Auf vielfachen Wunsch hier nochmal eine Kurzfassung der Rezension des „Ronzheimer“-Podcast mit dem ehemaligen „BILD“-Chef Kai Diekmann.
Zehn Jahre nach Angela Merkels berühmter Rede „Wir schaffen das“ am 31. August 2015, die den Höhepunkt der Flüchtlingskrise markierte, blicken zwei Schlüsselfiguren der damaligen medialen Landschaft zurück: Kai Dieckmann, der ehemalige Chefredakteur der „Bild“-Zeitung, und Paul Ronzheimer, sein damaliger Reporter und heute stellvertretender Chefredakteur bei Bild sowie Moderator des Podcasts.
Die Episode, die sich der Entstehung der „Refugees Welcome“-Kampagne widmet, ist mehr als eine nostalgische Rückschau – sie entpuppt sich als unbeabsichtigtes Geständnis. In einer Art geschütztem Raum, einem „Safe-Room“, versichern sich Dieckmann und Ronzheimer gegenseitig, „zu den Guten“ zu gehören und „nichts falsch gemacht“ zu haben.
Doch genau diese gegenseitige Bestätigung enthüllt Verdrehungen, Falschbehauptungen und ein tiefes Missverständnis von Journalismus: Statt Wahrheitssucher zu sein, „Sagen, was ist“, positionieren sich die etablierten Medien als „Motor und Stichwortgeber der Politik“.
Dieses denkwürdige Gespräch hat einen klaren Geständnischarakter und zeigt, wie die „Bild“-Zeitung nicht nur berichtete, sondern aktiv Politik trieb – insbesondere Merkels offene Grenzen-Politik – durch emotionale Propaganda und eine moralische Überhöhung der Krise.
Die Flüchtlingskrise 2015 war ein Wendepunkt: Über eine Million Menschen, hauptsächlich aus Syrien, Afghanistan und dem Irak, kamen nach Deutschland. Und es war nur der Anfang, es hält bis heute an. Die „Bild“-Kampagne „Wir helfen – #refugeeswelcome“, gestartet Ende August 2015, wurde zu einem zentralen Element der Willkommenskultur. Sie umfasste Slogans wie „Wir helfen!“, Spendenaufrufe und eine ganzseitige Veröffentlichung des Fotos des ertrunkenen syrischen Jungen Alan Kurdi am Strand von Bodrum.
Das Bild löste weltweite Empörung aus und wurde von „Bild“ als „weltverändernd“ gefeiert. Diekmann argumentiert, das Foto sei vergleichbar mit ikonischen Kriegsfotos wie dem der napalmverbrannten vietnamesischen Mädchen. Tatsächlich trug es maßgeblich zur öffentlichen Stimmung bei, die Merkels Entscheidung unterstützte, die Grenzen offen zu halten.
Doch im Podcast wird klar: Die „Bild“-Kampagne war kein reiner Akt der Humanität, sondern eine bewusste politische Intervention. Dieckmann gesteht ein: „Es ging darum, eine politische Haltung zu unterstützen, damit wir unsere Grenzen nicht dicht machen in dem Sinne, in dem wir Flüchtlinge zurückweisen.“
Das ist der Moment, in dem der Journalismus zur politischen Agenda mutiert – eine Selbstverständlichkeit, die Dieckmann mit ruhiger Fahrstuhlstimme vorträgt, als wäre es das Normalste der Welt.
Und es hat auch etwas Religiöses: Der Ausgangspunkt der Erzählung ist Dieckmanns persönliche „Erweckung“ während eines Familienurlaubs im Luxusresort in Bodrum, Türkei – ein Ort, den er seit Jahrzehnten bucht, mit grünem Rasen, Cocktails, Palmen und Mini-Yachten.
Von dort aus unternimmt die Familie einen „Katzensprung“ per Boot zur griechischen Insel Leros, um die malerische Onassis-Santorini-Romantik zu genießen. Stattdessen trifft Dieckmann aber auf „Flüchtlinge“ in „erbärmlicher Kleidung“, die in maroden Booten „aus Syrien angekommen sind“.
Auch diese Formulierung ist irreführend: Denn die meisten Syrer waren bereits in der Türkei in relativer Sicherheit, wo rund zwei Millionen in Lagern lebten – allerdings oft mit reduzierten Rationen und ohne volle Rechte. Die Route Bodrum-Leros war ein klassischer Schlepperpfad: Gefährliche Überfahrten in der Dämmerung mit Schlauch- oder Holzbooten, organisiert von Schmugglern, die Tausende Euro verlangten.
Dieckmanns Familie – inklusive der Kinder – soll von diesem Anblick so berührt gewesen sein, dass die Kleinen vorschlugen, Flüchtlinge aufzunehmen. Es klingt wie die „Geburtsstunde von ‚Refugees Welcome‘“: Ein reiner Moment, wo das Leid des Mitgeschöpfes über das getriggerte Mitgefühl die Welt verändert? Um Himmelswillen.
Plötzlich schmecken die Cocktails im Resort nicht mehr, und die Dieckmanns wollen das echte Leid aus dem Urlaub mitnehmen, statt nur zu spenden. Diese Anekdote wirkt wie eine PR-Inszenierung – rührend, aber grotesk, wenn man bedenkt, dass Dieckmann als Chefredakteur einer Auflagenmaschine mit Millionenauflage saß und nicht als neutraler Beobachter.
Die Umsetzung daheim in der Potsdamer Villa unterstreicht die Absurdität: Dieckmann nimmt einen syrischen Flüchtling und seine beiden Kinder auf, dessen Frau bei der Überfahrt ums Leben kam, sorgsam ausgewählt von seinen „Kriegsreportern“ vor Ort.
Aber es klappt nicht. Die Dankbarkeit kippt. Die Villa mit Chauffeur weckt falsche Hoffnungen; der streng muslimische Gast drehte religiös ab, vielleicht irritiert von Dieckmanns Alkoholkonsum oder der leicht bekleideten Dame des Hauses.
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Die Kinder, die eine katholische Schule besuchen, integrieren die syrischen Kinder – eine Geschichte, die Dieckmann 2015 im „Tagesspiegel“ als Erfolgsstory verkaufte. Oder einfach nur ein katholisches „Ablass-Kaufen“: Persönliches Mitgefühl als Alibi für politische Einflussnahme.
Und der kleine Alan Kurdi? Sein Leichnam wurde an jenem Bodrum-Strand angespült, wo Dieckmann seinen Zeh in den feinen Sand steckt. Dieckmann schulmeistert im Podcast: „Bilder haben die Kraft, Politik zu verändern.“ Und: „Gerade, wenn du kleine Kinder hast, berührt dich das und haut dich einfach um.“
Die „Bild“-Redaktion ließ sich „emotional sehr ansprechen“, was zu einer „für Bild sehr typischen Haltung“ führte – Journalismus mit Haltung, der nicht nur von ARD-Monitor-Chef Georg Restle kommt, sondern von Dieckmann selbst.
Diese emotionale Linie rechtfertigt Dieckmann als humanitäre Pflicht: Deutschland als „reichstes Land in der Mitte Europas“ mit „besonderer Vergangenheit“ (der Holocaust wird implizit angerufen) müsse „dieser Rolle einfach gerecht werden“. Er zitiert Helmut Kohl: „Sie haben vollkommen recht, bei der nächsten Wiedervereinigung machen wir alles besser.“
Alles verschwimmt bei Dieckmann: Politik, Journalismus und das „Bodrumer Familientrauma“.
Der Westen trage Mitschuld an Syrien, weil er Assad „rote Linien überschreiten lassen“ habe – doch Kritik am US-Engagement im Nahen Osten fehlt, da Springer stark in den USA investiert ist. Kein Wort über die türkischen Lager oder Schlepperrouten. Stattdessen Widersprüche: Zuerst behauptet Dieckmann, Chefredakteure müssten gegen die Redaktion entscheiden; später schiebt er die „emotionale Redaktion“ vor: „Es gibt keinen Chefredakteur bei Bild, der seiner Redaktion seinen Willen aufzwingen kann.“
Eine Räuberpistole, die die Frage aufwirft: Was war zuerst, das Huhn oder das Ei? Die blaue Stunde von Bodrum oder Merkels getriebene Entscheidung – am Ende auch getrieben von Dieckmanns Urlaubserlebnissen?
Die Folgen der Kampagne sind bis heute spürbar. 2015 führte sie zu einer Welle der Solidarität, aber auch zu unkontrollierter Massenzuwanderung, einem Anstieg der Kriminalität, schwerwiegenden Integrationsproblemen und gesellschaftlichen Spannungen.
Heute, 2025, kocht die Migrationsdebatte hoch: Neue Asylanträge aus Syrien nach Assads Sturz, Debatten um Kriminalität und die Frage, ob die offenen Grenzen ein Fehler waren.
Dieckmann und Ronzheimer ignorieren das; stattdessen Selbstlob und Ignoranz gegenüber den Schattenseiten. Der Podcast ist „Pflichtprogramm“ für alle, die die „Mutter aller Probleme“ (Horst Seehofer) verstehen wollen: Er zeigt, wie Medien Macht missbrauchten, Agenden setzten und den Journalismus „an den Abgrund getrieben“ haben.
Zehn Jahre später bleibt ein Vermächtnis der Vermischung von Eliten: Politik, Medien und persönliche Traumen verschmelzen zu einem unheiligen Komplex, der die deutsche Gesellschaft nachhaltig verändert und beschädigt. Dieses Gespräch ist eine Mahnung. Und eine Offenbarung für jene, die wissen wollen, was wirklich passiert ist.
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Kommentar von Ostdeutsche
@TS: Es hieß ja, daß der bedauernswerte kleine Junge zuerst etwas anders am Strand lag und dann (fotogerecht) hindrapiert wurde. Mein Enkel war zu der Zeit genauso alt, deswegen berührte mich das Bild auch. Nur habe ich damals schon nicht meinen Verstand ausgeschaltet und dachte wie Sie: Wie kann man ein so kleines Kind ohne Schwimmweste auf ein Boot mitnehmen? Später gab es das Gerücht, daß der Vater sich eine Schwimmweste angezogen hat, seiner Frau aber nicht. Außerdem war er gar nicht in Not, sondern wollte sich seine Zähne in England richten lassen. Ob das nur böse Unterstellungen sind, weiß ich nicht, aber daß es einfach unverantwortlich war, das Kind ohne Schwimmweste mitzunehmen, dürfte klar sein.
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Kommentar von Marco B.
Ich werde es wohl nie mehr kapieren, wie man aus einem Zuzug von ca. 3 Mio. Migrant:innen in ein über 80 Mio. Euro fassendes, reiches und gut aufgestelltes Volk wie Deutschland so einen Zinnober fabrizieren kann. Guckt in andere Länder, die alle Leute aus deren ehem. Kolonien aufgenommen und nicht wie das kaiserliche Deutschland dort ausgebeutet und ermordet hatten. Außerdem war Merkel´s Ausspruch zuallererst eine Ansage an die Politik, die eigenen Weggefährt:innen "es zu schaffen". Wenn schon, dann hat die deutsche Politik kläglich versagt. Dieses Versagen kann man auch an diversen Weichenstellungen fest machen. Natürlich ist Hilfebedürftigen zu helfen. Das von 2015 war also richtig, und für das Ansehen Deutschlands auch wichtig. Dann aber wäre es darum gegangen diese Zuströmenden zu bilden. Dies hat man schändlich unterlassen, wie man nicht einmal die eigenen (arbeitslosen) Bürger:innen (weiter)bildet, sondern immer mehr in die Gosse absinken lässt. Dies ist ein gesellschaftliches Problem, einer immer mehr zur Elite aufgestiegenen Volksvertretung ohne fast jedweden Kontakt zur einfachen, arbeitenden Bevölkerung.
Antwort von Alexander Wallasch
Diekmann, kommentierst Du hier unter Pseudonym? Spass beiseite: Das individuelle Asylrecht, Schengen und die Dublinregeln bitte mal anschauen. Und dann die Entstehung des UN-Flucht- und Migrationspaktes und das eigentliche Thema hier beachten: Die Rolle der Medien und was Journalismus kann, soll und muss. Danke
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Kommentar von T S
Das berühmt-berüchtigte Strandphoto. Wie wahrscheinlich ist es daß jemand wirklich in so einem Fall als allererstes ein Photo macht anstatt sich um erste Hilfe zu bemühen, vor allem wenn es um den eigenen Sohn geht?
Die Szene stinkt regelrecht nach Inszenierung, und vor allem wird vom Kern abgelenkt: Daß es die Eltern sind die sich der fahrlässigen Tötung schuldig gemacht haben, denn nichts anderes ist es wenn man ein Kind ohne hinreichenden Schutz an Bord eines kaum seetüchtigen Bootes bringt.