss man reagieren können - strafrechtlich wie gesellschaftspolitisch.“

Wie sehen das die Beamten selbst? Benjamin Jendro, der Sprecher der Gewerkschaft der Berliner Polizei, hatte zuletzt gegenüber der Bildzeitung kein Blatt vor den Mund genommen und wird von der Zeitung folgendermaßen zitiert:

„Aber wir reden über Menschen, deren Familien mitunter einen Bezug zu Ländern haben, in denen patriarchalische Strukturen herrschen und in denen ein nostalgisches Frauenbild vorliegt, das dem des demokratischen Rechtsstaates widerspricht.“

Alexander-wallasch.de spricht am Freitagvormittag mit Benjamin Jendro, der zunächst noch einmal explizit darauf hinweist, dass es nur Menschen unter 21 Jahren betrifft. Und Jendro erinnert daran, dass die Erfassung in den Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) ansonsten weitergeführt wird. Die Streichung betreffe nur das System POLIKS, nicht die PKS.

Angesprochen auf die Reaktion der Kollegen bei der Polizei, hat der Sprecher der Gewerkschaft durchaus gemischte Reaktionen registriert: „Zeigen sie mir den Schablonenkollegen, wir haben 26.000 Beschäftigte in Berlin. Manche sagen, es ist doch gar kein Problem, andere meinen, das geht gar nicht so.“

Benjamin Jendro fasst es so zusammen:

„Mit Blick auf eine kriminalpolizeiliche Prävention kann es durchaus eine Rolle spielen, ob ein 18- oder 19-jähriger Intensivstraftäter, der verstärkt auch junge Frauen anfasst beispielsweise, weil er ein anderes Frauenbild hat und meint, er darf das, wenn das nicht erfasst wird, dann kann ich auch nicht in einem bestimmten Kiez Kriminalprävention betreiben.“

Aber der Sprecher betont: „Wir sehen einen Migrationshintergrund auch nicht als Stempel an, nur weil ich das erfasst habe.“ So könne es ja durchaus auch sein, so Jendro, dass man am Ende zu dem Ergebnis kommt, dass 80 Prozent der Sexualstraftaten von unter 21-Jährigen von Leuten ohne Migrationshintergrund begangen werden.

Soweit der Polizeigewerkschafter. Aber es gibt sicher noch weitere Gründe, die dafür sprechen, dieses kleine Häkchen weiterhin zu setzen. Schon 2019 im Rahmen einer Analyse der bayerischen Polizeilichen Kriminalstatistik ergab sich ein Bild, das stark abweicht von einem damals auf Bundesebene stolz vom damaligen Innenminister Seehofer verkündeten Rückgang der Kriminalität.

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Nämlich die Erkenntnis, dass es in bestimmten Deliktfeldern einen eklatant überproportionalen Anteil von Migranten gibt. Hier wären die Statistiken hilfreich, die erklären, ob die Kriminalität tatsächlich wie durch ein Wunder mit der deutschen Staatsbürgerschaft beendet ist, man also auf die Zuordnung verzichten könnte.

Bayern 2019: Nehmen wir die Statistik der Straftaten gegen das Leben, stehen hier 214 nichtdeutschen Tatverdächtigen 383 Deutsche gegenüber (einschließlich solcher mit Migrationshintergrund). Von den 214 Nichtdeutschen (35,8 Prozent) sind 78 Zuwanderer.

Bei Körperverletzungen sind es 36,7 Prozent nichtdeutsche Täter.

Bei Gewaltkriminalität 44,4 Prozent nichtdeutsche Täter.

Bei Rauschgiftkriminalität 31,7 Prozent nichtdeutsche Täter.

Bei Diebstahl 42,4 Prozent nichtdeutsche Täter.

Bei Wohnungseinbruchdiebstahl 47,7 Prozent nichtdeutsche Täter.

Bei Raub/räuberische Erpressung 46,2 Prozent nichtdeutsche Täter.

Und bei Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung sind 30,6 Prozent nichtdeutsche Täter.

Bei Straßenkriminalität sind 36,7 Prozent nichtdeutsche Täter.

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